BRAK-Mitteilungen 5/2022

Gebührenanspruch der Kl. ist – insofern nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss v. 27.1.2022 im Streitwertbeschwerdeverfahren (Az.: 15 W 55/21, BI. 1649 f. d.A.) – aus einem Gegenstandswert von 5.000 Euro zu berechnen und nicht aus einem von 500 Euro, wie ihn das LG zugrunde gelegt hat. 2. Hinsichtlich des mit dem Berufungsantrag zu 2) geforderten „Schmerzensgeldes“ für die verzögerte Datenauskunft, womit ausweislich der näheren Ausführungen der Kl. ein Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden nach Art. 82 I DSGVO gemeint ist, ist die Berufung im Umfang des von der Kl. im Berufungsverfahren noch weiter geltend gemachten Anspruchs von 500 Euro aus Art. 82 I und II DSGVO begründet. Der Senat wertet die Reduzierung des Antrags um 500 Euro im Termin dabei als (konkludente) teilweise Berufungsrücknahme. Nach Art. 82 I und II DSGVO hat jede natürliche Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. a) Ein Verstoß gegen die DSGVO durch den Bekl. als Verantwortlichen nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist hier gegeben. Nach Art. 15 I, III, Art. 12 III 1 DSGVO hat der Verantwortliche innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags auf Datenauskunft (hier: Schreiben der Kl. v. 7.1. 2020) die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Der Bekl. hat die Auskünfte erst im Laufe des Verfahrens im Oktober 2020 erteilt und auch die Handakten erst zu diesem Zeitpunkt herausgegeben. Der Senat folgt insofern nicht der Auffassung des LG, dass Art. 82 DSGVO nur solche Schäden erfasst, die „durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung“ entstanden sind und dass damit Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 12 III bzw. Art. 15 DSGVO nicht als Grundlage für einen Ersatzanspruch dienen können (vgl. auch LAG Hamm, Urt. v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20, juris; ebenso wohl OLG Stuttgart, Urt. v. 31.3.2021 – 9 U 34/21, juris Rn. 29; vgl. auchWeber, CR 2021, 379 m.w.N.). ln Art. 82 I DSGVO ist von einem „Verstoß gegen diese Art. 82 I DSGVO Verordnung“ die Rede und gerade nicht von einer verordnungswidrigen Datenverarbeitung. Die Auffassung des LG, dass diese in Art. 82 I DSGVO enthaltene Regelung dann durch Art. 82 II DSGVO konkretisiert – sprich: eingeschränkt – werden sollte, ist weder dem Gesamtkontext noch dem Sinn und Zweck oder aber der Entstehungsgeschichte der Norm mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Zwar spricht auch Erwägungsgrund 146 davon, dass Schäden ersetzt werden sollen, die „einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“. Allerdings ist der Begriff der Verarbeitung in Art. 4 Nr. 2 DSGVO weit gefasst und umfasst beispielsweise auch die „Offenlegung durch Übermittlung“, worunter letztlich auch die hier streitgegenständliche Auskunft zu fassen ist. Daneben ergibt sich aus Erwägungsgrund 60, dass die Grundsätze einer fairen und transparenten Verarbeitung es erforderlich machen, dass die betroffene Person über die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und seine Zwecke unterrichtet wird. Dafür wird ihr (vgl. insoweit Erwägungsgrund 63 und 75) ein entsprechendes Auskunftsrecht („problemlos und in angemessenen Abständen”) zugebilligt, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Wenn aber in dieser Hinsicht der Schutz des Betroffenen gerade durch Auskunfts- und Informationsrechte gestärkt und damit für Fairness und Transparenz beim Verarbeitungsvorgang gesorgt werden soll, spricht dies entscheidend dafür, die Ersatzpflicht nach Art. 82 I DSGVO auf jeden Verstoß gegen Regelungen der Verordnung anzuwenden. b) Durch dieses Verhalten des Bekl. ist der Kl. ein immaimmaterieller Schaden terieller Schaden i.S.v. Art. 82 I DSGVO entstanden. Dabei kommt es vorliegend nicht auf die umstrittene Frage an, ob allein die Verletzung einer Vorschrift der DSGVO für einen Anspruch aus Art. 82 I DSGVO ausreicht oder ob es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten Schadens bedarf (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 2.3.2022 – 13 U 206/20, juris m.w.N.). Denn vorliegend hat die Kl. umfassend und vom Bekl. unwidersprochen dazu vorgetragen, welche (immateriellen) Folgen die verweigerte Datenauskunft des Bekl. für sie hatte. Diese von der Kl. vorgetragenen Umstände reichen auch aus, um einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 I DSGVO zu begründen. Die Kl. beruft sich vorliegend in erster Linie darauf, dass sie durch die verzögerte Datenauskunft des Bekl. psychisch belastet wurde; sie habe Stress und Sorge im Hinblick auf die Regulierung ihrer Ansprüche aus dem Verkehrsunfallgeschehen empfunden. Vor dem Hintergrund dessen, dass der Begriff des Schadens nach Erwägungsgrund 146 weit ausgelegt werden muss und in Erwägungsgrund 75 beispielhaft Handlungen aufgezählt werden, die zum Schadensersatz führen können („... wenn die Verarbeitung zu einer Diskriminierung, einem Identitätsdiebstahl oder -betrug, einem finanziellen Verlust, einer Rufschädigung, einem Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten, der unbefugten Aufhebung der Pseudonymisierung oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen führen kann, wenn die betroffenen Personen um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren ...“), kann ein immaterieller Schaden der Kl. i.S. eines solchen „Kontrollverlustes“ über ihre Daten (vgl. dazu Korch, NJW 2021, 978; Bergt, in Kühling/ Buchner, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 18b m.w.N.; kritisch LG München I v. 2.9.2021 – 23 O 10931/20, GRUR-RS 2021, 33318) sowie ein drohender Einfluss auf ihre wirtschaftliche Position, insb. ein Zeitverlust im Zusammenhang mit der Abwicklung des DATENSCHUTZ BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 282

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