BRAK-Mitteilungen 4/2020

die schlechteste Reputation verfügt. 126 126 Schmidt , Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 56 I und Windbichler , Gesellschafts- recht, 24. Aufl. 2017, § 73 Rn. 4. Für einen Beruf, der in erster Linie mit dem in ihn gesetzten Vertrauen handelt, ist dies sicherlich schon aus diesem Grund nicht völlig unproblematisch. Weiter will man die sozie- tätsfähigen Berufe erweitern und Fremdkapital zulas- sen. Die rechtspolitische Diskussion blendet wesentliche Fra- gestellungen aus und begnügt sich stattdessen vielfach mit der nicht weiter dechiffrierten Floskel des nicht mehr Zeitgemäßen oder Modernen. 127 127 Lesenswert hierzu, wenngleich in anderem Zusammenhang, zu den Motivations- lagen von Reformdiskussionen, Gräditz, in Burgi, Zur Lage der Verwaltungsrechts- wissenschaft, Beiheft 12 zu „Die Verwaltung“, Berlin 2017, 105, 123 f., der von intellektueller Langeweile spricht. Welche Rückwir- kungen diese Tekturverschiebungen auf den Zugang zum Recht und das anwaltsgerichtliche Sanktionsrecht haben, bleibt ausgeblendet. Ein System, welches darauf aufbaut, dass die Rechtsanwälte als Organ der Rechts- pflege intrinsisch motiviert den Zugang zum Recht durch Quersubventionierung vermitteln, muss durch die innere Logik des Kapitalgesellschaftsrechts Schaden nehmen. Dass der Schaden nur noch nicht so sichtbar ist und sich in bestimmten Grenzen hält, verdankt das System vor allem der weitaus überwiegenden Mehrheit von Rechtsanwälten, die ihren Beruf als Einzelanwalt oder GbR ausüben. 128 128 Einzelunternehmen: 45.416 Rechtsanwälte; Personengesellschaften: 10.792 Rechtsanwälte; Kapitalgesellschaften: 942; sonstige Rechtsformen: 3.147. Als LLP waren 2017 nur 155 in Deutschland tätig. Zu den Zahlen Kilian/Dreske , Statisti- sches Jahrbuch der Anwaltschaft, 2017/2018, 138 ff. Insgesamt stellt sich aber die Frage, ob eine völlig un- gleiche Lastenverteilung 129 129 Hierzu Wolf , in FS BRAK, 2019, 169. zwischen den vielen, meist kleineren Einheiten, die den Zugang zum Recht durch Quersubventionierung, Prozesskostenhilfe, Pflichtvertei- digung und Beratungshilfe sicherstellen, und denjeni- gen, die sich dieser gemeinschaftlichen Aufgabe der Anwaltschaft entziehen, nicht anders organisiert wer- den muss. Die Zuteilung von Recht darf nicht nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung erfolgen, es ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. 130 130 Kirchhof/ Kirchhof , Gemeinwohl und Wettbewerb, 2004, 9. Wird das System der Belastungsgerechtigkeit zwischen denjenigen, die einen streitwertunabhängigen Zugang zum Recht sicherstel- len, und denjenigen, die sich dieser Gemeinschaftsauf- gabe entziehen, endgültig unwuchtig, bliebe nur der Weg in die Umlagenfinanzierung. Das berufsrechtliche Sanktionssystem muss dringend an die durch die Verbandsstrukturen geschaffenen neu- en Gefährdungen der anwaltlichen Berufspflichten an- gepasst werden. Die GewO und §§ 9, 30, 130 OWiG sind eingeübte Muster, die im anwaltlichen Umfeld nur nicht greifen, weil das Sanktionssystem im anwaltlichen Berufsaufsichtsrecht über die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen greift und nicht über die Ordnungswidrig- keitsstraftatbestände des besonderen Wirtschaftsver- waltungsrechts vermittelt wird. Hier muss dringend die Geschäftsführung und die juristische Person Adressat der Berufspflichten und Sanktionen werden. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS* * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar bei der Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG AUSKUNFTSANSPRUCH DES RECHTSSCHUTZ- VERSICHERERS 1. Dem Rechtsschutzversicherer, der einen Prozess vorfinanziert hat, steht zur Ermittlung eines mög- lichen Herausgabeanspruchs ein Auskunftsan- spruch gegen den durch seinen Versicherungsneh- mer beauftragten Rechtsanwalt zu. 2. Finanziert der Rechtsschutzversicherer mit Einver- ständnis seines Versicherungsnehmers einen Pro- zess und überlässt der Mandant dem beauftragten Rechtsanwalt den Verkehr mit dem Rechtsschutz- versicherer, ist von einer konkludenten Entbindung des Rechtsanwalts von der Verschwiegenheitsver- pflichtung durch den rechtsschutzversicherten Man- danten auszugehen, soweit es die Abrechnung des Mandats betrifft. BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 90/19, u.a. MDR 2020, 485; NJW 2020, 1585; VersR 2020, 476, r+s 2020, 276; WM 2020, 527 JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 195

RkJQdWJsaXNoZXIy MTE1Mzg3