BRAK-Mitteilungen 2/2022

übergangen worden. Dass der „Antrag zum Seehaus“ in der Kammerversammlung behandelt werden sollte, sei ihm aufgrund der insoweit mangelhaften Tagesordnung mangels weiterer Lektüre der „Sondermitteilung“ unbekannt geblieben, bis er wenige Tage vor der Versammlung von Kollegen davon erfahren habe. Der Kl. zu 2) sei Mitantragsteller des klagegegenständlichen Antrags bzw. der 4 Unteranträge zum Seehaus. Die Kl. zu 1) bis 3) seien in der Kammerversammlung v. 3.5. 2019 anwesend gewesen. Die Kl. 4) bis 7) hätten an der Kammerversammlung teilgenommen, wenn sie vom klagegegenständlichen Antrag rechtzeitig Kenntnis erlangt hätten. Nachdem § 86 BRAO nicht zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kammerversammlungen unterscheide, seien außerordentliche Kammerversammlungen zulässig. Die Kammerversammlung 2019 sei entsprechend zu wiederholen. 2. Mit Schriftsatz v. 12.8.2019 hat die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie unter Vorlage des Geschäftsberichts des Präsidenten der Bekl. v. 3.5.2019 insb. vorgetragen: Die Bekl. habe das von ihr geerbte bzw. im Wege eines Vermächtnisses erhaltene „Seehaus“ in den 1980erJahren umgebaut, um den testamentarisch verfügten Zweckbestimmungen (Erholung, Alterssicherung und ähnliche Zwecke) zu dienen. Voraussetzung für die damaligen Planungen sei gewesen, dass die Betriebskosten durch die Einnahmen gedeckt würden, dies sei in den letzten zehn Jahren aber nicht mehr der Fall gewesen. Das „Seehaus“ sei von der Bekl. für Veranstaltungen, Besprechungen und Seminare bzw. Fortbildungsveranstaltungen und von den Rechtsanwälten des OLGBezirks für selbst organisierte Seminare, Konferenzen etc. genutzt worden. Auch habe es für Betriebsausflüge, kleinere private Veranstaltungen sowie für Ferienaufenthalte bzw. Kurzurlaube zur Verfügung gestanden. Tagsüber habe das „Seehaus“ nach Verfügbarkeit auch von Rechtsanwälten und deren Angehörigen zur „Naherholung“ und für Badeaufenthalte genutzt werden können. Die Nutzung und den Betrieb der Grundstücke des „Seehauses“ habe die Bekl. am 30.4.1985 durch einen Überlassungsvertrag dem „Seehausverein für Rechtsanwälte e.V.“ zur alleinigen Nutzung übertragen gemäß der Zweckbestimmung im Testament. In dem Überlassungsvertrag seien auch die Verteilung der Kosten zwischen dem Verein und der Kammer geregelt worden, wobei sich die Kammer verpflichtet habe, einen Betriebskostenzuschuss zu bezahlen, gedeckelt auf ein Prozent der eingegangenen Kammerbeträge. Im Jahr 2017 seien insoweit 25.000 Euro und 2016 insoweit 30.000 Euro an Betriebskostenzuschüssen von der Bekl. gezahlt worden. Daneben habe die Bekl. als Eigentümerin weitere Kosten, z.B. für Versicherung und Grundsteuer, zu erbringen. Die Betriebskostenzuschüsse der Bekl. hätten sich in den vergangenen zehn Jahren auf ca. 300.000 Euro summiert. Ein kostendeckendes Nutzungskonzept habe nicht gefunden werden können. Eine Vermögensverwaltung durch RAKn sei zwar zulässig, müsse aber wirtschaftlich und kostendeckend sein, dauerhafte Verluste müssten ausgeschlossen sein. Nunmehr stünden aufwendige Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an, die erhebliche Finanzmittel erfordern würden. Mitgliedsbeiträge dürfe die Kammer aber nur für die gem. § 89 BRAO gesetzlich vorgeschriebenen Kammeraufgaben verwenden. Insbesondere die Vermietung von Apartments und die Überlassung der Räume für private Feierlichkeiten seien aber kammerfremde Tätigkeiten. Auch in der Vermögensverwaltung dürfe die Bekl. Gelder und Mitgliedsbeiträge nur für ihren „legitimen Aufgabenbereich“ verwenden. Deswegen sei die Nutzung des „Seehauses“ rechtswidrig. Wenn es als Clubhaus genutzt werde, sei zudem Art. 7 der Bayerischen Haushaltsordnung zu prüfen. Daraus folge, dass ausgeschlossen sein müsse, dass kammerfremde Zwecke aus Beitragsmitteln finanziert werden. Die Nutzung des „Seehauses“ nur für Fortbildungen der Bekl. sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Aus Rechtsgründen habe daher nach Prüfung durch den Vorstand die Nutzung des „Seehauses“ eingestellt werden müssen. Der entsprechende einstimmige Beschluss des Vorstands sei rechtmäßig. Im Geschäftsbericht v. 3.5.2019 seien alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen dargestellt worden. Der Vorstand sei verpflichtet, eine rechtmäßige Nutzung des „Seehauses“ in Angriff zu nehmen und dafür ggfs. der Kammerversammlung entsprechende Anträge vorzulegen, soweit diese hierfür überhaupt zuständig wäre, denn die Vermögensverwaltung sei Sache des Präsidiums und nicht der Kammerversammlung. Die Einladung zur Kammerversammlung und die Mitteilung der Tagesordnung seien korrekt erfolgt. Die Aussprache sei zu Recht vom Präsidenten der Bekl. geleitet worden. Die Mitglieder des Vorstands und die Mitarbeiter der Bekl., bei denen es sich sämtlich um Kammermitglieder handele, seien berechtigt gewesen, an den Abstimmungen teilzunehmen, die Abstimmungen hätten nicht deren „eigene Angelegenheiten“ betroffen, ein Fall des § 34 BGB habe nicht vorgelegen. Die Zählung der Stimmen sei sorgfältig und korrekt erfolgt. Zweifel am Zählergebnis habe der Präsident nicht gehabt und nicht haben müssen, die Zählerinnen und Zähler seien sorgfältig ausgewählt gewesen. Es sei in der Versammlung nicht gerügt worden, dass die Auszählung fehlerhaft gewesen wäre oder sonst ein Mangel an der Abstimmung aufgetreten wäre. Ein Antrag von 25 Kammermitgliedern auf geheime Abstimmung gem. § 9 Nr. 3 GO sei nicht gestellt worden. Bei dem Zwischenruf „schriftliche Abstimmung“ habe es sich auch nicht um einen Antrag zur Geschäftsordnung gehandelt. Anträge zur Geschäftsordnung könnten jederzeit gestellt werden, sie müssten aber als solche erkennbar sein. Ein Zwischenruf oder eine Meinungsäußerung seien hierfür jedoch nicht ausreichend. BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 112

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