BRAK-Mitteilungen 6/2022

tronischen Anwaltspostfaches für Berufsausübungsgesellschaften als Berufsträgergesellschaften, denn auch daraus lässt sich nicht der Rückschluss ziehen, die einzelnen Berufsträger in einer solchen Gesellschaft dürften ihr beA im Rahmen von Mandaten, die der Gesellschaft erteilt werden, nicht nutzen. Dies wird vom Bundesgerichtshof im Gegenteil im Hinblick auf die passive Nutzungsmöglichkeit und den daraus resultierenden, als zumutbar angesehenen organisatorischen Mehraufwand für die Gesellschaft sogar vorausgesetzt (vgl. BGH, 19.5.2019, AnwZ (Brfg) 69/18; LAG Hamm 3.5. 2022, 14 Sa 1381/21). Unter allen Gesichtspunkten ist daher im Ergebnis festzuhalten, dass für Verbandssyndikusrechtsanwälte, die als solche nach außen auftreten und ihren Beruf ausüben, über das ihnen eigens zu diesem Zweck eingerichtete beA eine ERV-Nutzungspflicht besteht. Die nur in Papierform erhobene Berufung der Bekl. war gem. §§ 64, 66 ArbGG i.V.m. § 522 ZPO mangels formwirksamer Einlegung als unzulässig zu verwerfen mit der Kostenfolge des § 97 ZPO. Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen. HINWEISE DER REDAKTION: Die vom LAG Hamm zugelassene Revisionsbeschwerde wurde eingelegt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 10 AZB 18/22 beim BAG anhängig. KEINE ABHÄNGIGE BESCHÄFTIGUNG BEI BLOSSER UMSATZBETEILIGUNG SGB IV §§ 7 I, 7a * Eine Rechtsanwältin ist nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wenn ihre Vergütung ausschließlich über eine Beteiligung am monatlichen Nettoumsatz der von ihr bearbeiteten Mandate erfolgt und sie vom Kanzleiinhaber nicht mit der Erstellung von Entwürfen oder gutachtlichen Stellungnahmen beauftragt wird. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 2.8.2022 – L 11 BA 2492/20 AUS DEM TATBESTAND: [1] Streitig ist, ob die Beigeladene ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Kl. in der Zeit v. 1.1. 2010 bis zum 31.3.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat und deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. [2] Der Kl. ist als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Familienrecht und Mediator. Im streitigen Zeitraum betrieb er die „Anwalts- & Mediationskanzlei B.“. Die Beigeladene war nach ihrer Zulassung als Rechtsanwältin im Jahre 2003 bis Februar 2005 als angestellte Rechtsanwältin in einer anderen Kanzlei tätig; bis Februar 2008 befand sie sich in Elternzeit. Im Oktober 2009 richtete die Beigeladene (auf ein entsprechendes Inserat des Kl.) an den Kl. eine „Bewerbung als freie Mitarbeiterin bei der Kanzlei B.S.“. Schriftliche Vereinbarungen über die Tätigkeit der Beigeladenen in der Kanzlei des Kl. wurden nicht getroffen. Die Vergütung erfolgte ausschließlich über eine Beteiligung am Umsatz der von der Beigeladenen bearbeiteten Mandate; die Beigeladene rechnete 40 % ihres monatlichen Nettoumsatzes ab. Ob sie darüber hinaus – wie vom Kl. angegeben – Anspruch auf 50 % ab einem monatlichen Nettoumsatz von mehr als 6.000 Euro gehabt hätte, ist zwischen dem Kl. und der Beigeladenen streitig. Einen höheren Anteil am Honorarumsatz machte die Beigeladene jedenfalls zu keinem Zeitpunkt geltend. Gebühren und Auslagen für ihre anwaltliche Tätigkeit forderte die Beigeladene selbst von den Mandanten an. Die von ihr unterschriebenen Rechnungen an die Mandanten erfolgten unter dem Briefkopf der Kanzlei des Kl. Darauf war die Beigeladene als Rechtsanwältin ohne Hinweis auf ein Anstellungsverhältnis aufgeführt; auf die in der Verwaltungsakte der Bekl. befindlichen (anonymisierten) Schreiben der Beigeladenen (Bl. 215/244) wird Bezug genommen. Die Mandanten zahlten die von ihnen geschuldeten Kosten auf das Kanzleikonto des Kl. ein. Für die Auszahlung des ihr zustehenden Honorars stellte die Beigeladene dem Kl. monatlich Honorarrechnungen; auf die in der Verwaltungsakte der Bekl. (Bl. 62/214 sowie Bl 293/ 365) enthaltenen Rechnungen der Beigeladenen und die dazu gehörenden Buchungsvorgänge wird verwiesen. Der Kl. stellte der Beigeladenen in seiner Kanzlei ein eigenes Zimmer mit einer von ihm gestellten Ausstattung, darunter u.a. auch Lizenzen für die Nutzung juristischer Datenbanken, zur Verfügung. Die Kosten der erforderlichen Berufshaftpflichtversicherung sowie die Kosten der beruflichen Fort- und Weiterbildungen trug die Beigeladene. Die Aktenführung erfolgte über das Sekretariat der Kanzlei (vgl. u.a. Schreiben der Beigeladenen v. 30.6.2017, Bl. 280 f. der Verwaltungsakte der Bekl.). [3] Zum 31.3.2016 endete die Tätigkeit der Beigeladenen für den Kl. Über die konkreten Einzelheiten der Trennung und über (möglicherweise) wechselseitig bestehende Ansprüche herrschte zwischen der Beigeladenen und dem Kl. Streit. Deswegen richtete der Kl. am 25.10. 2016 an die RAK F. ein Vermittlungsersuchen, in dem sich der Kl. als Antragsteller und die Beigeladene als Antragsgegnerin gegenüberstanden (VM/66/2016) und das vom Kl. geltend gemachte offene Gehaltsforderungen sowie die Abwehr – aus seiner Sicht – unberechtigter Forderungen der Beigeladenen zum Gegenstand hatte. Die Beigeladene hatte sich im Dezember 2015 bei der Universität Konstanz für eine juristische Tätigkeit beworben. Da sie die verbindliche Zusage der Universität erst am 26.3.2016 erhielt, konnte sie nach eigenen Angaben „Herrn Rechtsanwalt B. auch erst am BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 345

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