BRAK-Mitteilungen 6/2021

Rückgriffs auf Art. 15 DSGVO gegenüber anderen Auskunftsansprüchen auf der Hand: Während das deutsche Recht Auskunftsansprüche abseits spezialgesetzlicher Regelungen (insbesondere im Verwaltungsrecht) nur in ausgewählten Fällen vorsieht – so beispielsweise die zu § 242 BGB entwickelten Fallkonstellationen, § 810 BGB oder § 1605 BGB –, ergeben sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, seine Voraussetzungen und Rechtsfolge unmittelbar aus Art. 15 DSGVO. Die Bereitstellung der Informationen hat für den Betroffenen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kostenlos und unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zu erfolgen, wie aus Art. 12 III DSGVO folgt. Der Antrag kann ohne konkreten Anlass gestellt werden und bedarf keiner Begründung. Verstößt der Verantwortliche gegen die Pflicht, den Auskunftsanspruch vollständig und/oder rechtzeitig zu beantworten, liegt darin ein durch die DSGVO bußgeldbewehrter Verstoß, der zum Einschreiten der Aufsichtsbehörden führen kann. Der Verantwortliche sieht sich einem Dilemma ausgesetzt: Beantwortet er die Anfrage nicht entsprechend den oben genannten Anforderungen, droht das Bußgeld. Bei ordnungsgemäßer Beantwortung jedoch riskiert er im Rahmen eines vorgerichtlichen Verfahrens, der anderen Partei Informationen übermitteln zu müssen, die seine eigene Beweisführung schwächen könnten. Jedenfalls wird der Verantwortliche personelle Ressourcen für die Beantwortung des Auskunftsverlangens aufwenden müssen. III. UMFANG DES AUSKUNFTSRECHTS NACH ART. 15 DSGVO Der in Art. 15 I Hs. 1 DSGVO normierte Anspruch gewährt betroffenen Personen i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO das Recht, von dem Verantwortlichen i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO Bestätigung darüber zu verlangen, ob dieser ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet. Ist das der Fall, steht der betroffenen Person zugleich das Recht auf Auskunft über die in Art. 15 I Hs. 2 und II DSGVO genannten Informationen zu.4 4 Zu Art. 15 DSGVO generell s. Kremer, CR 2018, 560 sowie Wybitul/Baus, CR 2019, 494. Gemäß Art. 15 III DSGVO hat die betroffene Person das Recht, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten.5 5 Umstritten ist, ob es sich bei dem Auskunftsanspruch und dem Anspruch auf die Überlassung einer Kopie um einen einheitlichen Anspruch oder zwei unterschiedliche Ansprüche handelt, vgl. Koreng, NJW 2021, 2692 Rn. 5 ff. m.w.N. 1. GRUNDSATZ DER WEITEN AUSLEGUNG Der in Art. 4 Nr. 1 DSGVO definierte Begriff des personenbezogenen Datums wird von den Gerichten und Aufsichtsbehörden mehrheitlich weit ausgelegt.6 6 Klar/Kühling, in Kühling/Buchner, Art. 4 I DSGVO Rn. 8. Dies korrespondiert mit einem weiten Umfang der zu beauskunftenden Informationen. Indes hat sich rund um die Auslegung des Begriffs der Kopie ein differenzierter Streitstand entwickelt.7 7 S. hierzu Wybitul/Baus, CR 2019, 494. Die entscheidende Frage ist hierbei, ob und inwieweit nur die Kategorien der personenbezogenen Daten genannt oder eine Kopie von ganzen Dokumenten und deren Referenzen herausgegeben werden müssen, die einen Personenbezug aufweisen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass gerade vor dem Hintergrund der hier zu untersuchenden pretrial discovery nach dem Vorbild des US-amerikanischen Rechts die Herausgabe ganzer Dokumente erstrebenswert ist. Die folgenden exemplarischen gerichtlichen Entscheidungen verdeutlichen den Streitstand um den Umfang des Auskunftsanspruchs und dessen Auswirkungen eindrücklich: 2. EINSCHRÄNKUNG DES AUSKUNFTSRECHTES Das LG Köln8 8 LG Köln, Urt. v. 19.6.2019 – 26 S 13/18. hatte den Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Kenntnis interner Vorgänge einer Versicherung, wie z.B. Vermerke und wechselseitige Korrespondenz, noch verneint. Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO diene nicht der „vereinfachten Buchführung“ der betroffenen Person. Im Hinblick auf interne Vermerke der Versicherung über den Kläger lässt das Urteil des LG Köln eine an die DSGVO angelehnte Begründung indes vermissen. Die Entscheidung scheint insoweit vielmehr an das in § 142 ZPO verankerte prozessuale Ausforschungsverbot angelehnt.9 9 Vgl. Riemer, Anm. zu LG Köln, Urt. v. 19.6.2019 – 26 S 13/18, ZD 2019, 413. Auch das AG München10 10 AG München, Urt. v. 4.9.2019 – 155 C 1510/18, ZD 2019, 596 Rn. 50. hat sich der Auffassung des LG Köln angeschlossen. Danach sind interne Vorgänge, rechtliche Bewertungen und Analysen des Verantwortlichen in Bezug auf die betroffene Person nicht auskunftspflichtig. Art. 15 DSGVO ziele allein darauf ab, Inhalt und Umfang der durch den Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogener Daten nachvollziehen zu können. Gemein ist diesen Entscheidungen, dass sie zwar den Begriff des personenbezogenen Datums in Übereinstimmung mit der mehrheitlichen Auffassung weit auslegen, dann jedoch die Reichweite des Auskunftsrechts einschränken. Ein solches Vorgehen findet aber im Wortlaut des Art. 15 DSGVO gerade keine Stütze. Vielmehr sprechen die in Art. 15 IV DSGVO genannten Grenzen des Auskunftsanspruchs dafür, dass er im Grundsatz unbeschränkt besteht. 3. VORRANG DER WEITEN AUSLEGUNG UND UNEINGESCHRÄNKTER AUSKUNFTSANSPRUCH Die obige Entscheidung des LG Köln wurde dem BGH zur Revision vorgelegt. Der BGH attestiert dem LG Köln hinsichtlich seiner Ausführungen im Urteil ein „fehlerhafte[s] Verständnis des Begriffs der personenbezogeBRISCH/REXIN, DER AUSKUNFTSANSPRUCH NACH ART. 15 DSGVO ALS PRE-TRIAL DISCOVERY AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 349

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