BRAK-Mitteilungen 4/2023

(unverzüglich) nachzuholen, besteht nicht.49 49 BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, BRAK-Mitt. 2023, 61 Ls. = NJW 2023, 456 Rn. 11; krit.: Toussaint, EWiR 2023, 221. Ohne rechtzeitige Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ist die Ersatzeinreichung unwirksam.50 50 BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 18. c) beA UND WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND Die Rechtsprechung hat die anwaltlichen Kontrollpflichten im elektronischen Rechtsverkehr konkretisiert.51 51 Beck, NJW 2023, 1537. Der BGH geht dabei davon aus, dass die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen.52 52 BGH, Beschl. v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21, NJW-RR 2023, 425 Ls. 1. Die Anwältin oder der Anwalt hat den Versandvorgang zu überprüfen und dabei zu kontrollieren, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 ZPO erteilt worden ist53 53 BGH, Beschl. v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21, NJW-RR 2023, 425 Ls. 2. und sich die Eingangsbestätigung auf die Datei mit dem betreffenden Schriftsatz bezieht.54 54 BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZB 14/22, BRAK-Mitt. 2022, 336 Ls. = NJW 2022, 3715 Rn. 9 f. Ebenfalls zu kontrollieren ist, ob die Übermittlung an das richtige Gericht erfolgt ist.55 55 BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22, BRAK-Mitt. 2023, 56 = NJW-RR 2023, 351Rn. 11. d) ZEITPUNKT DES EINGANGS EINES ELEKTRONISCHEN SCHRIFTSATZES BEI GERICHT Ein elektronisches Dokument ist nach § 130a V 1 ZPO bei Gericht eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ob und wann es von dort aus an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt wird, ist unerheblich. Solche gerichtsinternen Vorgänge sind für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung.56 56 BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 10/22, BeckRS 2022, 36360, Rn. 9; Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 25/20, NJW 2022, 1820 Rn. 8. e) VOLLSTRECKUNGSANTRAG IN JUSTIZBEITREIBUNGSSACHEN Ein Vollstreckungsantrag in Justizbeitreibungssachen kann als elektronisches Dokument eingereicht werden. Er unterliegt keinen weiteren Anforderungen als andere elektronisch eingereichte Dokumente, obwohl der Zwangsvollstreckungsauftrag in Justizbeitreibungssachen nach § 7 S. 2 JBeitrG den Zwangsvollstreckungstitel ersetzt, der ansonsten nach den §§ 754, 802a II ZPO grundsätzlich vorzulegen ist. Ausreichend ist entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine einfache elektronische Signatur bei Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg.57 57 BGH, Beschl. v. 6.4.2023 – I ZB 84/22, BeckRS 2023, 14120 Rn. 12; LG Hildesheim, Beschl. v. 9.2.2023 – 1 T 46/22, BeckRS 2023, 6286 Rn. 8 f.; a.A. LG Lübeck, Beschl. v. 10.2.2023 – 7 T 5/23, BeckRS 2023, 1484 Rn. 12 f. Der Vollstreckungsantrag ist nicht zusätzlich in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel einzureichen.58 58 BGH, Beschl. v. 6.4.2023 – I ZB 84/22, BeckRS 2023, 14120 Rn. 13. 5. BERUFUNG a) BERUFUNGSSUMME: TEILRÜCKNAHME UND ANTRAGSERWEITERUNG Hat der Berufungsführer sein Rechtmittel in einem die notwendige Berufungssumme überschreitenden Umfang eingelegt sowie begründet und hat er später seine Berufung zum Teil in einem Umfang zurückgenommen, dass die Wertgrenze des § 511 II Nr. 1 ZPO nicht mehr überschritten wird, ist der Berufungsführer berechtigt, sein Rechtmittel bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung wieder so zu erweitern, dass die Berufungssumme erreicht wird. Daher darf das Berufungsgericht nach erklärter Teilrücknahme die Berufung nicht durch Beschluss nach § 522 I ZPO als unzulässig verwerfen.59 59 BGH, Beschl. v. 12.10.2022 – IV ZB 29/21, BeckRS 2022, 29923 Rn. 9 f. b) ANFORDERUNGEN AN DIE BERUFUNGSSCHRIFT NACH § 519 II ZPO Die Berufungsschrift (§ 519 ZPO) muss die Angabe enthalten, für und gegen welche Partei Berufung eingelegt wird. Jedenfalls wenn der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen.60 60 BGH, Beschl. v. 7.3.2023 – VI ZB 74/22, BeckRS 2023, 7217 Rn. 10. Ebenso großzügig war der BGH bei einer Berufungsschrift, der das angefochtene Urteil nicht beigefügt war, und in der das Aktenzeichen und das Verkündungsdatum der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zutreffend angegeben waren. Die Defizite der Berufungsschrift stehen der Zulässigkeit des Rechtsmittels dann nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht und der Berufungsbeklagte anhand der innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen das angefochtene Urteil zweifelsfrei bestimmen.61 61 BGH, Beschl. v. 14.3.2023 – X ZB 4/22, NJOZ 2023, 619 Rn. 19 ff. c) WIEDERHOLTE VERLÄNGERUNG DER BERUFUNGSBEGRÜNDUNGSFRIST Nach § 520 II 3 ZPO kann das Gericht auch einem wiederholten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners stattgeben, solange dadurch die Monatsfrist des § 520 II 3 ZPO insgesamt nicht überschritten wird.62 62 BGH, Beschl. v. 7.2.2023 – VIII ZB 55/21, BeckRS 2023, 5950 Rn. 32. ULTSCH, DIE ENTWICKLUNG DES ZIVILVERFAHRENSRECHTS BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 AUFSÄTZE 228

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