BRAK-Mitteilungen 5/2021

den Ansatz einer Kanzleikostenpauschale in seinem Urt. v. 29.11.2010 (a.a.O.) damit begründet, dass aus dem Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts – als Aus- gangspunkt für die Bemessung der Vertretervergütung – nicht die Kosten der Kanzlei gedeckt werden müssten, in der er angestellt sei. Ein in eigener Kanzlei selbststän- diger Rechtsanwalt müsse dagegen aus seiner Vergü- tung nicht nur seinen Gewinn erwirtschaften, sondern auch die Kosten seiner Kanzlei tragen, die er auch wäh- rend der Zeit der Vertretertätigkeit aufbringen müsse, ohne dass in diesem Zeitraum entsprechende Einnah- men erwirtschaftet werden könnten. [62] b) Der Ansatz eines Kanzleikostenanteils als zu- sätzlicher Bestandteil der gem. § 53 X 4, 5 BRAO festzu- setzenden angemessenen Vergütung erscheint gerecht- fertigt, wenn ein selbstständiger Rechtsanwalt mit eige- ner Kanzlei zum Vertreter bestellt wird und eine Vertre- tungstätigkeit von erheblichem Umfang erforderlich ist. In einem solchen Fall können die Kosten der Kanzlei des als Vertreter bestellten selbstständigen Rechtsanwalts aus einer auf der Grundlage eines Angestelltengehalts berechneten Vergütung regelmäßig nicht gedeckt wer- den. Er müsste im wirtschaftlichen Ergebnis die Vertre- tung vollständig oder weitgehend vergütungsfrei über- nehmen, da er die festgesetzte Vergütung zur Deckung der Kosten der eigenen Kanzlei benötigt. Dies ist ihm nicht zumutbar. Eine seinen Interessen hinreichend Rechnung tragende Vergütung hat daher grundsätzlich neben einer – seine Tätigkeit unmittelbar abgeltenden – Vergütung im engeren Sinne auch einen Betrag zum Ausgleich der ihm für den Betrieb der eigenen Kanzlei im Vertretungszeitraum entstehenden Kosten zu enthal- ten. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertretungstä- tigkeit die Arbeitszeit des Vertreters nur in geringem Umfang – vergleichbar mit einer begrenzten Anzahl von zu leistenden Überstunden – in Anspruch nimmt, so dass er eigene Mandate in üblichem Umfang weiterbe- arbeiten und hieraus die Kosten seiner eigenen Kanzlei decken kann. [63] Ein Kanzleikostenanteil kann auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht berücksichtigt werden, soweit es sich bei dem bestellten Vertreter um einen angestellten Rechtsanwalt ohne eigene Kanzlei handelt. Denn ein solcher Vertreter hat nicht die Kosten einer Rechtsanwaltskanzlei zu tragen, so dass der Grund für den Ansatz des in der Rechtsprechung des AGH entwickelten Vergütungsbestandteils eines Kanz- leikostenanteils entfällt. Etwas anderes gilt auch nicht für den Fall, dass ein als Vertreter bestellter Rechtsan- walt persönliche und sächliche Mittel der Kanzlei in An- spruch nimmt, bei der er angestellt ist. Denn die hier- durch ggf. entstehenden Kosten könnten, träfen sie – et- wa aufgrund einer Vereinbarung mit den Inhabern der Kanzlei – den Vertreter, nicht als Bestandteil der von der RAK festzusetzenden Vergütung des Vertreters von diesem eingefordert werden. Hinsichtlich solcher Auf- wendungen steht dem Vertreter vielmehr ausschließlich ein Erstattungsanspruch gem. § 53 IX 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB gegen den Vertretenen zu, der vor den or- dentlichen Gerichten geltend zu machen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24.10.2003 – AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362, 367 f.; März , BRAK-Mitt. 2009, 162, 163; Wey- land/Nöker , a.a.O. Rn. 49 ff.; Dahns , in Gaier/Wolf/Gö- cken, a.a.O., § 53 Rn. 54 f.). [64] Der zusätzliche Ansatz eines Kanzleikostenanteils führt entgegen der Auffassung des Kl. nicht zu einer doppelten Vergütung der Tätigkeit des Vertreters. In An- betracht der „weiterlaufenden“ Kosten der Kanzlei des Vertreters sollen vielmehr lediglich diese abgedeckt werden. [65] c) aa) Hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen selbst kann danach kein Kanzleikostenanteil berück- sichtigt werden. Denn die Beigeladene war, wie sie mit Schriftsatz v. 8.2.2021 mitgeteilt hat, – entgegen der Annahme des AGH (vgl. S. 17 Abs. 2 des angefochte- nen Urteils; „Beigeladene und ihre Sozien“ hätten „ihre Kanzleikosten nicht aus eigenen Mandaten ... erwirt- schaften können“) – nicht Gesellschafterin der Sozietät K. & D. (vgl. auch Bescheid der Bekl. v. 28.2.2018, S. 34 unter III.). [66] bb) Ein Kanzleikostenanteil ist hingegen im Hin- blick auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt A.W. anzuset- zen. Dieser wurde zwar von der Bekl. nicht zum Vertre- ter des Kl. bestellt. Die Bestellung der Beigeladenen wird in dem Bescheid der Bekl. v. 12.12.2017 (S. 4) je- doch ausdrücklich damit begründet, dass sie in Anse- hung der Kanzleisituation und der Struktur der Ge- samtsozietät K. & D. über deutlich höhere Kapazitäten zur Bewältigung der Mächtigkeit des aufzuarbeiten- den Volumens verfügen könne als der vom Kl. als Ver- treter vorgeschlagene Rechtsanwalt M. als Einzelan- walt. Damit zielte die Vertreterbestellung v. 12.12. 2017 von Anfang an auf eine Einbeziehung der weite- ren Berufsträger der Kanzlei K. & D. – einschließlich ih- rer Sozien – in die Vertretungstätigkeit der Beigelade- nen. Dann aber ist hinsichtlich der Sozien dieser Kanz- lei auch ein Kanzleikostenanteil anzusetzen, soweit sie – aus Sicht des Bestellungsbescheides: planmäßig – mit Untervollmacht Vertretungstätigkeit in erheb- lichem Umfang wahrgenommen haben und hierdurch daran gehindert worden sind, eigene Mandate zu be- arbeiten. [67] Letzteres ist im Hinblick auf Rechtsanwalt A.W. als Sozius der Kanzlei K. & D. der Fall. Er hat ausweislich des von der Beigeladenen mit ihrem Vergütungsantrag vorgelegten Tätigkeitsnachweises innerhalb des – unter Berücksichtigung der Feiertage – etwa einmonatigen Vergütungszeitraums Vertretungstätigkeiten im Um- fang von rund 36 Stunden (2.164 Min.) wahrgenom- men, während derer er eigene Mandate nicht weiterbe- arbeiten und hieraus die Kosten seiner Kanzlei decken konnte. [68] cc) Dagegen scheidet der Ansatz eines Kanzleikos- tenanteils im Hinblick auf die Tätigkeit von Rechtanwalt Ch.K. aus. Dieser war während des Vergütungszeit- raums nur in einem Umfang von rund sieben Stunden (426 Min.) tätig. Hierdurch war er nicht gehindert, in BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 336

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