BRAK-Mitteilungen 4/2023

Die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gilt auch für Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte, und zwar unabhängig davon, ob für das konkrete Verfahren Anwaltszwang herrscht oder nicht,32 32 KG, Urt. v. 14.3.2023 – 7 U 74/22, BeckRS 2023, 9798; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27.7.2022 – 26 W 4/22, NJW 2022, 3371 Rn. 12; so bereits Ultsch, BRAK-Mitt. 2022, 193, 197. also grundsätzlich auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren.33 33 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27.7.2022 – 26 W 4/22, NJW 2022, 3371 Rn. 12. Eine Ausnahme hiervon besteht, soweit das Grundbuchamt zuständiges Zwangsvollstreckungsorgan und insoweit der elektronische Rechtsverkehr grundsätzlich (noch) nicht zugelassen ist.34 34 OLG München, Beschl. v. 7.9.2022 – 34 Wx 323/22, BeckRS 2022, 22682 Rn. 15 und18. Wird allerdings der per beA übermittelte Schriftsatz ausgedruckt, liegt ein schriftlicher Antrag i.S.d. § 13 GBO vor.35 35 OLG München, Beschl. v. 7.9.2022 – 34 Wx 323/22, BeckRS 2022, 22682 Rn. 16 ff. Für die Parallelvorschrift des § 46g S. 1 ArbGG hat das BAG entschieden, dass die Nutzungspflicht auch für Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte gilt, die für einen Verband nach § 11 II 2 Nr. 4 und 5, S. 3 ArbGG erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringen (§ 46 V 2 Nr. 2 BRAO).36 36 BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22, NZA 2023, 786 Rn. 16 ff.; ebenso die Vorinstanz: LAG Hamm, Beschl. v. 27.9.2022 – 10 Sa 229/22, BRAK-Mitt. 2022, 340 = NZA-RR 2022, 646 Rn. 32 ff. Seit Inkrafttreten der aktiven Nutzungspflicht nach § 130d ZPO ist es umstritten, ob und inwieweit § 130d ZPO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter Anwendung findet. Der BGH teilt der in der Literatur vertretenen Ansicht, die eine entsprechende Anwendung von § 130d ZPO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter vollständig ablehnt,37 37 Nachw. bei BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 11. eine Absage. Der BGH lässt es offen, ob die Form des § 130d S. 1 ZPO in Übereinstimmung mit seinem von dem Gesetzgeber für den Zivilprozess gewollten, weiten sachlichen Anwendungsbereich für jegliche Schriftsätze des anwaltlichen Insolvenzverwalters,38 38 Nachw. bei BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 12. also insb. auch für bloße Mitteilungen oder Berichte an das Gericht, einzuhalten ist. Jedenfalls gilt § 130d ZPO nach § 4 S. 1 InsO für Rechtsmittel des anwaltlichen Insolvenzverwalters gegenüber dem Gericht entsprechend.39 39 BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 13 ff.; zust. Madaus, EWiR 2023, 115; krit. Niering, NZI 2023, 235. § 130d S. 1 ZPO ist trotz § 569 III Nr. 3 ZPO jedenfalls auf einen Zeugen anwendbar, der eine sofortige Beschwerde einlegt, wenn der Zeuge ein Rechtsanwalt ist und sich bei Einlegung der sofortigen Beschwerde per Fax ausdrücklich auf § 130d S. 2 ZPO beruft.40 40 KG, Beschl. v. 28.2.2023 – 10 W 20/23, NJOZ 2023, 636 Rn. 12. Die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gilt nach § 130d S. 1 ZPO auch für Behörden. Es gilt der Behördenbegriff der ZPO, nicht der des § 1 IV VwVfG. Daher ist im Rahmen der Strafvollstreckung auch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet.41 41 AG Leipzig, Beschl. v. 16.5.2022 – 435 M 4773/22, BeckRS 2022, 10852 Rn. 8. Die Übermittlung von Dokumenten über ein besonderes Behördenpostfach (beBPo) stellt einen sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a IV ZPO dar, nicht aber der Versand per EGVP, da es sich nicht um ein nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichtetes Postfach der Behörde handelt.42 42 AG Bautzen, Beschl. v. 26.9.2022 – 8 M 380/22, BeckRS 2022, 28454 Rn. 20. b) ERSATZEINREICHUNG BEI TECHNISCHEN STÖRUNGEN Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument nach § 130d S. 1 ZPO aus technischen Gründen43 43 Zum Ganzen ausf. Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 74, 79 ff.; vgl. auch Biallaß, NJW 2023, 25 Rn. 2 ff. vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d S. 2 ZPO), also insb. durch einen Telefaxdienst (§ 130 Nr. 6 ZPO). Dabei stellt § 130d S. 2 ZPO eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar.44 44 BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – IV ZB 7/22, BeckRS 2023, 1711 Rn. 13 m. Hinw. auf BayVGH, Beschl. v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.28, NJW 2022, 3169 Rn. 14 zu § 55d VwGO. Der Ausnahmetatbestand liegt bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen – oder sonstigen in ihrer bzw. seiner Person liegenden – Gründen vorübergehend an der Bedienung der funktionsfähigen Technik gehindert ist.45 45 BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – IV ZB 7/22, BeckRS 2023, 1711 Rn. 13; BeckOK ZPO/ von Selle, 48. Ed. 1.3.2023, § 130d ZPO Rn. 4.1. Ist die Ersatzeinreichung nach § 130d S. 2 ZPO zulässig, ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen, § 130d S. 3 ZPO. Inhaltlich liegt eine hinreichende Glaubhaftmachung nur vor, wenn sie eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände enthält und der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert.46 46 BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 11; Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647, Rn. 15. In zeitlicher Hinsicht hat die Glaubhaftmachung bereits mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen, wenn es zu diesem Zeitpunkt möglich ist, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments darzulegen und glaubhaft zu machen. Nur wenn dies bei Ersatzeinreichung unmöglich ist, kann die Glaubhaftmachung unverzüglich – nicht erst auf Aufforderung durch richterlichen Hinweis47 47 BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – III ZB 18/22, NJW-RR 2023, 350 Rn. 10. – nachgeholt werden.48 48 BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, BRAK-Mitt. 2023, 61 Ls. = NJW 2023, 456Rn. 11. Ein Wahlrecht, eine bei der Ersatzeinreichung sogleich mögliche Darlegung und Glaubhaftmachung zunächst zu unterlassen und diese erst später ULTSCH, DIE ENTWICKLUNG DES ZIVILVERFAHRENSRECHTS AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 227

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