BRAK-Mitteilungen 6/2021

[26] (3) Nach diesen Maßstäben umfasst die Tätigkeit der Bekl. nicht nur die Programmierung und die Bereitstellung der Software, sondern auch die Verwendung des Computerprogramms zur Generierung eines Rechtsdokuments. Ihre Dienstleistung gegenüber dem Kunden besteht darin, mithilfe der Software ein individuelles Rechtsdokument zu erstellen. Die Programmierung und Bereitstellung des Rechtsdokumentengenerators und die Erzeugung des Rechtsdokuments mithilfe des Generators können daher nicht in eigenständige Vorgänge aufgespalten werden, sondern sind unselbstständige Bestandteile einer einheitlichen Tätigkeit der Bekl. im Rahmen ihres softwarebasierten Online-Angebots „smartlaw“ (vgl. Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 57 f.; ders., BRAK-Mitt. 2018, 231, 232; Plog/Lose, AnwBl. Online 2021, 131; Rack, CB 2021/Sonderbeilage 1, S. 10; Timmermann/Hundertmark, RDi 2021, 269 Rn. 28; Krenzler/Krenzler a.a.O. § 2 Rn. 14 und 44; a.A. Wormit, InTeR 2021, 22, 24 f.). Insofern ist es unerheblich, dass die Bekl. das vom Nutzer gewünschte Rechtsdokument nicht persönlich erstellt, sondern sich hierzu des technischen Hilfsmittels der von ihr programmierten und bereitgestellten Software bedient (vgl. Wettlaufer, MMR 2018, 55; Dahns, NJW-Spezial 2019, 766; Krenzler, BRAK-Mitt. 2020, 119, 120; Wessels, MMR 2020, 59; a.A. Deckenbrock/Henssler, in Deckenbrock/ Henssler a.a.O. § 2 Rn. 54b). [27] cc) Durch die Erstellung eines Vertragsdokuments mithilfe des Generators „smartlaw“ wird die Bekl. jedoch nicht i.S.d. § 2 I RDG in konkreten fremden Angelegenheiten tätig. [28] (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, das keine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten Programmieren und Bereitstellen des Computerprogramms erfolgten nicht in einer konkreten Angelegenheit, weil sie sich nicht auf einen tatsächlichen Fall, sondern auf eine Vielzahl fiktiver Fälle bezögen. Die Anwendung des Programms durch den Nutzer geschehe zwar in einem konkreten Einzelfall, aber in seiner eigenen Sache. Sie sei der Bekl. nicht als Tätigkeit in fremder Angelegenheit zuzurechnen, weil der von ihr angebotene Rechtsdokumentengenerator keine Gefahr begründe, vor der das Rechtsdienstleistungsgesetz schützen wolle. Indem der Anwender mithilfe des Programms selbst ein Rechtsdokument erstelle, erledige er unter Verwendung eines Hilfsmittels – wie beim Gebrauch eines Vorstücks oder eines Formularhandbuchs – eine eigene Rechtsangelegenheit in eigener Verantwortung, ohne dass er eine rechtliche Beratung bei der Formulierung des Rechtsdokuments erwarte. [29] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Ihr liegt zwar die unzutreffende Annahme zugrunde, die Tätigkeit der Bekl. erschöpfe sich in der Programmierung und Bereitstellung des Computerprogramms. Auch unter Einbeziehung der digitalen Erzeugung des Vertragsdokuments ist das Online-Angebot „smartlaw“ der Bekl. jedoch nicht auf die Bearbeitung einer konkreten fremden Angelegenheit des Nutzers gerichtet. [30] (2) Bei der Erstellung des vom Nutzer gewünschten Vertragsdokuments handelt es sich allerdings um eine fremde Angelegenheit. Ob die Tätigkeit sich auf eine eigene oder auf eine fremde Angelegenheit bezieht, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 26 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; GRUR 2021, 758 Rn. 32 – Rechtsberatung durch Architektin; vgl. auch BT-Drs. 16/3655, 48). Wird der Handelnde primär im fremden wirtschaftlichen Interesse tätig und verfolgt lediglich mittelbar ein wirtschaftliches Eigeninteresse, liegt eine fremde Rechtsangelegenheit vor (vgl. BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 26 klagten zielt darauf ab, dem Kunden ein anhand seiner Vorgaben erzeugtes Vertragsdokument zur Verfügung zu stellen, das er für seine persönlichen Zwecke einsetzen kann. Die Anfertigung des Rechtsdokuments dient damit in erster Linie dem wirtschaftlichen Interesse des Nutzers, auch wenn die Bekl. mit Blick auf die dafür anfallende Vergütung mittelbar ein eigenes finanzielles Interesse verfolgt. [31] (3) Durch die Erzeugung des vom Anwender gewünschten Dokuments wird die Bekl. jedoch nicht in einer konkreten Angelegenheit i.S.d. § 2 I RDG tätig. [32] Die als Rechtsdienstleistung einzuordnende Tätigkeit muss auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet sein. Entscheidend ist, ob es sich um eine nicht fingierte, sondern wirkliche, sachverhaltsbezogene Rechtsfrage einer bestimmten ratsuchenden Person handelt (BT-Drs. 16/3655, 48; zu Art. 1 § 1 RBerG BGH, Urt. v. 13.12. 1955 – I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 – Ratgeber). Durch das Tatbestandsmerkmal der konkreten Angelegenheit sollen Konstellationen ausgeschieden werden, in denen nur ein fiktiver oder abstrakter Fall zu beurteilen ist (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 30 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Das Angebot von standardisierten Rechtsdokumenten oder von fertigen Textbausteinen, etwa in einem Formularhandbuch, ist nicht auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet (Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 58; Wormit, InTeR 2021, 22, 25; Krenzler/Krenzler, a.a.O., § 2 Rn. 43). Auch die Unterstützung beim Ausfüllen eines dem Kunden überlassenen, alle wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte vorgebenden Formulars in Form der Abfrage und Einfügung von tatsächlichen Sachverhaltsangaben stellt keine Rechtsdienstleistung in einem konkreten Fall dar (vgl. zur rechtlichen Prüfung des Einzelfalls OLG Karlsruhe, WRP 2010, 1553, 1554 [juris Rn. 14]). [33] (4) Nach diesen Kriterien befasst sich die Bekl. bei der softwarebasierten Erzeugung eines Vertragsentwurfs nicht mit einer konkreten Angelegenheit. Die Generierung des Dokuments erfolgt nicht auf der Grundlage eines der Bekl. von einer bestimmten Person unterbreiteten konkreten Sachverhalts. [34] Das hierzu verwendete Computerprogramm ist nicht auf einen individuellen realen Fall zugeschnitten, BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 399

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