BRAK-Mitteilungen 4/2022

2. BEABSICHTIGTER VERZICHT AUF DIE ZULASSUNG Die demografische Entwicklung ist in den neuen Bundesländern deutlich zu spüren. So waren beispielsweise bei der Rechtsanwaltskammer Sachsen zum 31.12. 2021 insgesamt 4.434 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugelassen, davon sind 737 älter als 60 Jahre. Die Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die auf ihre Zulassung verzichten, steigt seit Jahren an. Von den Befragten gaben jedoch nur 15,83 % an, dass sie ihre Zulassung innerhalb der nächsten fünf Jahre zurückgeben werden. Doch bei jeder aufgrund des Renteneintritts oder anderen Gründen beendeten Zulassung stellt sich die Frage, ob Nachfolgerinnen und Nachfolger in die Fußstapfen der Altvorderen treten. Von denjenigen, die ihre Zulassung zurückgeben, haben 73,52 % noch nicht nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger gesucht, 21,50 % haben die Suche nicht erfolgreich abschließen können und nur 4,98 % haben eine Nachfolge gesucht und gefunden. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass Bedarf für eine geordnete Nachfolge und gute Ausgangsbedingungen für die Übernahme von Kanzleien durch den juristischen Nachwuchs bestehen. 3. GERICHTLICHE TÄTIGKEIT Die örtliche Verteilung von Anwaltskanzleien wird auch beeinflusst durch die Distanz zu den jeweiligen Gerichten. In Orten, in denen Gerichte vorhanden sind, finden sich in der Regel mehr Kanzleien als in Orten, in denen Gerichte nicht – oder wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern nach der Gerichtsstrukturreform – nicht mehr oder nur noch in eingeschränkter Form vorhanden sind. Zeit ist Geld – deshalb hat die Distanz zwischen Kanzlei und dem Gericht wirtschaftliche Auswirkungen auf die jeweilige Kanzlei. Je länger und damit zeitaufwändiger die Wege zum Gericht sind, desto weniger wirtschaftlich kann ein Mandat betrieben werden. Immerhin gaben 55,85 % der Befragten an, dass sie durchschnittlich bis zu einer Stunde benötigten, um die Wegstrecke zum Gericht zurückzulegen. Dies lässt den Schluss zu, dass der überwiegende Teil der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihren Sitz an oder in der unmittelbaAbb. 2: Kanzleinachfolge ren Nähe von Gerichtsstandorten hat. Doch immerhin 21,43 % der Befragten benötigen eine Stunde oder mehr zum nächsten Gericht, weitere 14,64 % sogar zwei Stunden. Schon hier zeigt sich, dass für ein Drittel der Befragten die gerichtliche Tätigkeit mit erheblichen Reisezeiten einhergeht. Diese Reisezeit fällt in den allermeisten Fällen für nur einen einzigen Gerichtstermin an. Denn nur 8,23 % der Befragten gaben an, dass an ihrem jeweiligen „Heimatgericht“ an einem Termintag durchschnittlich mehr als nur ein Gerichtstermin wahrgenommen werden kann. Dies sollte ein weiterer Grund sein, Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragungen gem. § 128a ZPO und den korrespondierenden Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen zu fördern. Denn dies ist nicht nur unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes ressourcenschonend, sondern ermöglicht den Prozessvertreterinnen und -vertretern zugleich, die eingesparte Reisezeit anderweitig einzusetzen – für Mandatsarbeit, für Akquise oder auch für Familie und Freizeit. 4. REFERENDARAUSBILDUNG IN DER FLÄCHE Wie steht es um die Ausbildungen von Referendarinnen und Referendaren und anderem juristischen Nachwuchs in der Fläche? Auch diese Frage war Gegenstand der Umfrage. Dabei sei vorausgeschickt, dass in den fünf teilnehmen Bundesländern jeweils nur eine juristische Fakultät vorhanden ist, in der auf das erste Staatsexamen vorbereitet wird, nämlich in Greifswald, Frankfurt/Oder, Halle, Leipzig und Jena. Die Nachfrage nach Praktikumsplätzen während des Studiums konzentriert sich deshalb sehr auf diese Fakultätsstandorte. Kanzleien in der Fläche erhalten deshalb seltener Bewerbungen für Praktika oder wissenschaftliche Mitarbeit in der Kanzlei – obwohl es wohl keinen besseren Ort als inhabergeführte Kanzleien gibt, um den Arbeitsalltag von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und den Umgang mit Mandantinnen und Mandanten kennenzulernen. Für die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren gilt ähnliches. Die Ausbildung konzentriert sich in den teilnehmenden Bundesländern auf Gerichtsstandorte. Dass Referendarinnen und Referendare gezielt AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 185

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