BRAK-Mitteilungen 5/2023

RDG ihre Mandanten rechtlich beraten, wenn das im Zusammenhang mit einer ihnen gestatteten Haupttätigkeit, in der Regel eine Steuerrechtsberatung, geschieht.86 86 Krenzler, in Krenzler/Remmertz, § 5 RDG Rn. 116. In dem Fall hatte die Gesellschaft rechtlich zur Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) beraten, ohne dass eine Haupttätigkeit festgestellt werden konnte. Eine von einer Steuerrechtsberatung losgelöste rechtliche Beratung im Gesellschaftsrecht ist Steuerberatern nicht gestattet, so dass das LG Memmingen die Rechtsdienstleistung zu Recht beanstandet hat. b) DRITTBERATUNG DURCH SYNDIKUSRECHTSANWÄLTE Auch nach der Liberalisierung der sog. Drittberatung durch Syndikusrechtsanwälte in § 46 VI BRAO mit der großen BRAO-Reform87 87 Durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 7.7.2021, BGBl. I 2021, 2363; s. dazu Remmertz, BRAK-Mitt. 2021, 288, 294. setzt der BGH seine strenge Rechtsprechung fort. Nach § 46 VI 1 BRAO können Syndikusrechtsanwälte Dritten gegenüber Rechtsdienstleistungen erbringen, sofern ihre Arbeitgeber, auch wenn sie nicht den in § 59c I 1 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten Berufen angehören, ihrerseits dazu berechtigt sind. Dazu gehören z.B. zulässige Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung nach § 5 RDG. Allerdings handelt es sich dabei nach § 46 VI 3 BRAO nicht um eine anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 II 1 BRAO, sie kann also keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt begründen. Im Fall der BGH-Entscheidung88 88 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 327. ging es um schlichtende Tätigkeiten einer Bewerberin, die sie für eine nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz anerkannte Schlichtungsstelle für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Reisenden und Verkehrsunternehmen erbringt. Der überwiegende Teil der Tätigkeit bestand darin, Streitigkeiten zwischen Dritten zu schlichten. Darin sah der BGH keine Rechtsangelegenheit ihres Arbeitgebers nach § 46 V BRAO.89 89 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 327, 329 Rn. 23 ff. Der BGH entschied – noch vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 46 VI BRAO – dass diese Tätigkeit zumindest im Kern nicht in den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers erfolge und somit nicht anwaltlich sei. Der BGH hält zwar an der bis zum 31.7.2022 geltenden Rechtslage, wonach jegliche rechtsberatende Tätigkeit für Dritte eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließe,90 90 S. noch BGH, Urt. v. 22.6.2020 – AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24 ff.= BRAK-Mitt. 2020, 236 (Ls.) zu Recht nicht mehr fest. Die erlaubten, allerdings nicht als „anwaltliche Tätigkeit“ zu qualifizierenden Rechtsdienstleistungen nach § 46 VI BRAO dürfen die Tätigkeit eines Bewerbers aber nicht prägen. Der BGH nahm dies im zugrunde liegenden Fall an, weil dies die Haupttätigkeit des Arbeitgebers war.91 91 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 327, 331 Rn. 34 ff. Die Entscheidung ist kritikwürdig:92 92 Krit. ebenso Huff, AnwBl. 2023, 20, 21. Zwar ist richtig, dass die einem Arbeitgeber erlaubten Rechtsdienstleistungen nach § 46 VI 3 BRAO keine anwaltliche Tätigkeit begründen können. Der BGH hätte jedoch stärker berücksichtigen müssen, dass die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen nach § 2 III Nr. 2 RDG keine Rechtsdienstleistung ist. Es wäre daher zumindest mit Blick auf § 18 BORA vertretbar gewesen, diese Tätigkeit als anwaltlich zu qualifizieren.93 93 So i.Erg. die Vorinstanz AGH Brandenburg, Urt. v. 20.12.2021 – AGH 2/20, BeckRS 2021, 45710, der die Tätigkeit als Schlichterin als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers qualifiziert hat. III. CHATGPT & CO. ALS RECHTSDIENSTLEISTUNG Früher als angenommen spielen auch Anwendungen der sog. künstlichen Intelligenz (kurz: KI) auf dem Rechtsmarkt eine Rolle. Seit Ende November 2022 hat die KI-Anwendung ChatGPT einen regelrechten Hype ausgelöst. Es gibt kaum ein Tag, an dem nicht über die erstaunlichen Fähigkeiten und deren Risiken dieser neuen KI in den Medien berichtet wird. Die von dem US-KI-Unternehmen OpenAI entwickelte Anwendung ChatGPT ist ein sog. Large Language Model (kurz: LLM), also eine Anwendung, das auf der Analyse von Sprache basiert. Die Abkürzung GPT steht für „Generative Pre-Trained Transformer“ und umschreibt damit die Funktion der Algorithmen. Trainiert mit Milliarden von Datensätzen sind sie durch machine learning94 94 Kaulartz/Braegelmann, AI und Machine Learning-HdB/Stiemerling Kap. 2.1 Rn. 14 ff.; Gertz/Aumiller, LTZ 2022, 30. in der Lage, auf der Basis bestimmter Eingaben (Input in Form sog. „prompts“) die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Wörtern zu errechnen und als Ergebnis (Output) einen verständlichen, menschenähnlichen Text zu generieren.95 95 S. zum Begriff, zur Entwicklung und Funktionsweise ausführlich „ChatGPT und andere Computermodelle zur Sprachverarbeitung – Grundlagen, Anwendungspotentiale und mögliche Auswirkungen“, Studie im Auftrag des Deutschen Bundestages, 21.4.2023, abrufbar unter: https://beck-link.de/p2yrn; Moeller-Klapperich, NJ 2023, 144; Mielke/Wolf, LRZ 2023 Rn. 560 (567 ff.), https://lrz.legal/de/lrz/kuenst liche-intelligenz-und-large-language-models-in-der-rechtsprechung. Man kann ChatGPT für Anfragen aller Art nutzen, angefangen von Fragen des täglichen Lebens wie Küchenrezepten bis zu fachspezifischen Themen. Rechtliche Fragestellungen bilden da keine Ausnahme, so dass man ChatGPT auch für die Beantwortung von Rechtsfragen nutzen kann. Es drängt sich daher die Frage auf, ob dies als Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 I RDG qualifiziert werden kann.96 96 Ausf. dazu Remmertz, RDi 2023, 401. Im Fall des regelbasierten Vertragsgenerators smartlaw hatte das OLG Köln noch offengelassen, wie KI-Anwendungen nach § 2 I RDG zu beurteilen seien.97 97 OLG Köln, NJW 2020, 2734 (2739) Rn. 31. Der BGH musste sich zu dieser Frage bislang nicht äußern. Abhängig von der konkreten Fragestellung (prompt) ist diese Frage zu bejahen.98 98 S. dazu ausf. Remmertz, RDi 2023, 401, 404 ff.; a.A. Hartung, RDi 2023, 209. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 293

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