BRAK-Mitteilungen 5/2021

üblichem Umfang eigene Mandate zu bearbeiten und hieraus die Kosten seiner Kanzlei zu decken. [69] dd) Rechtsanwältin Ka.W. war – wie die Beigelade- ne – im Vertretungszeitraum nicht Gesellschafterin der Kanzlei K. & D., so dass im Hinblick auf ihre Tätigkeit ebenfalls der Ansatz eines Kanzleikostenanteils nicht in Betracht kommt. [70] d) Die Höhe des – nach den vorstehenden Ausfüh- rungen nur in Bezug auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt A.W. festzusetzenden – Kanzleikostenanteils bestimmt sich nach dem Zeitraum, während dessen er in Folge der Vertretung nicht in der Lage war, durch die Bearbei- tung eigener Mandate die in diesem Zeitraum anfallen- den Kosten seiner Kanzlei zu decken. Hieraus ergibt sich vorliegend ein Kanzleikostenanteil von 1.260 Euro (36 Std. x 35 Euro). [71] 7. Soweit der Kl. die Auffassung vertritt, bei der Be- messung der für den Vertreter festzusetzenden Vergü- tung sei der in dem Vergütungszeitraum von dem Ver- tretenen erzielbare Gewinn zu berücksichtigen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es ist nicht die vorrangi- ge Aufgabe des amtlich bestellten Vertreters, einen Ge- winn oder einen bestimmten Umsatz zugunsten des Vertretenen zu erwirtschaften, sondern die Interessen der Mandanten des Vertretenen wahrzunehmen, diese zu schützen und eine geordnete Rechtspflege in den Verfahren des vertretenen Rechtsanwalts zu gewähr- leisten (vgl. Dahns, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., § 53 Rn. 45). Findet etwa der Vertreter in der Kanzlei des Ver- tretenen eine desolate Büroorganisation vor oder ko- operiert der Vertretene nicht, darf es dem Vertreter nicht zum Nachteil gereichen, wenn in dem Vergütungs- zeitraum – trotz eines hohen Vertretungsaufwands – kein oder nur ein geringer Gewinn erzielt werden kann. [72] In der Literatur wird teilweise – über die bisher in der Senatsrechtsprechung anerkannten Bemessungskri- terien hinaus – die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vertretenen als Kriterium für die Bemessung der Vergü- tung des Vertreters nach § 53 X 4, 5 BRAO vorgeschla- gen ( Weyland/Nöker , a.a.O., § 53 Rn. 80d; Joachim, in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl., § 53 BRAO Rn. 149). Der Vertretene soll durch die Vertretung nicht in den finanziellen Ruin getrieben werden, sondern sei- ne Kanzlei nach Ende der Vertretung weiterführen kön- nen. [73] Ob diesem Ansatz zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn der Kl. hat bereits nicht vor- getragen, dass er im Hinblick auf die von der Bekl. fest- gesetzte Vergütung nicht leistungsfähig ist. Dement- sprechend kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass ihm in Bezug auf die vorstehend ermittel- te – geringere – Höhe der Vergütung die finanzielle Leistungsfähigkeit fehlt. [74] 8. Nach alledem ergibt sich eine festzusetzende Vergütung von 10.432,70 Euro netto (9.172,70 Euro zzgl. 1.260 Euro Kanzleikostenanteil) und mithin eine solche von 12.414,91 Euro brutto. HINWEISE DER REDAKTION: Nach § 53 I BRAO muss ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen, wenn er länger als eine Woche da- ran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben oder sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will. Durch die jüngst in Kraft getretene Neufassung des § 53 BRAO ist die Anzeigepflicht abgeschafft wor- den. Mit dem Wegfall der Anzeigepflicht ist auch die Einräumung eines Zugangs zum besonderen elektroni- schen Anwaltspostfach (beA) des vertretenen Berufs- trägers durch die BRAK nach § 25 III RAVPV entfallen. Durch § 54 II BRAO wird nunmehr klargestellt, dass Rechtsanwälte künftig selbst die Pflicht trifft, ihrer Ver- tretung zumindest die Rechte an ihrem beA einzuräu- men, die zwingend erforderlich sind, damit diese den Aufgaben einer Vertretung nachkommen kann. FESTSETZUNG DER VERGÜTUNG EINES VERTRETERS II BRAO §§ 53 X, 161 * 1. Der Ansatz eines Kanzleikostenanteils als zu- sätzlicher Bestandteil der gem. § 53 X 4 und 5 BRAO festzusetzenden angemessenen Vergütung kann ge- rechtfertigt sein, wenn ein selbstständiger Rechts- anwalt mit eigener Kanzlei zum Vertreter bestellt wird und eine Vertretungstätigkeit von erheblichem Umfang erforderlich ist. * 2. In einem solchen Fall können die Kosten der Kanzlei des als Vertreter bestellten selbstständigen Rechtsanwalts aus einer auf der Grundlage eines an- gestellten Gehalts berechneten Vergütung regelmä- ßig nicht gedeckt werden. Er müsste im wirtschaft- lichen Ergebnis die Vertretung vollständig oder weit- gehend vergütungsfrei übernehmen, da er die festge- setzte Vergütung zur Deckung der Kosten der eige- nen Kanzlei benötigt. Dies ist ihm nicht zumutbar. * 3. Eine seinen Interessen hinreichend Rechnung tra- gende Vergütung hat daher grundsätzlich neben einer – seine Tätigkeit unmittelbar abgeltenden – Ver- gütung im engeren Sinne auch einen Betrag zum Aus- gleich der ihm für den Betrieb der eigenen Kanzlei im Vertretungszeitraum entstehenden Kosten zu enthal- ten. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertretungstä- tigkeit die Arbeitszeit des Vertreters nur in geringem Umfang in Anspruch nimmt, so dass er eigene Man- date in üblichem Umfang weiter bearbeiten und hier- aus die Kosten seiner eigenen Kanzlei decken kann. BGH, Urt. v. 3.5.2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 3.5.2021 – AnwZ (Brfg) 52/19, BRAK-Mitt. 2021, 328 (in diesem Heft). ABWICKLUNG UND VERTRETUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 337

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