BRAK-Mitteilungen 6/2021

nen Daten i.S.d. DSGVO und des Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs“.11 11 BGH, Urt. v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 21. Eine teleologische Reduktion des Personenbezugs im Rahmen von Art. 15 DSGVO darauf, dass signifikante biografische Informationen im Vordergrund eines fraglichen Dokuments stehen müssen, ist mit der Rechtsprechung des EuGH nicht zu vereinbaren.12 12 BGH, Urt. v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22. Auch interne Vermerke oder interne Kommunikation können nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs ausgeschlossen werden.13 13 BGH, Urt. v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 24. Der BGH geht folglich von einem weiten Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten aus. Ebenso von einer weiten Auslegung ausgehend, vertrat bereits zuvor das OLG Köln14 14 OLG Köln, Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18. die Auffassung, dass bei einer Versicherung elektronisch gespeicherte Vermerke und Telefonnotizen, soweit diese Informationen über die betroffene Person enthalten, auskunftspflichtig sind.15 15 OLG Köln, Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18 Rn. 63. Eine Berufung auf Geschäftsgeheimnisse der Versicherung hielt das Gericht für unerheblich, da die personenbezogenen Daten durch den Kläger selbst der Versicherung zur Verfügung gestellt wurden, somit kein versicherungseigenes Geschäftsgeheimnis sein können.16 16 OLG Köln, Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18 Rn. 64. Auch das LAG Baden-Württemberg sprach dem Kläger einen Anspruch auf Auskunft und Kopie der von seinem Arbeitgeber über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten zu.17 17 LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 Rn. 170. Dazu gehören nach Wertung des Gerichts auch E-Mails, die der Kläger verfasst oder empfangen hat.18 18 Zu den Konsequenzen u.a. Härting, CR-online Blog, https://www.cr-online.de/blog/ 2019/03/29/. Ein Geheimhaltungsinteresse Dritter müsste durch den Verantwortlichen konkret dargelegt werden und das Interesse der betroffenen Person überwiegen.19 19 LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 Rn. 182. Das LAG Baden-Württemberg spricht den Ansprüchen aus Art. 15 DSGVO damit einen weiten Geltungsbereich zu, so ist gerade auch das Recht auf Erhalt einer Kopie als Abschrift gesamter Dokumente erfasst. Dass diese Entscheidung nicht unumstritten war, zeigte mitunter die Tatsache, dass die Klägerpartei zunächst Revision einlegte, ein für Klarheit sorgendes Urteil des BAG aber wegen einer vorherigen außergerichtlichen Einigung ausblieb. In anderer Angelegenheit hat das BAG sich zwar nicht direkt zum Umfang des Auskunftsanspruchs geäußert, jedoch zu den prozessualen Anforderungen an die Geltendmachung eines Anspruchs auf Herausgabe von E-Mails ausgeführt,20 20 BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379. sodass das BAG offenbar einen weiten Auskunftsanspruch nicht ausschließt. Bezeichnenderweise thematisieren Verwaltungsgerichte die vorgeschlagenen Einschränkungen der Zivilgerichte kaum. So hat das VG Gelsenkirchen,21 21 VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27.4.2020 – 20 K 6392/18. mittlerweile bestätigt durch das OVG Münster,22 22 OVG Münster, Urt. v. 8.6.2021 – 16 A 1582/20 Rn. 73. unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Nowak23 23 EuGH, Urt. v. 20.12.2017 – C-434/16 Rn. 59-61 das Recht auf eine kostenlose Kopie der vom Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten im juristischen Staatsexamen bejaht, da Prüfungsleistungen des Klägers einschließlich der Korrekturanmerkungen als personenbezogene Daten gelten sollen. Auch das VG Schwerin hat sich im Rahmen einer Entscheidung über die Herausgabe eines Beweissicherungsgutachtens zu dem Umfang des Auskunftsrechts geäußert und sich der der extensiven Auslegung angeschlossen.24 24 VG Schwerin, Urt. v. 29.4.2021 – 1 A 1343/19 SN Rn. 51. Dieser Blick in eine weitere Gerichtsbarkeit zeugt von der bevorzugten uneingeschränkten weiten Auslegung der Gerichte. IV. ENTGEGENSTEHENDE PRINZIPIEN Wie zuvor erwähnt, widerspräche eine pre-trial discovery den Prinzipien des deutschen Zivilprozessrechts, allen voran dem Beibringungsgrundsatz und dem Ausforschungsverbot. Während die dem deutschen Recht fremde pre-trial discovery nach angloamerikanischem Vorbild jedoch einen umfassenden Auskunftsanspruch auf Informationen, die für eine Partei von Interesse sein können, beinhaltet, ist der Anspruch aus Art. 15 DSGVO in seiner Zielrichtung deutlich eingeschränkter. Grund hierfür ist das Tatbestandsmerkmal des personenbezogenen Datums, womit die herauszugebenden Informationen einen Personenbezug aufweisen müssen. Mögliche Konflikte werden damit vor allem im Bereich des Arbeits-, Versicherungs- und Sozialrechts sowie im Bereich des AGG zu diskutieren sein. Demgegenüber sind beispielsweise Informationen im Rahmen der Produkthaftung und des gewerblichen Rechtsschutzes grundsätzlich überwiegend nicht betroffen, lässt sich in diesen Gebieten womöglich kein Personenbezug herstellen. Grundsätzlich würde die DSGVO als unionsrechtlicher Sekundärrechtsakt dem deutschen Recht gem. Art. 288 II AEUV vorgehen (Anwendungsvorrang), so dass die aus der ZPO abgeleiteten Prinzipien keine Anwendung finden würden.25 25 So bereits Riemer, Anm. zu LG Köln, Urt. v. 19.6.2019 – 26 S 13/18, ZD 2019, 413. Gegen diese absolute Auslegung des Anwendungsvorrangs wurde jedoch eingewendet, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Zivilverfahren bei den Mitgliedstaaten verblieben ist, ein unbeschränkter Auskunftsanspruch somit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigungen aus Art. 5 II EUV zuwiderlaufen würde.26 26 Vgl. Wybitul/Baus, CR 2019, 494 Rn. 12-16. Die Autoren vertreten eine differenzierte Herangehensweise. Ausgehend von einem weiten Verständnis von BRISCH/REXIN, DER AUSKUNFTSANSPRUCH NACH ART. 15 DSGVO ALS PRE-TRIAL DISCOVERY BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 AUFSÄTZE 350

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