BRAK-Mitteilungen 1/2024

dem Anwalt am 22.2. nur das gerichtliche Begleitschreiben, nicht aber die Verfügung übersandt. In dem Anschreiben heißt es: „... anliegende Dokumente werden Ihnen elektronisch übermittelt.“ Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgte, wies das OLG den Fristverlängerungsantrag zurück. Daraufhin teilte der Anwalt mit, dass ihm die Verfügung vom 21.2. nicht zugegangen sei, und nannte Gründe für die begehrte Fristverlängerung (Arbeitsüberlastung infolge Corona-Erkrankung). Zudem beantragte er wegen Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde verwarf der BGH als unzulässig. Die Entscheidung des OLG stehe im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung und stelle keine Verletzung von Rechten der Partei dar. Die Berufungsbegründungsfrist könne nach § 520 II 3 ZPO ohne Einwilligung des Gegners nur (bis zu einem Monat) verlängert werden, wenn der Rechtsstreit nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Da der Anwalt keinerlei Begründung gegeben habe, habe er schon nicht auf eine Verlängerung vertrauen dürfen.7 7 St. Rspr., z.B. BGH, NJW-RR 2017, 564, NJW-RR 2018, 569; NJW-RR 2022, 201. Auch bei Erhalt des Anschreibens vom 22.2.2023 ohne die angekündigte Verfügung habe er deswegen nicht darauf vertrauen dürfen, dass es sich um eine Gewährung der Fristverlängerung handle. Der Anwalt hätte vielmehr bei Gericht nachfragen müssen und dabei erfahren, dass das Gericht eine Begründung für den Verlängerungsantrag forderte. (hg) VORSICHT FALLE: FRISTABLAUF NICHT NUR AN WERKTAGEN 1. § 74a BRAO sieht keinen Rückgriff auf § 43 II StPO, wonach eine Frist mit Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, vor. 2. Eine analoge Anwendung scheidet mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus. 3. Auf Grund der lex specialis in § 74a II BRAO verbietet sich auch ein Rückgriff auf den für anwaltsgerichtliche Verfahren die ergänzende Anwendbarkeit von GVG und StPO anordnenden § 116 I 2 BRAO. AnwG München, Beschl. v. 20.6.2023 – 1 AnwG 29/22, BRAK-Mitt. 2023, 418; NJW-RR 2023, 1354 Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer München hatte dem Antragsteller wegen Verstoßes gegen § 12 BORA (Umgehungsverbot) eine Rüge erteilt. Dessen Einspruch wurde zurückgewiesen, der Beschluss am 11.5. 2022 zugestellt. Der Anwalt reichte sodann einen Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gem. § 74a BRAO am Montag, 13.6.2022, per beA ein. Das AnwG wies den Antrag als unzulässig, weil verfristet, zurück. Der Antrag war schon nicht formwirksam eingereicht, weil der Antragsteller den nur einfach signierten Schriftsatz nicht aus seinem eigenen beA versandt hatte. Die Übermittlung am 13.6.2022 war allerdings auch nicht fristgerecht: Nicht bei allen Fristen, die am Samstag, Sonntag oder Feiertag enden, tritt nämlich an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Das ist zwar nach § 222 II ZPO der Fall, ebenso nach § 43 II StPO. Auf diese Vorschriften verweist § 74a BRAO aber nicht. Das AnwG weist auf die Falle hin: Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Reform des § 74a II 2 BRAO zum 17.5.2017 bewusst – wenn auch in der Sache womöglich unbefriedigend – nur noch einzelne Normen der Strafprozessordnung für anwendbar erklärt, nicht jedenfalls § 43 II StPO. Auch auf Art. 31 III 1 BayVwVfG konnte nicht zurückgegriffen werden, da es nicht gem. § 32 I 1 BRAO um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit ging. Da es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gebe, wonach eine Frist stets erst mit Ablauf des nächsten Werktages endet, war die Frist am Samstag abgelaufen. (ju) STICHWORT BERUFSRECHT WAHLEN VON VORSTAND UND PRÄSIDIUM EINER RECHTSANWALTSKAMMER Jede Rechtsanwaltskammer verfügt über drei Organe: die Kammerversammlung, §§ 85 ff. BRAO, den Vorstand, §§ 63 ff. BRAO und das Präsidium der Rechtsanwaltskammer, §§ 78 ff. BRAO. Die Rechtsanwaltskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich aus den bei ihr zugelassenen bzw. aufgenommenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zusammensetzt. Neben den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gehören der Kammer auch die von der Kammer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften an, § 60 II Nr. 2 BRAO. Die Berufsausübungsgesellschaften haben zwar ein aktives Wahlrecht für den Kammervorstand, aber kein passives Wahlrecht. Der Gesetzgeber hat dies nicht eindeutig geregelt, es ergibt sich jedoch aus § 65 Nr. 2 und § 67 Nr. 1 und 3 BRAO, welche auf natürliche Personen abstellen. BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 39

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