BRAK-Mitteilungen 6/2022

1.1.2012 einen Geschäftsführungsvertrag (GV). Danach sind die Geschäftsführer in allen Angelegenheiten der Mandatsführung jeweils allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (§ 3 Nr. 2 S. 3 GV). Für bestimmte Angelegenheiten außerhalb der eigentlichen Mandatsführung bedürfen sie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 3 Nr. 3 GV). Sie erhalten als Vergütung jeweils ein Monatsgehalt von brutto 6.500 Euro zuzüglich eines 13. Monatsgehalts und eine gewinnabhängige Vergütung (Tantieme) i.H.v. 10 v.H. des tantiemepflichtigen Gewinns der Beigeladenen (§ 4 Nr. 1 Buchst a bis c GV). Ferner wurden Ansprüche auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten sowie auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen vereinbart (§§ 5 und 6 GV). Die Kl. übernahmen Bürgschaften i.H.v. jeweils 50.000 Euro für die Beigeladene. Aufgrund seiner Abberufung als Geschäftsführer zum 31.12.2014 wurde dem Kl. zu 4. eine Abfindung für den „Verlust des Arbeitsplatzes“ i.H.v. 60.000 Euro gewährt. Seine Geschäftsanteile wurden zu gleichen Teilen von den anderen Kl. übernommen. [4] Auf die Statusfeststellungsanträge der Kl. stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund gegenüber jedem einzelnen Kl. sowie gegenüber der Beigeladenen jeweils fest, dass die Tätigkeit als GesellschafterGeschäftsführer der Beigeladenen seit dem 1.1.2012 – hinsichtlich des Kl. zu 4. bis 31.12.2014 – im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheide v. 14.12.2015). Die Widersprüche wies sie zurück (Widerspruchsbescheid betreffend Kl. zu 1. v. 16.2. 2016, betreffend Kl. zu 2. v. 24.2.2016, betreffend Kl. zu 3. v. 21.3.2016, betreffend Kl. zu 4. v. 22.6.2016 und betreffend Kl. zu 5. v. 25.8.2016). [5] Das SG Mannheim hat die Klagen nach Verbindung zu einem gemeinsamen Verfahren abgewiesen (Urt. v. 15.2.2017). Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung zurückgewiesen. Die Kl. hätten nur über eine jeweilige Kapitalbeteiligung von 20 v.H., später 25 v.H. verfügt. Im Gesellschaftsvertrag sei keine umfassende echte oder qualifizierte Sperrminorität geregelt. An der damit fehlenden Rechtsmacht, die Geschicke der GmbH bestimmen zu können, änderten auch die übernommenen Bürgschaften nichts. Dass die Kl. als Rechtsanwälte für die Beigeladene tätig gewesen seien, bewirke nicht ihre Selbstständigkeit. Auch ein angestellter Rechtsanwalt übe einen freien Beruf aus und sei in weiten Teilen in seiner Berufstätigkeit keiner Weisung unterworfen. Die Kl. seien auch in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert gewesen. Sie hätten die bereitgestellten Büros samt Ausstattung genutzt und mit dem Unterstützungspersonal zusammengearbeitet. Zudem hätten die Kl. auch nicht anwaltliche Tätigkeiten verrichten müssen. Auch der GV spreche für eine abhängige Beschäftigung. Die monatlich feststehende Vergütung entspreche exakt dem Typus eines Angestellten. Gewinnabhängige Tantiemen seien auch bei abhängig Beschäftigten möglich. Das Entgelt liege nicht erkennbar über dem Entgelt eines vergleichbar eingesetzten angestellten Geschäftsführers und Rechtsanwalts. Sowohl der Urlaubsanspruch als auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seien für eine selbstständige Tätigkeit atypisch. Dass die Kl. selbst von ihrer abhängigen Beschäftigung ausgingen, ergebe sich daraus, dass dem Kl. zu 4. eine Abfindung für den Verlust des „Arbeitsplatzes“ gewährt worden sei. Die Kl. hätten schließlich allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz und damit kein relevantes unternehmerisches Risiko zu tragen (Urt. v. 17.9. 2019). [6] Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen rügen die Kl. die Verletzung des § 7 I SGB IV sowie des Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG. Das LSG habe grundlegend verkannt, dass es sich bei der Beigeladenen um eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handele und sie als Rechtsanwälte deren Gesellschafter-Geschäftsführer seien. Zudem könnten nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Anwalts-GmbH nur Rechtsanwälte deren Gesellschafter sein. Als unabhängige Organe der Rechtspflege sei ihnen verfassungs-, gesellschafts- und berufsrechtlich sowie dienstvertraglich eine weisungsfreie Beschäftigung garantiert, ohne in die Arbeitsorganisation eines Weisungsgebers eingegliedert zu sein. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung stehe unter dem Vorbehalt abweichender Bestimmungen der die gesetzlichen Rahmenbedingungen einer Rechtsanwaltsgesellschaft berücksichtigenden Satzung. Diese sei als Sonderform der GmbH nicht mit anderen „gewerblichen“ Kapitalgesellschaften zu vergleichen. Die Gesellschafterversammlung könne lediglich unternehmerische Entscheidungen bindend treffen. Zudem schließe das Berufsrecht die gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern der Anwalts-GmbH normativ aus. Die in § 59f IV BRAO gewährleistete Unabhängigkeit erstrecke sich auch auf als Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätige Rechtsanwälte. Die Unvereinbarkeit anwaltlicher Tätigkeit mit beruflicher Abhängigkeit folge ferner aus § 46 BRAO. Die Urteile des BSG zu sog. Honorarärzten und Gesellschafter-Geschäftsführern einer Steuerberatergesellschaft seien auf die Anwalts-GmbH nicht übertragbar. Ungeachtet dessen lasse auch der jeweilige GV keine Rückschlüsse auf eine weisungsgebundene Beschäftigung zu. Dabei handele es sich nicht um eine typische Vertragsgestaltung für Fremdgeschäftsführer. Vielmehr trage die Vertragsgestaltung gerade den nicht dispositiven Vorgaben des Berufsrechts Rechnung. Schließlich habe das LSG mit der angefochtenen Entscheidung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. [7] Der Kl. zu 1. beantragt, die Urteile des LSG BadenWürttemberg v. 17.9.2019 und des SG Mannheim v. 15.2.2017 sowie den Bescheid der Bekl. v. 14.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids v. 16.2.2016 aufzuheben und die Bekl. zu verurteilen, festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen seit dem 1.1.2012 nicht der BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 357

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