BRAK-Mitteilungen 2/2023

IV. DATENSCHUTZ Die grundlegende Basis jedes Mandatsverhältnisses ist die Verschwiegenheitspflicht. Jede Mandantin und jeder Mandant müssen darauf vertrauen können, dass ihr Rechtsanwalt ihm anvertraute Informationen ohne Einverständnis der Mandanten nicht Dritten gegenüber offenbart. Da Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch regelmäßig Daten ihrer Mandanten verarbeiten, sind diese auch im Hinblick auf das BDSG und die DSGVO besonders zu schützen. Da sich im letzten Jahr vermehrt Gerichte mit der Frage befassen mussten, ob Berufsträger gegen datenschutzrechtliche Grundsätze verstoßen haben, erhält das Datenschutzrecht im Rahmen dieses Rückblicks erstmals eine eigene Rubrik. 1. PFLICHT ZUR DATENAUSKUNFT Das LG Leipzig17 17 LG Leipzig, BRAK-Mitt. 2022, 103. rief in Erinnerung, dass auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verpflichtet sind, ihren Mandanten eine vollständige Datenauskunft nach Art. 15 III DSGVO zu erteilen. Der Fälligkeit eines Vergütungsanspruchs steht nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten eine beantragte Datenauskunft zum Inhalt der Handakten der abgerechneten Mandate vorenthält. Auf der Grundlage einer Einsicht des Mandanten in die Handakten des Rechtsanwalts wäre allenfalls eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen zu erwarten. Derartige Ansprüche können aber auch in einem Folgeprozess verfolgt werden. In diesem Fall ist der Mandantin keine Entschädigung für eine verspätete Datenauskunft bzw. für die bislang noch nicht vollständig erteilte Datenauskunft zugesprochen worden. Allein der Umstand, dass diese auf die (vollständige) Datenauskunft noch warten muss, kann keinen ersatzfähigen Schaden begründen. Auch bei einem immateriellen Schaden muss eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Anderenfalls scheidet ein Schaden bereits begrifflich aus. 2. DATEN IM PROZESS Das VG Wiesbaden18 18 VG Wiesbaden, BRAK-Mitt. 2022, 168. hatte sich mit der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit eines Vortrags zu Gesundheitsdaten im Prozess zu befassen. Zunächst stellte es fest, dass sich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung von Gesundheitsdaten in Gerichtsprozessen nach Art. 6 I UA 1 S. 1 f.) i.V.m. Art. 9 DSGVO ergibt. Rechtsanwälte sind hinsichtlich ihres Vortrags in Gerichtsverfahren Verantwortliche i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Sie tragen als unabhängige Organe der Rechtspflege in ihrer Berater- und Vertretereigenschaft selbst die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze hinsichtlich der Haftung und der Gestaltung. Das VG betonte zugleich, dass Rechtsanwälte bei ihrem Vortrag das berechtigte Interesse verfolgen, die vertragliche Verpflichtung mit dem Mandanten zu erfüllen. Die Tätigkeit eines Anwalts wäre unmöglich, wenn dieser nicht grundsätzlich das vortragen dürfte, was ihm der Mandant mitteilt. Er würde sich sogar seinerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn er entgegen § 138 II, III ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreitet und den Sachverhalt aus der Perspektive seines Mandanten darstellt. Art. 9 II lit. f DSGVO dient der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruchs. Lasse sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung von Gesundheitsdaten durchsetzen, dürfen diese auch genutzt werden. Der Schutz dieser Daten soll nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten unmöglich ist. Dasselbe muss nach Auffassung des VG vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtsschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten. Die von einer Rechtsanwältin in diesem Fall verwendeten Daten waren weder falsch noch durch diese in rechtswidriger Weise beschafft worden. 3. SCHMERZENSGELD Das OLG Köln19 19 OLG Köln, BRAK-Mitt. 2022, 280 mit Anm. Schneider/Demir. führte schließlich schmerzlich vor Augen, dass eine verspätete Datenauskunft unter bestimmten Umständen teuer werden kann. Erteilt ein Rechtsanwalt seinem Mandanten eine ihm gegenüber geltend gemachte Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO erst neun Monate nach deren Beantragung, kann dies einen Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 I DSGVO begründen. Vor dem Hintergrund, dass der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden muss, kann ein immaterieller Schaden in einem Kontrollverlust über die eigenen Daten sowie in einem drohenden Einfluss auf die wirtschaftliche Position, insbesondere in einem Zeitverlust im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer liegen. Das OLG Köln sprach der Mandantin in diesem Fall einen immateriellen Schadensersatz i.H.v. 500 Euro sowie eine (weitere) Freistellung von Anwaltskosten zu. Bei der Höhe des Anspruchs berücksichtigte das Gericht, dass der Rechtsanwalt zwar vorsätzlich gehandelt hat, die Daten jedoch keinem Dritten zugänglich gemacht worden sind und sich aus den Akten auch eine zeitweise Erkrankung des Anwalts ergeben hat. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 85

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