BRAK-Mitteilungen 4/2022

ßende Festsetzung nehme jedoch der Obermeister der jeweiligen Innung vor, der die Beitragsberechnungen auch stichprobenartig überprüfe und über Einwände von Mitgliedsbetrieben gegen die konkrete Berechnung sowie etwaige Stundungen, Erlasse oder aber die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden habe. Auch die konkrete Höhe der von den Innungen erhobenen Gebühren wird von der Innungsversammlung festgesetzt. Eine eigene Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen ist danach nicht gegeben. Nach seinen Angaben würde er sich auch nicht – stellvertretend – dazu befugt sehen, da es sich hierbei um eine dem Ehrenamt des Vorstands der Innung obliegende Aufgabe handele. [50] Gleiches gilt für die von den Innungen an die Kreishandwerkerschaft zu entrichtenden Beiträge, die nach den weiteren Angaben des Beigeladenen in der Mitgliederversammlung von den Innungsvertretern konkret für jede Innung beschlossen werden. Ihre Begleichung erfolgt durch eine anschließend vom Kassenleiter vorgenommene Umbuchung. Auch insoweit ist der Beigeladene – in seiner Funktion als Geschäftsleiter und Vorgesetzter des Kassenleiters – nur in ausführender Funktion ohne Entscheidungsbefugnis beteiligt. Einwände der Innungen gegen den umgebuchten Beitrag habe es noch nie gegeben, da diese an der Betragsfestsetzung selbst beteiligt seien; auch insoweit handele es sich zudem um eine allein dem Ehrenamt obliegende Aufgabe. [51] Die Angaben des Beigeladenen sind plausibel und glaubhaft. Angesichts des von ihm geschilderten Ablaufs der Festsetzung und Beitreibung steht die von der Kl. dagegen angeführte Zahl von ca. 900 Mitgliedsbetrieben der der Kreishandwerkerschaft angehörenden Innungen einer Entscheidung über die einzelnen Festsetzungen und deren Beitreibung durch den Obermeister trotz seiner grundsätzlich ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 66 IV HwO) nicht entgegen, da sich seine Zuständigkeit auf die Betriebe seiner Innung beschränkt. Auch die Bestimmung und Erhebung der Beiträge der Innungen an die Kreishandwerkerschaft ist in der vom Beigeladenen geschilderten Handhabung mit der ehrenamtlichen Tätigkeit der Beteiligten vereinbar. Dass die Entscheidungsbefugnis für die Festsetzung und Beitreibung der Gebühren und Beiträge bei den ehrenamtlichen Mitgliedern/Organen der Körperschaften verblieben ist und seine Beteiligung sich lediglich auf die tatsächliche Umsetzung durch den ihn unterstellten Kassenleiter beschränkt, hat der Beigeladene überzeugend damit begründet, dass diese Fragen unter den sachkundigen Vertretern des jeweiligen Handwerks geklärt werden müssten und er als außenstehender Geschäftsleiter hierfür nicht geeignet sei. [52] bb) Dass der Beigeladene darüber hinaus im Rahmen der ihm außerdem als Geschäftsleiter übertragenen Umsetzung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung (§ 11 II KHW-Satzung) hoheitlich, d.h. mit eigener Entscheidungsbefugnis tätig würde, hat die Kl. nicht konkret dargetan; Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor. [53] cc) Auch eine hoheitliche Tätigkeit des BeigeladeLeiter der Rechtsabteilung nen im Rahmen seiner Aufgaben als Leiter der Rechtsabteilung ist nicht ersichtlich und wird von der Kl. auch nicht geltend gemacht. Seine Tätigkeit besteht insoweit im Wesentlichen in der rechtlichen Beratung der Innungsbetriebe, vor allem im Bereich des privaten Bau- bzw. Werkvertragsrechts, z.B. rechtliche Bewertung von Leistungsverzeichnissen und Verträgen mit Bauherren, aber auch des Kaufrechts, etwa für Kfz-Betriebe, und des Arbeits- und Tarifvertragsrechts betreffend die Mitarbeiter der Betriebe sowie der Führung von eigenverantwortlichen Vertragsverhandlungen mit Bauherren und der Betreuung von Inkasso- und Zwangsvollstreckungsangelegenheiten sowie der Prozessvertretung. [54] III. Das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen wird, wie § 46 III und V BRAO es verlangt, durch anwaltliche Tätigkeiten für seine Arbeitgeberin geprägt. [55] 1. Das Arbeitsverhältnis eines Syndikusrechtsananwaltliche Prägung walts wird durch die in § 46 III Nr. 1–4 BRAO näher beschriebenen anwaltlichen Tätigkeiten geprägt. Die anwaltlichen Tätigkeiten müssen folglich quantitativ und qualitativ den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses eines Syndikusrechtsanwalts-Bewerbers darstellen. Dabei liegt ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen (BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 63/ 17, NJW 2019, 3649 Rn. 18; Beschl. v. 9.1.2020 – AnwZ (Brfg) 11/19 Rn. 6). Ein geringerer Anteil anwaltlicher Tätigkeiten reicht für die Annahme einer anwaltlichen Prägung in der Regel nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2020 – AnwZ (Brfg) 47/19 Rn. 10). [56] 2. Nach den Angaben in der Tätigkeitsbeschreibung zum Dienstvertrag des Beigeladenen und seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Anteil anwaltlicher Tätigkeiten jedenfalls mehr als 65 % seiner Gesamttätigkeit ausmacht. [57] Nach den Angaben in der Tätigkeitsbeschreibung des Beigeladenen machen seine dort geschilderten Tätigkeiten ca. 75 % bis 80 % seiner Gesamttätigkeit aus. Diese Tätigkeiten bestehen – wie der Beigeladene in seiner mündlichen Anhörung durch den AGH bestätigt hat – im Wesentlichen in der Beratung und Vertretung der ca. 900 Mitgliedsbetriebe der angeschlossenen Innungen in rechtlichen Angelegenheiten, vor allem im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts (Vergütung, Kündigung, Urlaub und Ausbildung von Mitarbeitern) und der Geltendmachung von Werklohnforderungen einschließlich „Inkassoleistungen“ sowie der Abwehr von Gewährleistungsansprüchen von Auftraggebern im Bau- und im Kfz-Bereich. Dass diese – bei der Prüfung der anwaltlichen Prägung einzubeziehenden (s. dazu unter IV.) – Tätigkeiten anwaltlicher Natur BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 230

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