BRAK-Mitteilungen 6/2022

nächsten Werktag, dem 29.3.2016 mitteilen [...], dass ich aus wirtschaftlichen Gründen eine Nebenbeschäftigung im Umfang von 50 % als Volljuristin im Justiziariat der Universität Konstanz aufnehmen werde“ (Schreiben der Beigeladenen v. 9.1.2017 an die RAK F.). Sie habe, so die Beigeladene weiter, ihre Tätigkeit beim Kl. keineswegs beenden wollen, sondern insb. im Hinblick auf die Verbundenheit mit den Mandanten fortführen wollen. Da sie im April 2016 vorübergehend Vollzeit habe arbeiten müssen, habe sie in dieser Zeit vertreten werden und ab Mai ihrer Tätigkeit für den Kl. neben der Anstellung bei der Universität Konstanz wieder voll nachgehen wollen (Schreiben der Beigeladenen v. 9.1.2017 an die RAK F.). Demgegenüber zeigte sich der Kl. vollkommen überrascht („fiel aus allen Wolken“), als er am frühen Nachmittag des 29.3.2016 von der Beigeladenen erfahren habe, dass diese ihre Tätigkeit am 31.3. 2016 einstellen werde. Er habe die Beigeladene gebeten, ihre Tätigkeit über den 31.3.2016 hinaus fortzuführen, da er sich nicht der Lage gesehen habe, auch noch das gesamte Referat der Beigeladenen – über 200 Akten – zusätzlich zu übernehmen. Dies habe die Beigeladene jedoch abgelehnt (Schreiben des Kl. v. 31.1.2017 an die RAK F.). Die RAK F. stellte ihre Vermittlungsbemühungen im Juli 2017 ein. In einem an den Kl. gerichteten Schreiben v. 11.7.2017 (Bl. 278 der Verwaltungsakte der Bekl.) führte die RAK aus, die Beigeladene habe sich zu dem Vermittlungsvorschlag der RAK v. 9.6.2017 trotz mehrmaliger Erinnerung nicht geäußert. Mangels jeglicher Mitwirkung der Beigeladenen werde keine sinnvolle Veranlassung gesehen, weitere Vermittlungsbemühungen zu unternehmen. [4] In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Ulm (6 Ca 4/18) schlossen der Kl. und die Beigeladene den Vergleich v. 27.7.2018. Darin waren sich der Kl. und die Beigeladene einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis mit Ablauf des 31.3.2016 geendet hat. Der Kl. verpflichtete sich, an die Beigeladene als Entschädigung eine Abfindung i.H.v. 11.000 Euro brutto zu zahlen. Das statusrechtliche Verfahren sollte durch diesen Vergleich nicht berührt werden. [5] Bereits am 17.5.2017 hatte die Beigeladene bei der Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen der Deutschen Rentenversicherung Bund (Bekl.) einen Antrag auf Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status in ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin für den Kl. gestellt. Auf dem Antragsformular der Bekl. gab sie u.a. an, sie habe für den Kl. eine Vollzeittätigkeit mit verantwortlicher vollumfänglicher Mandatsbearbeitung ausgeübt. Die Mandate seien ihr vom Kl. zugewiesen und ggf. wieder entzogen worden. Sie habe zahlreiche detaillierte Weisungen zu Art und Weise der Mandatsbearbeitung und Abrechnung erhalten. Der Kl. habe durch jederzeitige Zugriffsmöglichkeiten auf sämtliche Schriftsätze und Daten über die obligatorisch zu nutzende Software die Kontrolle über ihre Tätigkeit gehabt. Eine Kontrolle sei auch durch das Sekretariat erfolgt. Auch ihr persönlicher Kalender sei vom Kl. kontrolliert worden. Ihre Anwesenheit während der Bürozeiten sei vorausgesetzt worden, auch sei sie zur Teilnahme an regelmäßigen Bürobesprechungen verpflichtet gewesen. [6] Der Kl. gab im Verwaltungsverfahren u.a. an, die Beigeladene sei von ihren Mandanten beauftragt und bevollmächtigt worden. Er habe ihr keine Aufträge erteilt. Sie habe also nicht für ihn Vorträge, Voten, Aktenspiegel oder Schriftsätze anfertigen müssen. In jedem einzelnen von ihr bearbeiteten Fall sei von den Mandanten nur ihr Vollmacht erteilt worden. Sie habe auch selbst entscheiden können, welche Mandate sie annehme und welche nicht. Zu Beginn ihrer Tätigkeit habe er z.B. der Beigeladenen angetragen, ein bislang von ihm bearbeitetes Mandat zu übernehmen, dies habe die Beigeladene jedoch abgelehnt, weil ihr der Mandant zu schwierig gewesen sei. Die Beigeladene sei in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit sowie des Tätigkeitsortes frei gewesen. Sie sei berechtigt gewesen, anderen Rechtsanwälten Untervollmacht zu erteilen und habe ihre Leistungen gegenüber den Mandanten abgerechnet (Schreiben des Kl. v. 13.7.2017, Bl. 34 ff. der Verwaltungsakte der Bekl.). [7] Die Beigeladene nahm hierzu mit Schreiben v. 30.6. 2017 Stellung (Bl. 280/288 der Verwaltungsakte der Bekl.) und führte u.a. aus, Abwesenheitszeiten während der üblichen Bürostunden habe sie dem Sekretariat mitteilen müssen, wo diese in dem dort geführten zentralen Fristenkalender in einer ihr zugeordneten Spalte mit der genauen Uhrzeit eingetragen worden seien. Abwesenheiten hätten zudem abgesprochen werden müssen, da immer mindestens ein Anwalt habe anwesend sein sollen. Einige Akten seien ihr vom Kl. mit der Weisung übergeben worden, die Akten vollumfänglich weiterzubearbeiten. Daneben habe das Sekretariat neu eingehende Mandate auf Weisung des Kl. verteilt. Dabei habe sie kein Mitspracherecht gehabt, welches Mandat sie habe übernehmen wollen. Ihre Anwesenheit sei auch gewünscht gewesen, um die kostenlosen telefonischen Beratungen für die Kunden einer Rechtsschutzversicherung zu leisten, mit der der Kl. eine Kooperationsvereinbarung gehabt habe. Sie habe für die Kanzlei auch Telefondienst leisten müssen. Beratungstermine seien ohne Rücksprache mit ihr vom Sekretariat für sie vereinbart worden. [8] Mit formal getrennten, aber inhaltlich identischen an den Kl. und die Beigeladene gerichteten Bescheiden v. 29.9.2017 führte die Bekl. aus, die Prüfung habe ergeben, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Rechtsanwältin in der Anwaltskanzlei des Kl. v. 1.10.2009 bis zum 31.3.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe v. 1.1.2010 bis 31.3.2016 Versicherungsplicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 1.1. 2010. Vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 bestehe in dem Beschäftigungsverhältnis in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit. BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 346

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