BRAK-Mitteilungen 1/2022

ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR SICHERE ÜBERMITTLUNG EINFACH SIGNIERTER DOKUMENTE AUS DEM beA RAVPV § 23 III 5; ERVV §§ 6, 8; ZPO § 130a III; VwGO § 55a I Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach i.S.d. § 55a III 1 Alt. 2, IV Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet. BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021 – 8 C 4.21 AUS DEN GRÜNDEN: [1] Die Revision des Kl. ist gem. § 144 I VwGO durch Beschluss in der Besetzung des Gerichts nach § 10 III Hs. 2 VwGO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Der Kl. hat die am 5.8.2021 abgelaufene Frist zur Begründung der Revision gem. § 139 III 1 Hs. 2 VwGO nicht gewahrt, weil er die Revisionsbegründungsschrift nicht rechtzeitig formwirksam eingereicht hat (1.). Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, liegen nicht vor (2.). [2] 1. Das am 5.8.2021 zur Revisionsbegründung übersandte elektronische Dokument konnte die Revisionsbegründungsfrist nicht wahren, weil es nicht formwirksam gem. § 55a III 1 VwGO übermittelt wurde. Wird ein Schriftsatz gem. § 55a I VwGO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht, muss er nach § 55a III 1 VwGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von ihr (mindestens einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 55a IV VwGO) eingereicht werden. Keine dieser Alternativen ist hier erfüllt. [3] Die elektronisch übermittelte Revisionsbegründung war ausweislich des Transfervermerks nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Sie wurde lediglich durch die grafische Wiedergabe der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Kl. einfach signiert. Die Revisionsbegründung wurde auch nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 55a III 1 Alt. 2 und IV VwGO übersandt. [4] a) Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach i.S.d. § 55a III 1 Alt. 2, IV Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.6.2021 – 3 Bs 130/21, juris LS 1 und Rn. 15; zur Parallelregelung in § 130a III 1 Alt. 2 ZPO ebenso BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20, NJW 2020, 2351 = juris Rn. 24; OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.4. 2019 – 11 U 146/18, NJW 2019, 2176 LS 3 und Rn. 63). Dagegen genügt nicht, dass eine andere Person – wie hier die Kanzleimitarbeiterin – die Versendung vornimmt. [5] Schon die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die den Schriftsatz verantwortende Person bei einer elektronischen Übermittlung zur Wahrung des Schriftformerfordernisses entweder qualifiziert elektronisch signieren oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss (BT-Drs. 17/12634, 25). Auch der systematische Gleichrang beider Tatbestandsalternativen des § 55a III 1 VwGO und der Zweck der Regelung, die Identität des Urhebers und die Authentizität des Dokuments zu sichern, sprechen für die eingangs dargestellte Auslegung. Sie gebieten, das Erfordernis des sicheren Übermittlungsweges in einer Weise zu konkretisieren, die jeweils zuverlässigen Schutz vor nicht autorisierten Versendungen oder Textmanipulationen bietet. Bei lediglich einfach signierten Dokumenten, die aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach übermittelt werden, ist dazu eine Versendung durch die Person erforderlich, die den Schriftsatz einfach signiert und damit verantwortet (BAG, Beschl. v. 5.6.2020 – 10 AZN 53/20, NJW 2020, 2351 Rn. 14, vgl. Rn. 27 f. und 32). Andernfalls wären unautorisierte Übermittlungen und Manipulationen des Textes nicht ausgeschlossen, weil der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs auch anderen Personen eine Zugangsberechtigung einräumen darf (vgl. § 31a III 3 BRAO; § 23 III RAVPV) und einfache Signaturen auch von solchen Personen angebracht werden können. Zwar darf der Inhaber des Postfachs das Recht zur Versendung nicht qualifiziert signierter elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 23 III 5 RAVPV nicht auf andere Personen übertragen. Eine Versendung durch sie ist aber technisch möglich (BAG, Beschl. v. 5.6.2021 – 10 AZN 53/20, NJW 2020, 2351 Rn. 21 und 26). [6] b) Die erforderliche eigenhändige Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Fehlt er, kann nicht von einem Eingang auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 55a III 1 Alt. 2 VwGO ausgegangen werden. [7] Der vHN ist eine fortgeschrittene, prüfbare elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 11 i.V.m. Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 S. 73); § 20 I 1 und III RAVPV; OVG Bremen, Beschl. v. 15.4.2020 – 1 B 32/20, juris Rn. 7). Er wird bei der Versendung eines elektronischen Dokuments aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach angebracht, wenn dessen Inhaber zur Übermittlung des Dokuments mit seiner persönlichen Kennung bei dem Verzeichnisdienst angemeldet war. In diesem Fall erscheint beim Eingang der NachBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 49

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