BRAK-Mitteilungen 2/2023

5. GLEICHE INTERESSEN Die Vertretung widerstreitender Interessen stellt eine gravierende Berufsrechtspflichtverletzung dar und kann bei Vorsatz gleichzeitig strafrechtlich relevant sein. Das OLG Koblenz8 8 OLG Koblenz, BRAK-Mitt. 2022, 212. hatte im Zusammenhang mit der Veräußerung von Nachlassgrundstücken für die Pflichtteilsberechtigte und die Alleinerbin zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt gegen § 43a IV BRAO verstoßen hat. Es stellte klar, dass kein Interessenwiderstreit nach dem anwaltlichen Berufsrecht besteht, wenn ein Rechtsanwalt für den Pflichtteilsberechtigten und den Alleinerben die in ihrem Miteigentum stehenden Immobilien veräußert und ihre gemeinsamen Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand klärt, da hier die Interessen beider Mandanten gleichgerichtet sind. Die bloße Möglichkeit eines späteren Interessenkonflikts steht dieser gemeinsamen Vertretung nicht entgegen. Es kommt allein darauf an, ob sich aufgrund eines Lebenssachverhalts verschiedene Interessen gebildet haben, die bei der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts in einem sachlichen Zusammenhang miteinander stehen können. Unter Berücksichtigung dessen hat der Anwalt in diesem Fall nicht in derselben Rechtssache bereits eine andere Partei in widerstreitendem Interesse beraten oder vertreten und war in dieser Rechtssache auch nicht in sonstiger Weise i.S.d. §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst. Die Vertretung widerstreitender Interessen ergibt sich auch nicht aus einer Klammerwirkung des erbrechtlichen Mandats. Zwar können sich aufgrund der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestandes gegenläufige Beratungspflichten eines Rechtsanwalts gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten und einen in Anspruch genommenen Nachlassschuldner ergeben. Eine solche Konstellation war hier jedoch nicht einschlägig. II. SYNDIKUSRECHTSANWÄLTINNEN UND -RECHTSANWÄLTE 1. DER VERBANDSSYNDIKUS UND SEIN beA Das ArbG Stuttgart9 9 ArbG Stuttgart, BRAK-Mitt. 2022, 51; vgl auchNitschke, BRAK-Mitt. 2023, 75, 76 f. (in diesem Heft). hat klargestellt, dass die Übermittlung eines elektronischen Dokuments durch einen Syndikusrechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) auch dann wirksam ist, wenn zur Prozessvertretung lediglich der Verband und nicht speziell dieser Syndikusrechtsanwalt bevollmächtigt wurde. Der in der Literatur gegenteiligen Rechtsauffassung, die vertritt, dass „verantwortende Person“ und Signierender zwangsläufig lediglich der Verband, nicht aber der Inhaber des Postfachs sein könne, folgt das ArbG Stuttgart ausdrücklich nicht. Die gegenteilige Auffassung beachte nicht hinreichend den Normzweck von § 46c III 1 ArbGG, nämlich die Sicherstellung von Authentizität und Integrität eines elektronischen Dokuments und vermische diesen Zweck unzulässigerweise mit Fragen der Prozessvertretung. Ferner werde nicht hinreichend die Vorschrift des § 46 V 2 Nr. 2 BRAO berücksichtigt. So erbringen Syndikusrechtsanwälte im Verband Rechtsdienstleistungen ihres Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern. Hierfür sind sie als Syndikusrechtsanwälte zugelassen und haben ein separates Anwaltspostfach. 2. ANGELEGENHEITEN DES ARBEITGEBERS Apropos Angelegenheiten des Arbeitgebers: Ob ein Syndikusrechtsanwalt wie vom Gesetz in § 46 V BRAO vorgesehen in „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ tätig wird, war auch im vergangenen Jahr gleich in mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen vorrangiges Thema. In einer Entscheidung rief der BGH10 10 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 101. in Erinnerung, dass sich diese Frage allein nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts und nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen bestimmt. Vor diesem Hintergrund ist nicht maßgeblich, ob der Syndikusrechtsanwalt seine Tätigkeit unmittelbar gegenüber Kunden oder ausschließlich gegenüber dem Arbeitgeber erbringt, der dann über eine Weitergabe des Inhalts der Arbeitsleistung an Kunden entscheidet. Über die Zwischenschaltung eigener Mitarbeiter würde andernfalls mittelbar eine Beratung Dritter in deren Angelegenheiten durch angestellte Syndici ermöglicht, ohne dass deren Arbeitgeber berufsrechtlich gebunden wären. Ebenso würde bezüglich der Dienstleistungen für Dritte das Fremdkapital- bzw. Fremdbesitzverbot unterlaufen. In einer weiteren Entscheidung stellte der BGH11 11 BGH, BRAK-Mitt. 2022, 327. klar, dass einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt eine Tätigkeit entgegensteht, die zumindest im Kernbereich der Aufgaben, in diesem Fall als Schlichter, nicht in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers erfolgt. Entscheidend für die Zuordnung der Tätigkeiten zu den rechtlichen Angelegenheiten einer Schlichtungsstelle als Arbeitgeber ist nicht die Tatsache, dass die Tätigkeit zum Aufgabengebiet des Arbeitgebers gehört oder gar sein alleiniger satzungsmäßiger Zweck ist, sondern allein die Frage, ob die zu entscheidenden Rechtsfragen nach objektiven Kriterien inhaltlich dem Bereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind. Dies ist bei den im Rahmen von Schlichtungsverfahren zu prüfenden Rechtsfragen nicht der Fall, da sich diese ausschließlich auf die zwischen den Parteien des Schlichtungsverfahrens bestehende Streitigkeit und damit auf deren Rechtsangelegenheit beziehen. 3. DER SYNDIKUS IM ÖFFENTLICHEN DIENST Inzwischen unbestritten ist es, dass Tätigkeiten im öffentlichen Dienst nicht von vornherein mit einer ZulasDAHNS, DER BERUFSRECHTLICHE JAHRESÜBERBLICK AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 83

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