BRAK-Mitteilungen 5/2022

ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR STATUSBEZOGENE NUTZUNGSPFLICHT DES ELEKTRONISCHEN RECHTSVERKEHRS ZPO § 130d; InsO § 4 * 1. Ein Verbraucherinsolvenzantrag in Papierform kann von einem Rechtsanwalt nicht „als Bote“ formwirksam eingereicht werden. * 2. Die Nutzungspflicht ergibt sich bereits aus der Eigenschaft als Rechtsanwalt. * 3. Der Rechtsanwalt kann sich nicht durch einen beliebigen Rollenwechsel seiner Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs entziehen. AG Ludwigshafen, Beschl. v. 26.4.2022 – 3 c IK 115/22 AUS DEN GRÜNDEN: I. Der Antragsteller verfolgte mit dem Formularsatz v. 29.3.2022 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen ebenso wie die Erteilung der Restschuldbefreiung und Gewährung der Kostenstundung. Die amtlichen Antragsformulare waren in Papierform als Anhang eines Schriftsatzes des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts übermittelt worden, der den Hinweis enthielt, der Insolvenzeröffnungsantrag werde von ihm „als Bote“ eingereicht. Mit der spätestens am 11.4.2022 an den Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Verfügung v. 4.4.2022 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass sein Antrag im Hinblick auf § 4 InsO i.V.m. § 130d ZPO unzulässig ist. Innerhalb der mit der genannten Verfügung gesetzten Frist gelangte keine Stellungnahme zur Akte. II.1. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegt der Zurückweisung als unzulässig. Der Antragsschriftsatz ist nach § 4 InsO i.V.m. § 130d ZPO formunwirksam. Der Rechtsanwalt unterliegt mit in Kraft treten des § 130d ZPO am 1.1.2022 auch im Schriftverkehr mit dem Insolvenzgericht einer Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr (AG Hamburg, ZInsO 2022, 595; jurisPK-ERV/H. Müller, Stand: 28.3.2022, § 130a ZPO Rn. 18.1; Beth, ZInsO 2021, 2652, 2653; Heyer, ZInsO 2017, 2484, 2484; HambKomm-InsO/Rüther, 9. Aufl., § 4 Rn. 58; Ahrens, in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 4 Rn. 31; Becker, in Nerlich/Römermann, InsO, Stand: April 2017, § 4 Rn. 21; BeckOK-InsO/Madaus, Stand: 15.7.2021, § 4 Rn. 14; Braun/Baumert, InsO, 8. Aufl., § 4 Rn. 40; Pollmächer, in Steuerberater Rechtshandbuch, Lfg. Juli 2019, F. J, II. Insolvenzeröffnungsverfahren Rn. 108). Die Einreichung „als Bote“ ändert daran nichts. Die Anknüpfung in § 130d ZPO richtet sich nicht an die funktionale Rolle im Verfahren, sondern ist statusbezogen (Beth, ZInsO 2022, 750, 751). Die Nutzungspflicht ergibt sich bereits aus der Eigenschaft als Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt kann sich mithin nicht durch einen (beliebigen) Rollenwechsel seiner Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs entziehen. Hinzu kommt, dass der Bote im vorliegenden Fall sogar gleichzeitig seine Bevollmächtigung für das Verfahren angezeigt hat. 2. In Folge des unzulässigen Eröffnungsantrages sind auch die Anträge auf Erteilung der Restschuldbefreiung mangels eines eigenen Eröffnungsantrages sowie auf Gewährung der Kostenstundung mangels eines zulässigen Restschuldbefreiungsantrages als unzulässig zurückzuweisen. HINWEISE DER REDAKTION: Das VG Berlin-Brandenburg hat unmissverständlich klargestellt, dass § 52d FGO, der die verpflichtende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs im Finanzgerichtsverfahren regelt, allein an die Zulassung als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt anknüpft. Dass ein Bevollmächtigter zugleich als Steuerberaterin bzw. Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüferin bzw. Wirtschaftsprüfer zugelassen ist, ändert an der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO nichts. Eine Wahlfreiheit besteht insofern nicht (vgl. FG Berlin-Brandenburg, BRAK-Mitt. 2022, 165 mit Anm. von Seltmann). DATENSCHUTZ SCHMERZENSGELDANSPRUCH WEGEN VERSPÄTETER DATENAUSKUNFT DSGVO Art. 4 Nr. 7, Art. 15, Art. 82 I * 1. Erteilt ein Rechtsanwalt seinem Mandanten eine ihm gegenüber geltend gemachte Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO erst neun Monate nach deren Beantragung, kann dies einen Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 I DSGVO begründen. * 2. Vor dem Hintergrund, dass der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden muss, kann ein immaterieller Schaden in einem Kontrollverlust über die eigenen Daten sowie in einem drohenden Einfluss auf die wirtschaftliche Position, insbesondere in einem Zeitverlust im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, liegen. OLG Köln, Urt. v. 14.7.2022 – 15 U 137/21 BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 280

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