BRAK-Mitteilungen 2/2022

2019“ versandte Mitteilung der Tagesordnung für die Kammerversammlung v. 3.5.2019 sei unzureichend gewesen, weil darin nicht die einzelnen Anträge bzw. die Punkte aufgeführt worden seien, über die abgestimmt werden sollte. Die streitgegenständlichen Anträge seien dort vielmehr erst auf den Seiten 12/13 abgedruckt gewesen. Der Einladung mangele es daher insb. an der erforderlichen Transparenz, da die Eingeladenen sich nicht ohne größeren Aufwand darüber hätten informieren können, welche Fragestellungen Thema der Kammerversammlung sein werden. In der Tagesordnung sei auch nicht auf die Anlage hingewiesen worden. Die Verwendung der Formulierung „angekündigte Anträge“ habe zudem suggeriert, dass die zu behandelnden Anträge noch gar nicht feststünden. – Unter Ziffer 4 der Tagesordnung habe eine Aussprache u.a. über den Rechenschaftsbericht des Präsidenten der Bekl. stattgefunden, in welchem dieser das zukünftige Vorgehen bzw. die Nutzung des „Seehauses“ angesprochen habe. Zu diesem Punkt sei es in der Aussprache zu Wortmeldungen von Kammermitgliedem gekommen. Während der zwei Stunden andauernden Diskussion sei die Sitzungsleitung die gesamte Zeit beim Präsidenten verblieben. Zwischen den einzelnen Wortbeiträgen hätten sowohl der Präsident als auch sein Stellvertreter und weitere Mitglieder des Präsidiums das Wort ergriffen und sich inhaltlich durchweg gegen den streitgegenständlichen Antrag positioniert. Den Mitgliedern des Präsidiums sei zudem zeitlich freies Ermessen eingeräumt gewesen, auf die Wortbeiträge der Mitglieder zu reagieren. Auf den Verlauf der Diskussion hätten sie damit stärkeren Einfluss als „nicht privilegierte“ Mitglieder der Kammerversammlung genommen. Der Vizepräsident der Bekl. habe sich nach der zweiten Abstimmung nochmals an die Versammlung gewandt und explizit für eine Ablehnung des dritten der klagegegenständlichen Unteranträge appelliert. – Die Abstimmungen zu den klagegegenständlichen vier Unteranträgen seien unter Beteiligung auch der Präsidiums- und Vorstandsmitglieder erfolgt. Nachdem der streitgegenständliche Antrag sich darauf gerichtet habe, dem Vorstand die Entscheidung über die weitere Nutzung bzw. Verwendung des „Seehauses“ zu entziehen, seien diese jedoch selbst von dem Ergebnis der Abstimmung betroffen und daher nach § 88 IV BRAO auszuschließen gewesen. Zudem hätten weisungsabhängige angestellte Mitarbeiter der Bekl. an den Abstimmungen teilgenommen. – Das Ergebnis der Abstimmungen sei durch anwesende Mitglieder anders wahrgenommen worden als vom Präsidenten festgestellt bzw. es habe eine eigene Zählung durch Kammermitglieder ein anderes Ergebnis erbracht. So seien bei der vierten und letzten Abstimmung durch Versammlungsteilnehmer ein Ergebnis von 61 Ja-Stimmen zu 31 Nein-Stimmen gezählt worden (während durch den Präsidenten je 53 Ja- und Nein-Stimmen sowie 7 Enthaltungen festgestellt worden seien). – Nachdem der Präsident das Abstimmungsergebnis der Abstimmung bekannt gegeben habe, habe sich der Kl. zu 1) mit dem Antrag „Schriftliche Abstimmung“ zu Wort gemeldet. Daraufhin habe der Präsident geäußert, dass es dafür jetzt zu spät sei, und sei mit dem nächsten Tageordnungspunkt fortgefahren, ohne eine Aussprache über diesen Antrag zu ermöglichen. – Nach § 5 Nr. 1 der Geschäftsordnung der Bekl. seien Ort und Zeit einer ordentlichen Kammerversammlung acht Wochen zuvor bekannt zu geben und mit der Aufforderung zu verbinden, spätestens fünf Wochen vorher Anträge schriftlich einzureichen. Eine solche Mitteilung sei vorliegend nicht erfolgt. In einer allein auf der Internetseite der Bekl. eingestellten Mitteilung sei zudem eine zu kurze Einreichungsfrist für Anträge angegeben gewesen, was zur Folge gehabt habe, dass weitergehende Anträge des Kl. zu 2) zum „Seehaus“ nicht mehr eingereicht worden seien. In rechtlicher Hinsicht haben die Kl. im Wesentlichen ausgeführt: Die beschriebene Gestaltung der Einladung zur Kammerversammlung sei den rechtlichen Vorgaben nicht gerecht geworden. So sei nach § 87 I BRAO bei der Einberufung der Kammerversammlung der „Gegenstand“, über welchen Beschluss gefasst werden soll, anzugeben. Nach § 87 II BRAO dürften bei nicht ordnungsgemäßer Ankündigung keine Beschlüsse gefasst werden. Nach § 5 Nr. 4 GO müsse eine Einladung eine Tagesordnung beinhalten. Diese fehlerhafte Veröffentlichung könne die gesamte Kammerversammlung unwirksam machen, so dass diese mit sämtlichen weiteren Beschlüssen als nichtig anzusehen sei. Bei dem Tagesordnungspunkt „Aussprache über Berichte“ habe die Bekl. ihre Neutralitätspflicht verletzt, da ihr Präsident als „Betroffener“ die Aussprache geleitet und die Debatte wesentlich beeinflusst habe. Zudem seien die Mitglieder des Vorstandes der Bekl. nach § 88 IV 1 BRAO bei der Stimmabgabe ausgeschlossen gewesen, da sie von der Abstimmung selbst betroffen gewesen seien. Nachdem bereits bei der ersten Abstimmung zum Antrag bezüglich des „Seehauses“ ein sehr knappes Ergebnis gezählt worden sei und die letzte Abstimmung Stimmengleichheit ergeben haben soll, sei die Durchführung einer verlässlichen Abstimmungsvariante veranlasst gewesen, d.h. eine schriftliche Abstimmung oder eine solche per „Hammelsprung“. Nach dem geäußerten Verlangen auf schriftliche Abstimmung habe der Präsident der Bekl. entweder eine solche durchzuführen gehabt oder der Versammlung die Möglichkeit einräumen müssen, einen entsprechenden Antrag nach § 9 Nr. 3 der Geschäftsordnung der Bekl. zu stellen. Zu ihrer Klagebefugnis tragen die Kl. vor, dass die klagegegenständlichen Beschlussfassungen jedes Kammermitglied beträfen, da bisher alle das „Seehaus“ nutzen konnten und in Zukunft von der Nutzung ausgeschlossen sein sollen. Der Kl. zu 1) habe in der Kammerversammlung v. 3.5.2019 nach der Abstimmung zum Unterantrag 4 des klagegegenständlichen Antrags einen Antrag auf „schriftliche Abstimmung“ gestellt. Sein Verlangen auf nochmalige Abstimmung sei jedoch BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 111

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0