BRAK-Mitteilungen 4/2020

Die Klägerin forderte als Rechtsschutzversicherer, der die Kosten des beklagten Anwalts des Mandanten/Ver- sicherungsnehmers getragen hatte, vom Anwalt Aus- kunft über den Sachstand des von diesem für den Versi- cherungsnehmer geführten Verfahrens. Einen Teil der vom Versicherer getragenen Kosten hatte der Anwalt ohne weitere Informationen zurückerstattet. Anfragen der Klägerin hinsichtlich des Sachstands beantwortete der Anwalt nicht. Nach Klageerhebung erteilte der An- walt Auskunft. Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, hielt aber ihren Klagean- trag auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskos- ten aufrecht. Das AG gab der Klage insofern statt. Die Berufung und die vom LG zugelassene Revision des be- klagten Anwalts blieben erfolglos. Der Rechtsschutzversicherer sei aus übergegangenem Recht nach § 86 I 1 VVG Inhaber des sonst dem Man- danten gegen seinen Anwalt zustehenden Auskunftsan- spruchs nach § 666 BGB. Auch ein etwaiger prozessua- ler Kostenerstattungsanspruch des Mandanten/Rechts- schutz-Versicherungsnehmers gegen seinen Prozessgeg- ner sei nach § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen. Leiste der Prozessgegner an den Anwalt, bestehe gegen diesen ein Herausgabeanspruch des Mandanten nach §§ 675 I, 667 BGB, der ebenfalls nach § 86 VVG auf den Versicherer übergehe. Diesem Her- ausgabeanspruch folge der Auskunftsanspruch als Hilfsrecht analog §§ 412, 401 BGB. Diesem Übergang des Auskunftsanspruchs könne der Anwalt auch nicht seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht aus § 43a II BRAO entgegenhalten. Indem ein Mandant von seinem Rechtsschutzversicherer einen Prozess vorfinanzieren lasse und seinem Anwalt den Verkehr mit dem Versiche- rer überlasse, entbinde er den Anwalt konkludent von dessen Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Versi- cherer hinsichtlich der Abrechnung des Mandats, da der Anwalt nur auf diese Weise den Auftrag des Mandanten und dessen Auskunftspflicht seinem Rechtsschutzversi- cherer gegenüber sachgerecht erfüllen könne. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Die konkludente Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht des An- walts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer ent- spricht auch der wohl überwiegenden, wenn auch nicht einhelligen Meinung. 1 1 Vgl. LG Heidelberg, ZfSch 2017, 160; LG Bochum, JurBüro 2012, 536; LG Düssel- dorf, r+s 2000, 157; OLG Düsseldorf, VersR 1980, 231; Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43a Rn. 70; Kilian/Koch , Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., Rn. 890; Hambloch , JurBüro 2013, 623; Schons , AGS 2012, 323, 324; van Bühren , NJW 2007, 3606, 3609; a.A. Weyland , BRAO, 10. Aufl., § 43a Rn. 25a m.w.N. (hg) MANDATSNIEDERLEGUNG ERST NACH ANDROHUNG 1. Ein Anwalt kann unter dem Gesichtspunkt „Inte- ressenwegfall“ seinen Vergütungsanspruch verlie- ren, wenn er in einem schwierigen Mandatsverhält- nis seinem Mandanten bei Nichtzahlung eines Vor- schusses vor der Kündigung keine Kündigungs- androhung unter Verdeutlichung der Folgen zukom- men lässt. 2. Schreiben des Mandanten ohne Einschaltung sei- nes Anwaltes an das Gericht können nur in Ausnah- mefällen als schwerwiegende Pflichtverletzungen angesehen werden. LG Bremen, Urt. v. 29.5.2020 – 4 S 102/19 Es ging nur um 1.159,60 Euro, aber vermutlich darf sich der BGH dennoch mit der Sache befassen, denn das LG Bremen als Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Der Fall ist interessant, weil er verschiede- ne Facetten des Verhältnisses zwischen Anwalt und Mandant anschaulich aufzeigt. Der Anwalt wurde im Zusammenhang mit der Geltend- machung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsan- sprüchen mandatiert. Hier im Streit steht die Vergütung aus diesem Mandat für die Prozessführung bezüglich der Zahlungsklage gegen den Erben. Die Vergütung ver- weigerte der Mandant mit der Begründung, der Anwalt habe das Mandat unberechtigt vorzeitig niedergelegt, so dass er einen neuen Prozessbevollmächtigten man- datieren musste. Wegen Interessenwegfalls habe der erste Anwalt keinen Anspruch auf Zahlung der Gebüh- ren (§ 628 I 2 BGB). Was war geschehen? Der Ablauf des Mandats wird manchem Kollegen bekannt vorkom- men: Der Anwalt hatte auftragsgemäß für den Man- danten Klage erhoben. Im Verfahren musste ein Gut- achten zum Wert des in den Nachlass fallenden Gebäu- des eingeholt werden. Den hierfür angeforderten Kos- tenvorschuss zahlte der Mandant schon mal nicht, wes- halb es zu einem Versäumnisurteil kam. Erst im Ein- spruchsverfahren zahlte er. Immerhin drei Jahre nach Mandatsbeginn, aber noch vor dem Termin stellte der Rechtsanwalt dann eine – nicht als Vorschuss deklarier- te – Rechnung über Verfahrens- und Terminsgebühr, die der Mandant trotz entsprechenden Mahnschreibens ebenfalls nicht beglich. Der Mandant war zudem offen- bar der Meinung, dass sein Anwalt die von ihm für we- sentlich gehaltenen Tatsachen unzureichend schriftsätz- lich vortrug, weshalb er zwei Mal selbst Schriftsätze an das Amtsgericht verfasste, in denen er unter Umge- hung seines Anwalts seine Meinung kund tat. Darauf- hin kündigte der Anwalt das Mandat. Im Gegensatz zum AG Bremerhaven sieht das LG Bre- men hierin kein vertragswidriges Verhalten des Mandan- ten, das den Anwalt zur Mandatskündigung berechtigt bzw. den Verlust des Vergütungsanspruchs verhindert hätte. Da die finanziellen Folgen für den Mandanten er- heblich sein können, setze ein „vertragswidriges Verhal- ten“ i.S.v. § 628 I 2 BGB eine schwerwiegende Pflichtver- letzung voraus. Grundsätzlich müsse der Anwalt sach- liche, auch unberechtigte Kritik hinnehmen, auch wenn der Mandant seine Interessen mit Nachdruck oder Emo- tionen verfolge. Jedenfalls müsse die Mandatsniederle- gung zunächst angedroht werden. Dies gelte auch im Hinblick auf eine nicht bezahlte Rechnung. Die Beratungspflicht des Anwalts gilt gewissermaßen auch „in eigener Sache“: Er muss dem Mandanten auch dessen Pflichten im Mandat verdeutlichen und die Kon- JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 AUFSÄTZE 196

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