BRAK-Mitteilungen 5/2022

gangenen Richtlinien der Notarkammer und anhand der zitierten Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ohne weiteres beantworten. Weiterer Klärungsbedarf besteht nicht, insb. nicht im Hinblick darauf, ob und inwieweit einem Notar die Führung sonstiger Zusatzbezeichnungen gestattet ist. HINWEISE DER REDAKTION: Ein (Anwalts-)Notar ist auch nicht berechtigt, statt der gesetzlich vorgeschriebenen Amtsbezeichnung „Notar“ die Bezeichnung „Notariat“ zu verwenden (vgl. BGH, BRAK-Mitt. 2002, 228). SONSTIGES NOTWENDIGE VERTEIDIGUNG UND UNTERBLIEBENE PFLICHTVERTEIDIGERBESTELLUNG StPO § 141 II 1 Nr. 3 1. Ein Fall der notwendigen Verteidigung i.S.d. § 140 I Nr. 1 oder 2 StPO gebietet für sich genommen nicht eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 141 II 1 Nr. 3 StPO. 2. Für die Frage, ob die sofortige Bestellung eines Verteidigers erforderlich ist, weil ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich selbst nicht verteidigen kann, ist maßgeblich auf dessen individuelle Schutzbedürftigkeit abzustellen. 3. Eine zu Unrecht unterbliebene Bestellung hat nicht grundsätzlich eine Unverwertbarkeit der Beschuldigtenvernehmung zur Folge. BGH, Urt. v. 5.4.2022 – 3 StR 16/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] Das OLG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Kriegsverbrechen gegen eine Person durch Tötung in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord und mit Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zudem hat es eine Festplatte eingezogen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich in Bezug auf die Einziehungsentscheidung mit der Sachrüge Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. [2] 1. Nach den vom OLG getroffenen Feststellungen erschossen im Juli 2012 Mitglieder zweier zur Jabhat al-Nusra gehörender Kampfgruppen einen gefangen genommenen Offizier der syrischen Armee. Der Angeklagte erstellte als örtlicher Medienaktivist ein Propagandavideo der Exekution und bestärkte durch die Aufnahme sowie seine zeitgleichen, verherrlichenden Kommentare die Kämpfer in ihrem Tatentschluss. Nachdem er im September 2014 nach Deutschland gekommen war, wurde im Oktober 2019 bei der Durchsuchung seiner Wohnung eine in seinem Eigentum stehende Festplatte sichergestellt. Auf dieser waren das von ihm aufgenommene Video und eine weitere von der Hinrichtung gefertigte Filmaufnahme gespeichert. [3] 2. Die Verfahrensrüge, die einen Verstoß gegen § 141 II 1 Nr. 3 StPO wegen unterbliebener Bestellung eines Pflichtverteidigers vor polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen beanstandet, bleibt erfolglos. [4] a) Der Rüge liegt im Wesentlichen das folgende Geschehen zugrunde: [5] Der Angeklagte wurde am 17.10.2019, 20.2.2020 und 6.3.2020 als Beschuldigter polizeilich vernommen. Vor den beiden letzten Vernehmungen wurde er – ebenso wie vor der ersten – jeweils belehrt, dass er im Fall der notwendigen Verteidigung die Bestellung eines Pflichtverteidigers „beanspruchen“ könne. Im Folgenden äußerte er sich an beiden Tagen unter Einbeziehung eines Dolmetschers, ohne dass ihm zuvor ein Verteidiger bestellt worden oder ein solcher sonst anwesend war. Einer der an den Vernehmungen beteiligten Polizeibeamten wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört. Im Anschluss an dessen Aussage widersprach ein Verteidiger deren Verwertung, soweit der Zeuge Angaben über Inhalte der Vernehmungen v. 20.2. und 6.3.2020 gemacht hatte. Das OLG stützte in den Urteilsgründen seine Kenntnisse von den Angaben des Angeklagten in der Vernehmung am 6.3.2020 auf die Bekundungen des Zeugen. [6] b) Es bedarf keiner vertieften Erörterung, ob die Verfahrensbeanstandung den Anforderungen nach § 344 II 2 StPO genügt. Insofern hat die Revision nicht den Inhalt der Vernehmung v. 17.10.2019 mitgeteilt, die zur Begründung einer ersichtlich sehr schwierigen Beweiswürdigung und der sich – nach Ansicht des Beschwerdeführers – daraus ergebenden Voraussetzungen des § 141 II 1 Nr. 3 StPO herangezogen wird. Ungeachtet dessen ist die Verwertung der durch einen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten Beschuldigtenvernehmung nicht zu beanstanden. [7] Es stellt keinen Rechtsfehler dar, dass dem Angeklagten als damaligem Beschuldigten nicht unabhängig von einem eigenen Antrag ein Pflichtverteidiger bestellt wurde. Ein Fall der notwendigen Verteidigung i.S.d. § 140 I Nr. 1 oder 2 StPO gebietet für sich genommen nicht eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 141 II 1 Nr. 3 StPO (s. nachfolgend unter aa). Für die Frage, ob die sofortige Bestellung erforderlich ist, weil ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich selbst nicht verteidigen kann, ist maßgeblich auf dessen individuelle SchutzbeBRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 288

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