BRAK-Mitteilungen 4/2022

den, könnte eine Irrtumsanfechtung des Vergleichs jedoch nicht rechtfertigen, weil ein „reiner“ Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit eines Vergleichs führt (BGH, Urt. v. 11.11.2020 – VIII ZR 191/18 Rn. 37 m.w.N.). Dass die Beklagtenseite im Verfahren vor dem KG gleichwohl einer Aufhebung oder Abänderung des Vergleichs zugestimmt oder sich auf die Wirksamkeit des Vergleichsvertrags im Prozess nicht berufen hätte, machen die Ag. nicht geltend. Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung der Ag., die es nach § 242 BGB ausnahmsweise rechtfertigen könnten, der Ast. die Geltendmachung ihrer aus dem Abschluss dieser Vergleichsvereinbarung resultierenden Gebührenansprüche nach Treu und Glauben zu versagen, liegen schließlich ebenfalls nicht vor. Ihre Behauptung, es habe eine „Abmachung zwischen den Anwälten“ gegeben, ihnen durch den Vergleichsabschluss zu schaden, ist unsubstantiiert, zur Festsetzung eines Streitwerts für das Verfahren auf 2.446.939,90 Euro, die sie der Initiative der Ast. zuschreiben, ist es im Verfahren vor dem KG ausweislich der vorliegenden vorläufigen Streitwertfestsetzung auch zu keinem Zeitpunkt gekommen. Dass die Honorarforderung derzeit noch nicht fällig ist, weil der Vergleichsbetrag wegen der ausstehenden gerichtlichen Protokollierung noch nicht ausgezahlt wurde, was nach Ziff. 5 lit. f) der Vereinbarung Fälligkeitsvoraussetzung ist, steht dem Arrestanspruch nicht entgegen. Es handelt sich insofern um einen betagten Anspruch gem. § 916 II ZPO. d) Entgegen der Auffassung der Ag. bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Erfolgshonorarvereinbarung v. 13.9.2019. Die Auffassung, eine solche Vereinbarung dürfe mit einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, nicht geschlossen werden, wenn hieraus eine höhere als die gesetzliche Vergütung resultiere, ist rechtsfehlerhaft. Mit § 4a I 3 RVG ist vielmehr die ausdrückliche Mög- § 4a I 3 RVG lichkeit geschaffen worden, auch in Mandaten, die grundsätzlich der Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe unterfallen, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Nach § 4a I 1 RVG darf ein Erfolgshonorar (§ 49b II 1 BRAO) nur für den Einzelfall und nur dann vereinbart werden, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Bei der Beurteilung, ob der Rechtsuchende aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse von der Rechtsverfolgung abgehalten würde, bleibt nach § 4a I 3 RVG die Möglichkeit, Beratungs- oder Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, außer Betracht (dazu auch Fölsch, MDR 2016, 133 ff.). In der Gesetzesbegründung zu Art. 14 Nr. 3 ist dazu ausgeführt, dass es Ziel der Neuregelung sei, Rechtsanwälten für eine Leistung, die zu einem erheblichen Vermögenszuwachs beim Ast. führt, eine angemessene Vergütung zukommen zu lassen. Gleichzeitig setze die Regelung Anreize, auch Mandate nicht bemittelter Rechtssuchender mit dem gebotenen Aufwand zu betreuen. Zudem könnten sich Entlastungen für die Staatskasse ergeben (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts v. 14.11.2012, BT-Drs. 17/11472, 50 zu Art. 14 Nr. 3, § 4a I 3 RVG). Wenngleich sich die Gesetzesbegründung vorrangig auf die Beratungshilfe bezieht, gelten die Beweggründe für den Fall der Prozesskostenhilfe, den § 4a RVG ausdrücklich miteinbezieht, gleichermaßen (OLG Hamm, Beschl. v. 12.1.2018 – I-7 W 21/17 Rn. 11-14, juris). e) Allerdings darf ein Erfolgshonorar außer in den – hier nicht einschlägigen – Fällen des § 4a I Nr. 1 und 2 RVG nur vereinbart werden, wenn der Auftraggeber im Einzelfall bei verständiger Würdigung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Bei einer umfangreichen Arzthaftungssache ist dies reerhebliches Kostenrisiko gelmäßig der Fall, schon weil diese aufgrund der einzuholenden Sachverständigengutachten mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden sind. Schon in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde daher zu § 4a RVG festgehalten: „In der Vergütungsvereinbarung sollen die Geschäftsgrundlagen festgehalten werden, von denen die Vertragsparteien bei der Vereinbarung der erfolgsbasierten Vergütung ausgehen. Ermittlungs- und Prüfungspflichten werden nicht begründet. Ausreichend kann es etwa sein, wenn festgehalten wird, dass angesichts eines bestimmten allgemeinen Prozessrisikos etwa in Arzthaftungsangelegenheiten auch in dem vorliegenden Einzelfall von diesem Risiko ausgegangen werde.” (BT-Drs. 16/8916, 17; vgl. auch Kleine-Cosack, BB 2008, 1406, 1408). Vorliegend geht die Begründung in Ziff. 2 der Vereinbarung über diese Minimalanforderungen deutlich hinaus, weil dort festgehalten wird, dass die Angelegenheit u.a. wegen der Beteiligung mehrerer Behandler, des Vorliegens eines negativen Gutachtens, das angefochten werden muss, der Schwierigkeiten bei der Schadensbezifferung und der Notwendigkeit, mehrere Rechtsanwälte einzubinden, überdurchschnittlich aufwändig ist. Die nach § 4 III RVG erforderlichen Angaben sind in der als Anlage 6 vorgelegten Erfolgshonorarvereinbarung auch vorliegend enthalten: Ziff. 5b) legt die für die Vergütung erforderliche Bedingung und das im Erfolgsfalle zu zahlende Honorar mit 25 % der durchgesetzten Schadensersatzansprüche fest (§ 4a III Nr. 1 RVG), die wesentlichen Gründe sind in Ziff. 1 der Vereinbarung, die voraussichtliche gesetzliche Vergütung ist in Ziff. 8 enthalten (§ 4a III Nr. 3 und 4 RVG). f) Dass die Ag. das Mandat gekündigt haben, lässt den Anspruch aus der Erfolgshonorarvereinbarung nach Ziff. 6 der Vereinbarung schließlich ebenfalls nicht entfallen, weil der Vergleichsabschluss unstreitig „ganz oder im Wesentlichen“ auf der Initiative der Ast. beruhte. BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 222

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