BRAK-Mitteilungen 4/2023

AUFSÄTZE FREMDBESITZVERBOT AUF DEM PRÜFSTAND DIE STELLUNGNAHME DER BRAK ZUM EUGH-VORLAGEVERFAHREN RECHTSANWALT CHRISTIAN DAHNS, ASS. JUR. NADJA FLEGLER UND RECHTSANWÄLTIN DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL.* * Der Autor Dahns ist Rechtsanwalt in Berlin und Geschäftsführer der BRAK. Die Autorin Flegler ist Geschäftsführerin im Brüsseler Büro der BRAK. Die Autorin Nitschke ist Rechtsanwältin in Karlsruhe, Geschäftsführerin der BRAK und Schriftleiterin der BRAK-Mitteilungen und des BRAK-Magazins. Beim Europäischen Gerichtshof steht derzeit das berufsrechtliche Fremdbesitzverbot auf dem Prüfstand, nach dem sich Personen, die nicht der Anwaltschaft oder einem sozietätsfähigen Beruf angehören, nicht an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften beteiligen können. Das Verfahren geht zurück auf den vielbeachteten Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs1 1 BayAGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185 m. Anm. Schaeffer. im Fall einer Rechtsanwaltsgesellschaft, der die zuständige Kammer die Zulassung entzog, nachdem sie ihre Geschäftsanteile mehrheitlich an einen nicht-anwaltlichen Gesellschafter übertragen hatte. Auf Anfrage des Bundesjustizministeriums hat die BRAK zu dem Verfahren Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme legt sie u.a. dar, weshalb das Fremdbesitzverbot zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit unabdingbar und seine unionskonforme Verteidigung erfolgsversprechend ist. Nachfolgend erläutern die Autorinnen und der Autor den Hintergrund des Verfahrens (unter I. und II.) und dokumentieren (unter III.) die Stellungnahme. I. DIE REGELUNG DES FREMDBESITZVERBOTS Das sog. Fremdbesitzverbot im anwaltlichen Berufsrecht reguliert im Kern, dass berufsfremde Dritte nicht an einer Rechtsanwaltskanzlei kapitalmäßig beteiligt sein dürfen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die anwaltliche Beratung und Vertretung unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und Einflüssen Dritter erfolgen kann. Interessen an einer Lockerung oder Abschaffung des Verbots werden in der aktuellen Diskussion am prominentesten aus den Kreisen der Legal Tech-affinen Kanzleien und Legal Tech-Anbieter geäußert, mit dem Argument, nur so die notwendigen technischen Investitionen stemmen zu können. Von einer Lockerung würden jedoch allen voran die Rechtsschutzversicherer profitieren, die ihre Wertschöpfungskette durch die Beteiligung an Anwaltskanzleien verlängern könnten und eine Öffnung bereits seit Jahren fordern.2 2 So zuletzt Hillmer-Möbius (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft), beim Deutschen Anwaltstag 2023 in Wiesbaden. Die Entwicklungen etwa in Großbritannien oder Australien bestätigen diese Prognose und zeigen, dass vor allem Versicherer rasch von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich an Anwaltskanzleien finanziell zu beteiligen.3 3 S. Robinson, When Lawyers Don’t Get All the Profits: Non-Lawyer Ownership, Access, and Professionalism, Georgetown Journal of Legal Ethics 2016 (1), 29, 1. In seiner Ausgestaltung vor der BRAO-Reform, die auch Gegenstand des nunmehr beim EuGH anhängigen Vorlageverfahrens ist, regelte § 59e BRAO a.F.,4 4 Bis zum 31.7.2022 geltende Fassung. dass nur Rechtsanwälte und Angehörige sozietätsfähiger Berufe i.S.v. § 59a BRAO a.F. Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein dürfen, die in der Gesellschaft beruflich tätig sind (Abs. 1), dass Gesellschaftsanteile nicht für Rechnung Dritter gehalten und Dritte nicht am Gewinn der Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligt werden dürfen (Abs. 3). Die große BRAO-Reform, die am 1.8.2022 in Kraft getreten ist,5 5 BGBl. 2021 I, 2363; dazu im Überblick Nitschke, BRAK-Mitt. 2021, 218. führte zu einer deutlichen Erweiterung des Kreises sozietätsfähiger Berufe. Vorher waren es nach § 59a I BRAO a.F. lediglich Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, Steuerberaterinnen und -berater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer sowie vereidigte Buchprüferinnen und -prüfer, die sich mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden durften. Nach dem neuen Recht zählen zu den sozietätsfähigen Berufen auch die Angehörigen sämtlicher freien Berufe i.S.v. § 1 II PartGG. Trotz einiger Diskussionen im Vorfeld6 6 S. dazu etwa Wolf, BRAK-Mitt. 2020, 250, 257; Ludwig/Kury, BRAK-Mitt. 2018, 278 sowie Dahns, NJW-spezial 2023, 318. wurde das Fremdbesitzverbot durch die BRAO-Reform letztlich nicht angetastet, sondern ist in etwas modifizierter Form bewusst erhalten geblieben. Es ist im neuen Recht u.a. durch Beschränkungen für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen (§ 59i II, III BRAO) sowie die Ausübung von Stimmrechten und anderen Gesellschafterrechten (§ 59i IV, V BRAO) abgesichert. Diese Regelungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers eine Umgehung des Fremdbesitzverbots unterbinden.7 7 Vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 19/27670, 193. DAHNS/FLEGLER/NITSCHKE, FREMDBESITZVERBOT AUF DEM PRÜFSTAND BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 AUFSÄTZE 204

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