BRAK-Mitteilungen 1/2022

duzierte Strom wurde entgeltlich ins öffentliche Netz eingespeist. Im Oktober 2008 wurde die Beklagte durch die Klägerin auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Daraufhin rieten die Steuerberater dazu, die Anlage umzustellen und nur noch zum Eigenverbrauch zu nutzen, da andernfalls die Gewerbesteuerkürzung nicht erfolgen dürfe. Die Klägerin nahm die Anlage daraufhin vom Netz, so dass die Beklagte dann für das Jahr 2009 wieder erfolgreich die Kürzung beantragen konnte. Im Rahmen einer Betriebsprüfung beanstandete das Finanzamt die Steuerkürzung für das Jahr 2008 und forderte schließlich Steuern i.H.v. 477.005 Euro sowie Zinsen i.H.v. 114.480 Euro nach. Diese Positionen zuzüglich Verfahrenskosten für einen anschließenden Einspruch nebst Klage fordert die Klägerin nun von der beklagten Beratungsgesellschaft. Auf Basis der Feststellungen im Berufungsverfahren sah der BGH die relevante Pflichtverletzung darin, dass die Mitarbeiter der Beklagten nicht bereits im Rahmen der Vorbereitung der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2004 explizit nach Einnahmen aus der Photovoltaikanlage gefragt haben. Dann hätte schon seinerzeit die Empfehlung erfolgen müssen, die Anlage nicht mehr für die Einspeisung ins öffentliche Netz zu nutzen. Wäre die Klägerin dem dann im Laufe des Jahres 2005 nachgekommen, hätte sie richtigerweise ab 2006 die erweiterte Kürzung beantragen können. Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die in den Jahren 2004 und 2005 (endgültig wegen Festsetzungsverjährung) unberechtigten Steuervorteile behalten konnte und trotz gerichtlicher Hinweise insgesamt keinen Vermögensvergleich angestellt habe. So einfach hätte es sich aber das Berufungsgericht nach Ansicht des Senats nicht machen dürfen; die Schadenberechnung sei auch methodisch unrichtig, denn die angenommene Schadensumme sei zunächst um einen Mitverschuldensanteil von 30 % gekürzt worden, anschließend davon die Vorteile abgezogen worden, die sich durch die falsche Beratung ergaben. Richtigerweise hätte aber zuerst der Schaden berechnet und anschließend ein etwaiges Mitverschulden im Wege der Quotierung berücksichtigt werden müssen. Dabei unterscheidet der IX. Zivilsenat Vorteile, die dem Geschädigten durch das schädigende Ereignis unmittelbar – gleichsam spiegelbildlich – zufallen und die deshalb als Teil des Gesamtvermögensvergleichs unmittelbar in die Schadenberechnung mit einzubeziehen sind, von solchen Vorteilen, die sich nicht unmittelbar ergeben, sondern auf zusätzliche Umstände, möglicherweise auch zeitversetzt, zurückzuführen seien. Diese Vorteile könnten nur im Wege des Vorteilsausgleichs berücksichtigt werden – mit dem wichtigen Unterschied, dass hierfür der Schädiger beweispflichtig sei. Der BGH sieht in der Steuerkürzung für die Jahre 2004 und 2005 unmittelbare Vorteile. Halte man die Nachzahlung für das Jahr 2008 gegen diese Kürzungen, ergebe sich noch ein Schaden von knapp 30.000 Euro. Hiervon wiederum seien nun etwaige verbleibende Vorteile aus der Einspeisevergütung abzuziehen, die aber der Höhe nach noch zu ermitteln waren. Erst danach könne ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin angerechnet werden. Die Kritik, die der BGH hier an der Methodik der Schadenfestsetzung am Urteil des Berufungsgerichts (dem OLG Hamm) übt, ist schlüssig. Den Instanzgerichten wird es nicht erspart bleiben, die einzelnen Schritte so nachzuvollziehen und den Parteien auch entsprechende konkrete Hinweise zu geben. Daran fehlt es in der Tat sehr oft. Problematisch im Einzelfall wird die Unterscheidung sein zwischen einerseits den unmittelbaren Vorteilen, die im ersten Schritt zum Gesamtvermögensvergleich zählen, und den Vorteilen, die zum Vorteilsausgleich rechnen und durch den Schädiger zu beweisen sind. Wie schwierig die Umsetzung des Begriffspaars mittelbar/unmittelbar in die Praxis ist, wissen wir z.B. von Medicus.2 2 Medicus, Unmittelbarer und mittelbarer Schaden, 1977. Die Beweislast hat in der Praxis außerordentlich große Bedeutung. (bc) FREISTELLUNGSANSPRUCH ODER SCHADENSERSATZ IN GELD Hat der Schadensersatzgläubiger dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung gesetzt, dass er die Herstellung nach Ablauf der Frist ablehne, und ist die Frist fruchtlos abgelaufen, kann der Herstellungsanspruch in der Regel nicht mehr geltend gemacht werden. BGH, Urt. v. 23.9.2021 – IX ZR 118/20 Bei diesem Fall handelt es sich zugegebenermaßen um eine etwas spezielle Konstellation; wir wollen ihn Ihnen gleichwohl nicht vorenthalten. Durch ein vorausgegangenes BGH-Urteil3 3 BGH, Urt. v. 9.2.2018 – V ZR 299/14, WM 2018, 1753. stand bereits rechtskräftig fest, dass die Anwälte eine Pflichtverletzung begangen hatten, indem sie den Mandanten nicht geraten hatten, einen Rückauflassungsanspruch an einem Grundstück durch eine Vormerkung zu sichern, die sie im Wege einer einstweiligen Verfügung hätten erwirken können. Weiter stand bereits fest, dass der Schaden der Mandanten in der zwischenzeitlich erfolgten Belastung des Grundstücks mit einer Zwangssicherungshypothek bestand. Die Mandanten verlangten von den Anwälten zunächst die Freistellung von dieser Zwangshypothek und setzten ihnen hierfür eine Ausschlussfrist mit Ablehnungsandrohung. Streitgegenständlich war nun aber ein Antrag der Mandanten auf Verurteilung der Anwälte zur Freistellung. Diesem Antrag gab das OLG in der Berufungsinstanz statt. Der BGH hob das OLG-Urteil auf und verwies die Sache zurück. Ein Freistellungsanspruch nach § 249 I BGB könne von den Mandanten nicht mehr geltend gemacht werden, weil ihnen ein solcher nicht mehr zustehe. Dieser Anspruch sei aufgrund der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 S. 2 BGB in einen GeldersatzanJUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 27

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