BRAK-Mitteilungen 3/2022

te zum gesamten Geschäftsbetrieb umfassende Vertretungsmacht für die Gesellschaft haben. Sie nehmen daher maßgeblichen Einfluss auf das Außenverhältnis der Gesellschaft. Da die Berufsausübungsgesellschaft selbst Rechtsdienstleistungen erbringt und in der Regel zugelassen ist, müssen auch diese Personen die grundlegenden Anforderungen an die Unabhängigkeit und die Vertrauenswürdigkeit erfüllen. Daher müssen auch Prokuristinnen und Prokuristen sowie Handlungsbevollmächtigte zum gesamten Geschäftsbetrieb einem der in § 59c BRAO n.F. genannten Berufe angehören und die grundlegenden Anforderungen nach § 7 BRAO erfüllen. Außerdem muss die Unabhängigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, denen Prokura oder umfassende Handlungsvollmacht gewährt wird, ebenso gewahrt werden wie die Unabhängigkeit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die einem Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgan angehören.15 15 BT-Drs. 19/27670, 195. IV. FOLGEN FÜR DIE PRAXIS 1. EINFÜHRUNG EINER COMPLIANCE-STRUKTUR Der Berufsausübungsgesellschaft wurde eine Vielzahl von Pflichten auferlegt. Diese werden sich in kleineren Sozietäten noch überwachen lassen. Größere Sozietäten hingegen werden nicht umhinkommen, eine Compliance-Struktur zu implementieren. Dabei wird zunehmend die Einführung eines Compliance-Officers diskutiert. Dieser würde dabei sämtliche technischen, organisatorischen und personellen Aufsichtsmaßnahmen gebündelt übernehmen. Er oder sie wäre beispielsweise für ein mandantenbezogenes Aufsichtssystem verantwortlich, das sicherstellt, dass bei einer Mandatsannahme in der Berufsausübungsgesellschaft nicht etwa gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen wird („Conflict Check“), überwacht aber auch die einzelnen Berufsträger.16 16 Christoph, AnwBl. 2021, 606: „Berufspflichten in der Berufsausübungsgesellschaft: Wie sie künftig einhalten?“. Ursprünglich wurde der Compliance-Officer nach dem Vorbild des englischen Rechts im Diskussionsvorschlag von Martin Henssler ins Spiel gebracht.17 17 Henssler, AnwBl. Online 2018, 564, 586 f. Dabei sollte jede Berufsausübungsgesellschaft, unabhängig ihrer Größe, verpflichtet werden, ein für die Einhaltung des Berufsrechts primär verantwortliches Mitglied der Geschäftsführung zu benennen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde der Vorschlag jedoch letztendlich mit der Begründung verworfen, dass dieser aus organisatorischer Sicht eher eine unverhältnismäßige Belastung sehr kleiner Gesellschaften wäre, für die eine solche umfassende Pflicht nicht „zielführend“ sei.18 18 Vgl. BT-Drs. 19/27670, 185. Ungeachtet dessen empfiehlt sich in größeren Sozietäten weiterhin die Einführung, um Sanktionierungen der Berufsausübungsgesellschaft zu vermeiden. 2. ANPASSUNG DER BERUFSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG Nicht zu vergessen ist, im Rahmen der Anpassung, auch die Überprüfung der Versicherungssummen. Alle Berufsausübungsgesellschaften benötigen künftig eine eigene Berufshaftpflichtversicherung und haben diese während der Dauer Ihrer Tätigkeit aufrechtzuerhalten (§ 59n I BRAO n.F.).19 19 Zu der Thematik ausf. Zimmermann/Dörne, BRAK-Mitt. 2022, 74; Dahns, BRAKMagazin 3/2022, 14. Die Mindestversicherungssummen und Jahreshöchstleistungen ergeben sich dabei aus § 59o BRAO n.F. beA FÜR ALLE: WAS ZU BEACHTEN IST RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK* * Die Autorin ist Leitende Justiziarin bei der Allianz Versicherungs-AG, München. Seit dem 1.1.2022 gilt die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Die Autorin gibt einen Überblick darüber, was bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) für die Gerichtskorrespondenz zu beachten ist. Anhand aktueller Rechtsprechung stellt sie dar, was bei Erhalt und Versendung von Nachrichten per beA gilt und welche Kontrollmaßnahmen im Rahmen der Büroorganisation erforderlich sind. Außerdem erläutert sie, wie in Fehlerfällen die gerichtliche Hinweispflicht, Heilungsmöglichkeiten und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ineinandergreifen. I. AUS ERFAHRUNGEN LERNEN Nun ist es also seit ein paar Monaten so weit: Vor dem beA kann sich kein Rechtsanwalt und keine Rechtsanwältin mehr drücken. Selbst Kolleginnen und Kollegen, die nicht regelmäßig bei Gericht auftreten, erhalten zumindest Mitteilungen der Rechtsanwaltskammern und ähnliches in ihr beA. Unter denjenigen, die seit Anfang des Jahres erstmals Schriftsätze aus dem beA zu Gericht schicken mussten, machte sich eine gewisse Anfangsnervosität bemerkbar. Die allermeisten aber merken erleichtert: Es geht! BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 AUFSÄTZE 126

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0