BRAK-Mitteilungen 2/2023

sung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar sind. Der BGH12 12 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 223. stellte erneut klar, dass eine Zulassung zur Syndikusanwaltschaft immer dann ausgeschlossen ist, wenn innerhalb einer Organisationseinheit hoheitliche Maßnahmen getroffen werden und der Berufsträger hieran mit Entscheidungskompetenz beteiligt ist. Werden keine hoheitlichen Maßnahmen getroffen, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, d.h. insbesondere, ob die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet wären. Stets abzustellen ist auf die Aufgaben und rechtlichen Befugnisse, die einem Antragsteller nach dem Gesetz und den vertraglichen Vereinbarungen zukommen. Insoweit maßgeblich ist nicht die tatsächliche Handhabung, sondern dass ein Antragsteller rechtlich zu hoheitlichem Handeln befugt wäre. Im entschiedenen Fall ging es um die Tätigkeit eines Geschäftsführers bei einer Kreishandwerkerschaft. Der BGH betonte, dass eine Kreishandwerkerschaft und die ihr angehörenden Innungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und Träger mittelbarer Staatsverwaltung zwar zahlreiche öffentliche Aufgaben teilweise hoheitlicher Natur wahrnehmen. Zur Überzeugung des BGH stand jedoch fest, dass dem Juristen nach dem Verständnis der Vertragsparteien mit der „Erledigung der laufenden Geschäfte der Verwaltung“ keine hoheitlichen Tätigkeiten übertragen, insbesondere keine Entscheidungsbefugnisse beim Erlass hoheitlicher Maßnahmen eingeräumt worden sind. Auch der Bayerische AGH13 13 Bayerischer AGH, BRAK-Mitt. 2022, 331. hatte sich mit diesem Thema zu befassen. Er entschied, dass die Vorbereitung hoheitlicher Maßnahmen durch Stellungnahmen, Gutachten und mündliche oder schriftliche Beratungen nicht die Voraussetzungen des § 7 Nr. 8 BRAO erfüllt. III. BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH 1. DIE MEHRFACHZULASSUNG Auch sog. Mehrbänder – das sind Berufsträgerinnen und -träger, die neben ihrer Anwaltszulassung auch über eine Zulassung als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer verfügen – können sich nicht vor der aktiven Nutzungspflicht verstecken. Etwas formaler ausgedrückt hat es das FG Berlin-Brandenburg.14 14 FG Berlin-Brandenburg, BRAK-Mitt. 2022, 165 m. Anm. von Seltmann; dazu auch Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 74, 76 (in diesem Heft). Es stellte klar, dass ein Rechtsanwalt seit dem 1.1.2022 auch dann gem. § 52d S. 1 FGO verpflichtet ist, einen Antrag auf finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung als elektronisches Dokument zu übermitteln, wenn er zusätzlich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen ist. Ein von ihm per Fax beim Finanzgericht gestellter Antrag ist insoweit für unzulässig erachtet worden. Soweit teilweise vertreten wird, dass bei einer Mehrfachzulassung ein Bevollmächtigter als Rechtsanwalt zwar unter die Nutzungspflicht nach § 52d S. 1 FGO falle, er aber „in Eigenschaft als Steuerberater“ erst seit dem Jahr 2023 unter die aktive Nutzungspflicht falle, kann dem nach Auffassung des FG nicht gefolgt werden. § 52d FGO knüpft allein an den Status, d.h. an den Umstand der Zulassung als Rechtsanwalt an. Dass ein Berufsträger zugleich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen ist, ändert an der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nichts. Eine Wahlfreiheit widerspricht dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht, da diese die Digitalisierung der Justiz allgemein fördern und eine möglichst umfassende und medienbruchfreie Kommunikation sicherstellen soll. 2. DIE EIGENE ANGELEGENHEIT Das VG Berlin15 15 VG Berlin, BRAK-Mitt. 2022, 236; vgl. auch Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 74, 76 (in diesem Heft). hatte die Frage zu beantworten, ob ein Rechtsanwalt auch dann zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet ist, wenn er in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig wird. Diese Frage bejahte das Gericht. Eine solche Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen – in diesem Fall nach § 55d VwGO – gilt jedenfalls dann, wenn die Person explizit als Rechtsanwalt auftritt. Auch ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt ist als Anwalt zu behandeln, da die Personenverschiedenheit von Rechtsanwalt und Mandant kein kennzeichnendes Merkmal einer anwaltlichen Tätigkeit ist. Der Antragsteller ist hier ausweichlich seines Briefkopfes seiner Schriftsätze auch stets als „Rechtsanwalt XY“ aufgetreten und hat daher bewusst diese Rolle angenommen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass er sich im Verfahren als Rechtsanwalt selbst vertritt, was bei seinem Obsiegen zur Folge hätte, dass er vom Antragsgegner seine Gebühren und Auslagen erstattet verlangen könnte. 3. DER (VERMEINTLICHE) BOTE Auch bei einem als Boten eingesetzten Rechtsanwalt ist von einer statusbezogenen Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs auszugehen. Das AG Ludwigshafen16 16 AG Ludwigshafen, BRAK-Mitt. 2022, 280; s. auch Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 74, 76 (in diesem Heft). hat klargestellt, dass ein Verbraucherinsolvenzantrag in Papierform von einem Rechtsanwalt nicht „als Bote“ formwirksam eingereicht werden kann. Die Nutzungspflicht ergibt sich bereits aus dessen Eigenschaft als Rechtsanwalt. Der Anwalt kann sich nicht durch einen beliebigen Rollenwechsel seiner Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs entziehen. In diesem Fall bestand zudem die Besonderheit, dass der Rechtsanwalt gemeinsam mit der Antragstellung seine Bevollmächtigung für das Verfahren angezeigt hat. Damit ist er im Ergebnis überhaupt nicht nur als Bote, sondern erkennbar als Rechtsanwalt aufgetreten. DAHNS, DER BERUFSRECHTLICHE JAHRESÜBERBLICK BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 84

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