BRAK-Mitteilungen 5/2022

[5] a) Im Untreuefall (§ 266 I StGB; § 43a V 2 BRAO) unter II. 1. der Urteilsgründe ist eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung geboten. [6] aa) Untreue kann durch den Rechtsanwalt durch Tun oder Unterlassen Tun oder Unterlassen (§ 13 StGB) begangen werden. Verwirklicht er den Tatbestand ausschließlich dadurch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, erschöpft sich die Untreue in einem Unterlassen. Wird der Rechtsanwalt neben dem bloßen Gelderhalt etwa durch Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken oder durch Ableugnen des Zahlungseingangs tätig, kann auf diese Einzelhandlungen abzustellen sein. Dabei bleibt die Bewertung der Konkurrenzen von der Begehungsform unberührt; das (bloße) Nichtweiterleiten nach jedem Zahlungseingang führt zur Tatmehrheit, da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen (BGH, Beschl. v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, BGHR StGB § 266 I Konkurrenzen 4 Rn. 19 f. und v. 26.11.2015 – 2 StR 144/15 Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.11.2019 – 2 StR 588/18 Rn. 13). [7] bb) An diesen Maßstäben gemessen ist von zehn mehrere Einzeltaten Einzeltaten auszugehen. Das jeweilige Nichtweiterleiten der Überweisungsbeträge infolge der Kontokorrentverrechnung im Negativsaldo ist bereits eine selbstständige Tat; hinzukommen die elf Einzelüberweisungen. Soweit der Angeklagte die Überweisungen an demselben Tag ”veranlasste”, ist nicht auszuschließen, dass dem nur eine Handlung zugrunde lag, indem er naheliegend eine Kanzleiangestellte jeweils einmal zu jeweils zwei Überweisungen anwies. [8] cc) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 I StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte hiergegen effektiver als geschehen hätte verteidigen können. Für die zehn Fälle sind jeweils Einzelstrafen festzusetzen; der Senat hebt auch die im Untreuefall II. 2. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe auf, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. [9] b) Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bekeine Steuerhinterziehung gegnet durchgreifenden Bedenken. [10] aa) In den Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung ist zu besorgen, dass das LG rechtsfehlerhaft die veruntreuten Gelder in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Da es insoweit aber an einem Leistungsaustausch fehlt, liegt diesen Geldeingängen kein steuerbarer Umsatz zugrunde (§ 1 I Nr. 1 S. 1 UStG). Zudem lässt sich nicht nachvollziehen, ob das LG bei der Strafzumessung sämtliche dem Angeklagten aus Eingangsrechnungen zustehenden Vorsteuerbeträge in Ansatz gebracht hat. Denn das LG hat die der Buchhaltung zu entnehmenden Werbe- und Reise-, Fahrzeug- sowie Mietkosten unbeanstandet gelassen (UA S. 57, 61). Die sich daraus ergebenden Vorsteuern übersteigen die vom Angeklagten nachträglich erklärten. Bezüglich des Jahres 2016 hat das LG rechtsfehlerhaft das Gehalt des Angeklagten aus seiner Tätigkeit als Fraktionsgeschäftsführer einer Partei als steuerbaren Umsatz gewertet (UA S. 61); tatsächlich war der Angeklagte insoweit unselbstständig beschäftigt (UA S. 5). Sollte sich im neuen Rechtsgang der Hinterziehungsumfang deutlich verringern, werden auch die Nacherklärungen daraufhin neu zu beurteilen sein, ob der Angeklagte mit ihnen wirksame Selbstanzeigen abgab (§ 371 AO). [11] bb) Der Fall II. 3. c) der Urteilsgründe birgt ebenfalls Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. [12] (a) Insoweit ist wiederum nicht auszuschließen, auch nicht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das LG die veruntreuten Gelder (§ 266 I StGB) als steuerpflichtige Einkünfte gewertet hat; dies wäre indes rechtsfehlerhaft (§§ 4 III 2, IV, 8 I EStG; vgl. BFH, Urt. v. 16.12.2014 – VIII R 19/12, BFHE 279, 74 Rn. 27 f. und v. 29.9.2020 – VIII R 14/17, BFHE 270, 442 Rn. 35-38). Die veruntreuten Gelder erlangte der Angeklagte weder als Gegenleistung für eine Leistung im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit noch innerhalb seiner gewerblichen Betätigung. [13] (b) Zudem hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: ”Die Strafkammer übersieht [...], dass sich die Erklärungspflicht des Angeklagten gem. § 25 III EStG nur auf seine eigenen Einkünfte und die Besteuerungsmerkmale bezieht, die ihn und seine Ehefrau gemeinsam betreffen wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen. Zusammenveranlagte Eheleute müssen nach § 25 III 2 EStG eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abgeben. Beide haben den Vordruck eigenhändig zu unterschreiben und versichern damit, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass alle Angaben von beiden Ehegatten mitgetragen werden. Vielmehr beschränkt sich der Erklärungsgehalt der Unterschrift auf die Tatsachen, die den jeweiligen Ehegatten betreffen. Betrifft die Erklärung Einkünfte, die nur von einem Ehegatten erzielt werden, so macht nur derjenige Ehegatte ,Angaben’, der den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht (BFH, Urt. v. 16.4.2002 – IX R 40/00, NJW 2002, 2495; ebenso BGH, Beschl. v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07 Rn. 29; s. auch Senat, Beschl. v. 8.5.2019 – 1 StR 242/18 Rn. 7). Bei den im Steuererklärungsvordruck einzutragenden Daten zu den Einkünften der Ehefrau aus ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit als Lehrerin hätte es sich daher nicht um Angaben des Angeklagten, sondern der Ehefrau gehandelt. Da offensichtlich überhaupt keine Steuererklärung eingereicht wurde, hat die Ehefrau es ebenfalls unterlassen, die gebotenen Angaben zu machen. Die dadurch [gegebenenfalls] bewirkte VerkürBRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 268

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0