BRAK-Mitteilungen 1/2022

3. Ist beim Anwaltsdienstvertrag aufgrund des Zeitablaufs das Interesse an der Dienstleistung weggefallen, besteht der Schaden des Dienstberechtigten darin, dass er mit einem Vergütungsanspruch belastet ist. Auch das Dienstvertragsrecht kennt „absolute Fixschulden“, deren Leistung allein durch erfolglosen Ablauf des letztmöglichen Leistungszeitpunkts objektiv unmöglich wird. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.10.2021 – I-24 U 265/20 In einem großen Schiedsverfahren wünschte der Aufsichtsrat der Mandantin auch eine anwaltliche Bewertung etwaiger strafrechtlicher Risiken in Bezug auf seine Zustimmung zu dem beabsichtigten Vergleich. Da die Verfahrensbevollmächtigen überwiegend im gesellschafts- und zivilrechtlichen Bereich tätig waren, vermittelten sie ein Mandat mit der Beklagten, die das strafrechtliche Gutachten erstellen sollte. Es wurde Ende Juli 2015 eine Vergütungsvereinbarung zu einem Pauschalbetrag von 46.000 Euro geschlossen. Das Gutachten sollte bis zum 10.8.2015 erstellt werden. Die Verfahrensbevollmächtigten verpflichteten sich ihrerseits gegenüber der Beklagten, den Sachverhalt in tatsächlicher und zivilrechtlicher Hinsicht aufzubereiten. Hierfür wurde mit der Beklagten eine Vergütung von 23.000 Euro vereinbart. Um diese ging es in dem Klageverfahren vor dem OLG Düsseldorf. Am 3.8.2015 erhielt die Beklagte die zur Bearbeitung erforderlichen Akten von dem vermittelnden Partner der Verfahrensbevollmächtigten, nicht hingegen wie vereinbart die Aufbereitung des Sachverhalts. Sie ließ sich daher die Frist verlängern; in einer zunächst für den 20.8. terminierten, dann auf den 27.8. verschobenen Aufsichtsratssitzung sollte sie das Gutachten jedenfalls mündlich erstatten. Am 15./16.8. trafen sich der vermittelnde Partner und die Beklagte zufällig auf der Straße, wo er ihr fälschlich mitteilte, die Aufsichtsratssitzung finde nicht statt. Erst am 25.8. nachmittags teilte er mit, dass die Sitzung doch stattfinde, und übersandte ein viereinhalbseitiges Memo. Die Beklagte hatte das Gutachten bis dahin ohne die Zuarbeit ausgearbeitet und erstattete es in der tatsächlich am 27.8. stattfindenden Aufsichtsratssitzung mündlich. Eine schriftliche Ausarbeitung datierte auf den 3.9.2015. Sie erhielt von der Partei des Schiedsverfahrens die vereinbarte Vergütung. Nun stellte auch die Verfahrensbevollmächtigte die Vergütung für die Zuarbeit in Rechnung. Die Beklagte lehnte dies ab, da es sich um eine (nichtige) Gebühr für eine Mandatsvermittlung gehandelt habe. Die vereinbarte Zuarbeit sei nicht erfolgt, da sie am 3.8. keinerlei Sachverhaltsaufbereitung erhalten habe, sondern erst am 25.8. das jedenfalls in diesem Zeitpunkt wertlose Memo. Es handele sich um einen Werkvertrag, den die Klägerin nicht erfüllt habe. Das Memo vom 25.8. enthalte nicht das vereinbarte Werk und sei darüber hinaus viel zu spät vorgelegt worden und schon deshalb unbrauchbar gewesen. Das OLG stellt zunächst fest, dass die vereinbarte Vergütung nicht für die Vermittlung des Mandats geschuldet war, somit keine unzulässige Provision darstellte. Vielmehr stimmt es dem erstinstanzlichen LG zu, dass es sich um einen Werkvertrag handelte. Geschuldet war – anders als in den meisten Mandaten – keine auf einen längeren Zeitraum angelegte Beratung, sondern lediglich die Zusammenstellung des Sachverhalts sowie dessen zivilrechtliche Aufbereitung. Demnach fänden die werkvertraglichen Regelungen Anwendung. Eine Abnahme durch die Beklagte sei nicht erfolgt und die geschuldete Leistung sei auch nicht abnahmereif erbracht worden. Aufgrund Zeitablaufs bestehe nach Erstattung des Gutachtens auch kein Bedarf mehr für die vereinbarte Zuarbeit. Es habe sich angesichts der vorgegebenen Termine um ein absolutes Fixgeschäft gehandelt. Könne aufgrund des Zeitablaufs der Leistungszweck nicht mehr erreicht werden, trete mit ihm Unmöglichkeit ein,1 1 BGH, Urt. v. 20.5.2021 – VII ZR 38/20. so dass gem. §§ 275 I 1, 326 I 1 BGB der Anspruch auf die Gegenleistung entfalle. Der Senat ergänzt noch, dass selbst wenn man nicht von einem Werk-, sondern von einem Anwaltsdienstvertrag ausginge, der Vergütungsanspruch entfalle. Im Gegensatz zu einer Schlechtleistung, bei der die vereinbarte Vergütung gleichwohl geschuldet wird, sei hier die Leistung nicht rechtzeitig erbracht worden, sie sei nicht nachholbar und damit ebenfalls unmöglich. Auch im Dienstvertragsrecht gebe es absolute Fixschulden. Dass anwaltliche Leistungen allein wegen Zeitablaufs unbrauchbar sind, stellt eher die Ausnahme dar; wer seine Mandate allzu lange schlummern lässt, sollte sich die Frage aber gelegentlich einmal stellen. (ju) SCHADEN, VORTEILSAUSGLEICH UND MITVERSCHULDEN Führt eine fehlerhafte steuerliche Beratung zu steuerlichen Vorteilen, die dem Mandanten wegen Festsetzungsverjährung verbleiben, können diese Vorteile bei wertender Betrachtung im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs schadensmindernd anzurechnen sein. BGH, Urt. v. 21.10.2021 – IX ZR 9/21, VersR 2022, 1117 Bei der Klägerin handelt es sich um eine vermögensverwaltende Immobiliengesellschaft. Ab Anfang 2005 sollte die beklagte Steuerberatungsgesellschaft die umfassende steuerliche Beratung und Betreuung übernehmen, insb. auch den Jahresabschluss einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung sowie Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 2004 fertigen. Bis dahin hatte die Klägerin ungekürzte Gewerbesteuer auf die Mieteinnahmen gezahlt. Nach Übernahme des Mandats beantragte die Beklagte die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in der damals geltenden Fassung. Nach einem Einspruchsverfahren wurde die Gewerbesteuer dementsprechend gekürzt festgesetzt, auch für die Folgejahre. Bereits seit 2003 betrieb die Klägerin auf dem Dach ihrer Immobilie eine Photovoltaikanlage; der damit proBRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 AUFSÄTZE 26

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