BRAK-Mitteilungen 1/2024

und weil man dann allzu verfrüht die Kanzlei „verwaisen“ lässt. Hier hätte der betroffene Anwalt eben jene öffentlichen Beförderungsmittel wählen sollen, auf deren Zuverlässigkeit er sich nach Auffassung des BFH nicht verlassen darf. Als leidenschaftlicher Fahrradfahrer fragt sich da der Verfasser, ob er dieses sehr zuverlässige und nicht stauanfällige Verkehrsmittel überhaupt nutzen und wie weit die Strecke zum Gericht dann sein darf, um einerseits sicher rechtzeitig anzukommen und andererseits die Kanzlei und die beA-Anbindung nicht allzu lange allein zu lassen. Zum letzten Punkt sei noch erwähnt, dass eine Weiterleitung auf und Nutzung durch mobile Endgeräte in der für alle bereitgestellten Version gar nicht möglich ist und diese Funktionen nur über Fremdanbieter eingerichtet werden können. Die allgemeine Pflicht zur Nutzung geht aber nicht so weit. (bc) PRÜFUNG DES ZUSTÄNDIGEN EMPFANGSGERICHTS 1. Zu den an einen Rechtsanwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Bezeichnung des Empfangsgerichts im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), wenn der Rechtsanwalt die Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das beA selbst ausführt. (Ls.) 2. Ein Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Reicht der Prozessbevollmächtigte einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht ein, hat er auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang zu gewährleisten. 3. Wenn der Rechtsanwalt einen fristgebundenen Schriftsatz per beA übermittelt, entsprechen seine Sorgfaltspflichten dabei denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. In diesen Fällen gehört – neben der Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und dem rechtzeitigen Beginn des Übermittlungsvorgangs – die korrekte Eingabe der Empfängernummer zu seinen Sorgfaltsanforderungen. (Os.) BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Der am Tag des Fristablaufs per beA eingereichte Berufungsschriftsatz wurde statt an das zuständige – und auch im Schriftsatz adressierte – LG Berlin an das AG Schöneberg als Ausgangsgericht versandt. Die Weiterleitung erfolgte erst zehn Tage später; eine Weiterleitung noch am selben Tag durfte die Prozessbevollmächtigte allerdings nach ständiger Rechtsprechung ohnehin nicht erwarten. Die Prozessbevollmächtigte stützte den Wiedereinsetzungsantrag bzw. fehlendes Anwaltsverschulden darauf, dass sie das zuständige Gericht im Schriftsatz selbst überprüft hatte (nicht delegierbare Prüfung) und die Angabe des Empfängergerichts im beA auf die instruierte Mitarbeiterin delegiert werden durfte. Der BGH zieht zunächst die Parallele zum Telefax – dass die Anforderungen vergleichbar sind, hat er schon mehrfach betont.5 5 BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201. Dementsprechend ist nach Versendung auch zu kontrollieren, ob sie an den zutreffenden Empfänger gegangen ist.6 6 BGH, Beschl. v. 21.2.2023 – VIII ZB 17/22, MDR 2023, 861. Dies sei – so der Senat – sogar leichter zu erkennen als beim Fax, da das Gericht direkt bezeichnet ist und nicht nur eine Faxnummer. Es musste der Prozessbevollmächtigten ohne Weiteres auffallen, dass es sich bei dem ausgewählten Amtsgericht nicht um das zuständige Gericht für die Einlegung einer Berufung handeln konnte. Der Senat macht des Weiteren deutlich, dass es einen Unterschied macht, ob die Rechtsanwältin den Schriftsatz selbst aus dem beA verschickt, oder ob die Versendung durch Mitarbeitende erfolgt. Wer selbst versendet, müsse auch selbst sicherstellen, dass der Empfänger korrekt angegeben und der Versandvorgang an den – für sie im beA erkennbaren – zutreffenden Empfänger gerichtet ist und diesen der Schriftsatz damit fristgerecht erreichen wird. Der Senat bringt auch noch einen weiteren Aspekt betreffend die Delegation ins Spiel: Ein Rechtsanwalt müsse nämlich auch, soweit er sich grundsätzlich auf seine Mitarbeiter verlassen kann, selbst tätig werden und für die ordnungsgemäße Erfüllung der betreffenden Aufgabe Sorge tragen, wenn für ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit und Sorgfalt erkennbar ist, dass seinem Büropersonal im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises Fehler unterlaufen sind oder es Anweisungen nicht beachtet hat. Damit geht der Senat dann mit den anwaltlichen Überprüfungspflichten doch etwas weiter als es beim Telefax der Fall war. Dort konnte man sich nach Unterzeichnung des Schriftsatzes bei ausreichender Instruktion des Personals zurücklehnen. Beim beA ist die Verzahnung zwischen Anwältin und Personal enger. (ju) NACHFRAGEPFLICHT DES ANWALTS BEI UNVOLLSTÄNDIGER beA-SENDUNG VOM GERICHT Erhält der Anwalt vom Gericht nur ein Anschreiben ohne das angekündigte eigentliche Dokument, darf er nicht darauf vertrauen, dass ihm eine am Vortag beantragte Fristverlängerung bewilligt worden sei. Dies gilt erst recht, wenn der Anwalt seinen Fristverlängerungsantrag entgegen § 520 II 3 ZPO nicht begründet hat. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – XI ZB 10/23 Der Anwalt beantragte am 21.2.2023 eine Verlängerung einer am 22.2. ablaufenden Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Der Antrag enthielt keinerlei Begründung. Der Senatsvorsitzende verfügte noch am 21.2. unter Hinweis auf § 520 II 3 ZPO, dass der Fristverlängerungsantrag unverzüglich zu begründen sei. Durch ein Versehen der OLG-Geschäftsstelle wurde BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 38

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