BRAK-Mitteilungen 4/2022

mittlungen bei der Fachgruppe Justiz sei davon auszugehen, dass vor Ablauf der Frist über das beA zwar eine Nachricht eingegangen sei, diese aber keinen Inhalt gehabt habe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Wiedereinsetzung sei von Amts wegen nur dann zu gewähren, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung für das Gericht offenkundig sei. Dies sei nicht der Fall. Insbesondere fehlten nähere Angaben dazu, dass ein anwaltliches Verschulden bei der Datenübertragung ausgeschlossen werden könne. [5] III. Die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. [6] 1. Die kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde (§§ 574 I 1 Nr. 1, 522 I 4 ZPO) ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 II Nr. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt das Verfahrensgrundrecht der Kl. auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 77, 275, 284 Rn. 25; 88, 118, 123 f., juris Rn. 21; BVerfG, NJW 2005, 814, 815 Rn. 12; Senatsbeschl. v. 28.1.2020 – VI ZB 38/17, NJW 2020, 1225 Rn. 5; v. 14.9.2021 – VI ZB 58/19 Rn. 9). [7] 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, das Rechtsmittel der Kl. sei nicht in der gesetzlich bestimmten Frist begründet worden. Das Berufungsgericht hat die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung nicht ausreichend aufgeklärt. [8] a) Gemäß § 130a V 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschl. v. 25.8.2020 – VI ZB 79/19, NJW-RR 2020, 1519 Rn. 7; BGH, Urt. v. 14.5.2020 – X ZR 119/ 18, GRUR 2020, 980 Rn. 12; Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 18). Dementsprechend steht es der Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht entgegen, wenn der für die Abholung von Nachrichten eingesetzte Rechner im internen Netzwerk das Dokument nicht von dem Intermediär-Server des Gerichts herunterladen kann, sondern lediglich eine Fehlermeldung erhält (BGH, Urt. v. 14.5.2020 – X ZR 119/18, GRUR 2020, 980 Rn. 13). [9] b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen die Möglichkeit offen, dass die Berufungsbegründung am 23.8.2019 auf der für den Empfang elektronischer Dokumente bestimmten Einrichtung des Berufungsgerichts gespeichert worden ist und lediglich nicht von anderen Rechnern innerhalb des Gerichtsnetzes abgeholt werden konnte. [10] aa) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auf das Ergebnis seiner Ermittlungen zum angegebenen Nachrichtenkennzeichen der Berufungsbegründung Bezug genommen. Von dieser Bezugnahme erfasst ist auch die an den Prozessbevollmächtigten der Kl. gerichtete E-Mail der Fachgruppe Justiz v. 26.8.2019, die diese dem Berufungssenat am 5.11. 2019 auf dessen Rückfrage übermittelt hat. In dieser E-Mail wird darauf hingewiesen, dass die von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. am 23.8.2019 an das Berufungsgericht übersandte elektronische Nachricht nicht von der virtuellen Poststelle habe abgeholt und deshalb auch nicht an den Empfänger habe weitergeleitet werden können. Dies könne – neben weiteren angegebenen Umständen – den Grund haben, dass sich in den Dateinamen der Anhänge Umlaute oder Sonderzeichen befänden, wobei einige Probleme mit den Sonderzeichen ihre Ursache in der virtuellen Poststelle hätten. [11] bb) Diese Hinweise legen nahe, dass die am 23.8. keine inhaltsleere Nachricht 2019 über das beA des Prozessbevollmächtigten der Kl. beim Berufungsgericht eingegangene Nachricht nicht in dem Sinne „ohne Inhalt“ war, dass sie bereits inhaltsleer und ohne Anhänge auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Oberlandesgerichts eingegangen, sondern vielmehr vollständig dort gespeichert worden war und lediglich für andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes, insb. der virtuellen Poststelle, keinen Inhalt hatte, weil diese nicht auf sie zugreifen konnten (vgl. zu einer derartigen Fallgestaltung BGH, Urt. v. 14.5.2020 – X ZR 119/18, GRUR 2020, 980). [12] cc) Hierfür sprechen auch die von der Kl. vorgelegten Auszüge aus dem Protokoll des beA ihres Prozessbevollmächtigten, denen nicht nur zu entnehmen ist, dass der „allgemeinen Nachricht“ v. 23.8.2019 sechs Anlagen im PDF-Format beigefügt waren – darunter ein unter der Verwendung des Umlauts „ü“ als „Berufungsbegründung“ bezeichnetes Dokument mit 554 KB – sondern aus denen sich auch ergibt, dass ihrem Prozessbevollmächtigen eine automatisierte Bestätigung über den Eingang der Nachricht i.S.v. § 130a V ZPO erteilt worden ist. [13] Die Eingangsbestätigung, die der Justizserver bei ordnungsgemäßem Zugang der Nachricht automatisch generiert und dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen soll, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen DokuELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 235

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