BRAK-Mitteilungen 4/2023

a) Die Bekl. bestreitet zwar eine vertragliche Vereinbarung für den streitgegenständlichen Zeitraum, sie hat aber die von der Kl. übermittelten Leads zur Bearbeitung angenommen, sodass jeweils konkludent ein Vertrag zustande gekommen ist. Fehlt es an einer Einigung über den Preis, ist nach § 632 II BGB die übliche Vergütung geschuldet. Zwar haben die Parteien über die Abrechnungsmodalitäten offenbar jahrelang verhandelt und keine Einigung erzielt, gleichwohl wurden aber Leistungen erbracht, die nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien nicht unentgeltlich erbracht werden sollten. Eine Vergütung gilt zudem nach § 632 I BGB als stillschweigend vereinbart, wenn die erfolgsbezogene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. b) Die Vereinbarung der Parteien verstößt aber gegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nach §134 BGB nichtig. § 49b III 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist. Kern des Rechtsstreits ist die – hier zu bejahende – Frage, ob die Kl. von der Bekl. mit der Lizenzgebühr eine Vergütung für die Vermittlung von Mandanten erhalten sollte. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drs. 12/4993, 31; BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 18, beck-online; Kilian, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 49b Rn. 59; Peitscher, in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Aufl. 2022, § 49b Rn. 76). Eine Vermittlung setzt voraus, dass neben den Parteien des Anwaltsvertrages ein Dritter, d.h. eine kanzleifremde Person, an dessen Akquisition durch den Rechtsanwalt beteiligt ist (Kilian, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 49b Rn. 164). Verboten ist jegliche Art und Form akquisebedingter Belohnung (Peitscher, in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Aufl. 2022, § 49b Rn. 80). Pauschale Entgelte für die Bereitstellung von Infrastruktur, die es potentiellen Auftraggebern ermöglicht, ihn zu mandatieren (Anwaltssuchdienste, Telefonmehrwertdienste) fallen nicht unter das Verbot, wenn die Vergütung nicht von der Zahl der Mandatserteilungen abhängt (Kilian, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 49b Rn. 165). Die erforderliche kausale Verknüpfung (Gebühr oder sonstiger Vorteil „für die Vermittlung von Aufträgen“) ist erfüllt, wenn sich die Gewährung oder die Entgegennahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrags wechselseitig bedingen (Kilian, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 49b Rn. 159; Peitscher, in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Aufl. 2022, § 49b Rn. 84). Vom Verbot nicht umfasst ist ein erfolgsunabhängiges, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Auftragsvergabe geschuldetes Entgelt für Dienstleistungen, die nur eine Rahmenbedingung für die Erbringung anwaltlicher Tätigkeit schafft (Peitscher, in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Aufl. 2022, § 49b Rn. 84). (1) Die Zulässigkeit von mandats- und damit erfolgsunZulässigkeit erfolgsunabhängiger Dienstleistungen abhängigen Dienstleistungen ist in der Rechtsprechung anerkannt. Beispielsweise verstößt die Beteiligung an einer Anwalts-Hotline nicht gegen § 49b III BRAO, weil die fragliche Vergütung unabhängig davon geschuldet ist, ob und wie viele Ratsuchende in der fraglichen Zeit anrufen. Die erfolgsunabhängige Vergütung ist daher mit der Raummiete, mit den Kosten der Telefonanlage oder mit den Kosten für einen Anwaltssuchdienst im Internet vergleichbar (BGH, Urt. v. 26.9.2002 – I ZR 44/00, NJW 2003, 819, beck-online). Auch eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt nicht gegen das in § 49b III 1 BRAO geregelte Verbot. Bei Internetauktionen erhält das Auktionshaus zwar neben einer Angebotsgebühr auch eine vom Höchstgebot abhängige Provision, so dass die zu zahlende Provision der Höhe nach vom konkreten Auftrag abhängig ist. Die Provision wird jedoch nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet; denn das Internetauktionshaus stellt lediglich das Medium für die Werbung der Anbieter zur Verfügung. Seine Leistung durch das Überlassen einer Angebotsplattform ist vergleichbar mit den Leistungen der herkömmlichen Werbemedien (BVerfG, Beschl. v. 19.2.2008 – 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298, beck-online). Online-Vermittlungsplattformen, die gegen Provision anwaltliche Dienstleistungen vermitteln, gehen über die Funktion eines klassischen Werbemediums hinaus und sind mit dem vom BVerfG entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl. Behme, AnwBl. Online 2018, 110-114). Auch die entgeltliche Vermittlung von Terminsvertretern wird für zulässig gehalten, wenn die erhobene Transaktionsgebühr nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet wird, sondern lediglich das Medium für die Vermittlung der Übernahme einer Terminsvertretung zur Verfügung gestellt wird, da die Bereitstellung einer Internetplattform mit den Leistungen herkömmlicher Medien vergleichbar ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.4.2013 – 4 U 18/ 13, NJW 2013, 1614, beck-online). Das OLG München hat bei einer Marketing-Kampagne eine unerlaubte Mandatsvermittlung verneint (Urt. v. 13.10.2021 – 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Nach dem dortigen Vertrag waren aber nur Datensätze von Interessenten zu übermitteln. Ein Lead war dort – anders als hier – nicht mit einer Anwaltsvollmacht verknüpft. Es waren nur Datensätze, nicht aber Vertragsabschlüsse zu liefern, weshalb das OLG München davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Vertragsmodell um eine Form des Dialogmarketings (Direct-Response-Marketing) und damit der Werbung handelt (OLG München, Urt. v. 13.10.2021 – 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Der Vergleich BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 250

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