BRAK-Mitteilungen 1/2024

Rn. 63.2 „statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht“). Ein rollenbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht, dass diese vom jeweiligen Auftreten abhängig macht, ist mit den Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 III bis V BRAO nicht vereinbar (vgl. BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/ 22 Rn. 33; zutreffend Müller, NZA 2023, 810, 812; die Beantwortung der Frage hingegen noch als unklar bezeichnend Tiedemann, jurisPR-ArbR 28/2023 Anm. 6 zu D; kritischPrinz, SAE 2023, 61, 65). Über eine solche Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügte der handelnde Rechtssekretär zum Zeitpunkt der Einreichung des Revisionsrücknahmeschriftsatzes nicht. [12] bb) Der Umstand, dass der handelnde Rechtssekretär außerhalb seiner Tätigkeit für die DGB Rechtsschutz GmbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft nach den Bestimmungen der BRAO verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis. [13] (1) Der handelnde Rechtssekretär ist weder von der DGB Rechtsschutz GmbH noch vom Kl. bevollmächtigt worden (§ 80 ZPO), um im Rahmen seiner (Neben-)- Tätigkeit als Rechtsanwalt den Kl. zu vertreten. Er war also nicht aus diesem Grund verpflichtet, den ERV nach § 46g S. 1 ArbGG als Rechtsanwalt für Erklärungen gegenüber dem Gericht im Rahmen der Übernahme eines Mandats für den Auftraggeber dieses Mandats zu nutzen. Vielmehr ist er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der DGB Rechtsschutz GmbH für diese als mit der Prozessführung beauftragter Vertreter nach § 11 II 3 ArbGG tätig geworden. [14] (2) Die Tatsache, dass der handelnde RechtssekreZulassung als niedergelassener Anwalt irrelevant tär über eine Zulassung zur Anwaltschaft verfügt, führt nicht zur Pflicht, den ERV aktiv oder passiv zu nutzen. Der handelnde Rechtssekretär hat vorliegend als Verbandsvertreter (Assessor jur.) für die DGB Rechtsschutz GmbH als Prozessbevollmächtigte des Kl. gehandelt (vgl. BAG, Beschl. v. 7.11. 2012 – 7 AZR 646/10 (A) Rn. 8, BAGE 143, 256). Für die Pflicht, den ERV zu nutzen, kommt es aber maßgeblich auf das jeweilige Rechtsverhältnis an, in dessen Rahmen eine Person nach § 46g S. 1 ArbGG gegenüber dem Gericht tätig wird. Betrifft das Rechtsverhältnis die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt, besteht die Nutzungspflicht. Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt knüpft an ein oder mehrere Arbeitsverhältnisse an und ist auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt (§§ 46 II 1, III, V, 46a I 2 BRAO). Wird die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse oder neben einer Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt, hat eine gesonderte Eintragung für jede der Tätigkeiten zu erfolgen (§ 46c V 2 BRAO). Dies bewirkt, dass nach § 31a I 1 BRAO für jede Eintragung ein gesondertes beA einzurichten ist (BT-Drs. 18/5201, 40). Dagegen greift die Pflicht, den ERV zu nutzen, nicht, wenn solche Personen, ohne über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu verfügen und ohne im Rahmen ihrer Zulassung als Rechtsanwalt mandatiert zu sein, für den Verband als nichtanwaltliche Verbandsvertreter handeln. In einem solchen Fall ist der handelnde Verbandsvertreter nicht als (Syndikus-)Rechtsanwalt am Prozess beteiligt, sondern handelt in einem anderen Rechtsverhältnis (so zutreffend Natter, in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2, 2. Aufl., Stand 5.7.2023, § 46c ArbGG Rn. 63.3; anders aber noch Rn. 63.2; unklar Tiedemann, jurisPR-ArbR 28/2023 Anm. 6 zu D; i.E. ebenso Prinz, SAE 2023, 61, 64 f.). Zwar zielt § 46g S. 1 ArbGG auf eine umfassende Nutzungspflicht aller, die über einen sicheren Übermittlungsweg verfügen. Dies gilt aber nur, soweit diese Personen auch in einem Rechtsverhältnis, das zur ERV-Nutzung verpflichtet – wie bspw. als Syndikusrechtsanwalt oder als mandatierter Rechtsanwalt –, für den Verband auftreten. HINWEISE DER REDAKTION: Wer als Syndikusrechtsanwältin oder -anwalt zugelassen ist und für einen Verband nach dem ArbGG und der BRAO erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, ist hingegen verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen, wenn sie/er gegenüber einem Gericht tätig wird und z.B. ein Rechtsmittel einlegt (vgl. BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22, BRAKMitt. 2023, 255). KEINE ERSTATTUNG VON REISEKOSTEN BEI VERWAISTEM beA BGB § 839; GG Art. 34 * Ein Rechtsanwalt ist gehalten, seine Kanzlei so zu organisieren, dass dort eingehende beA-Nachrichten alsbald zur Kenntnis genommen werden. Alternativ muss ein Anwalt technisch dafür sorgen, dass er selbst von Eingängen per beA zeitnah Kenntnis erhält. LG München I, Urt. v. 11.10.2023 – 15 O 7223/23 (vgl. dazu auch Jungk/Chab/Grams, BRAK-Mitt. 2024, 37 in diesem Heft) Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Ein Rechtsanwalt war bereits am Vortag des Termins am LG München I morgens mit dem Auto in Lübeck aufgebrochen. Eingänge in seinem beA hatte er in dieser Zeit weder selbst kontrolliert noch waren andere Personen in der Kanzlei anwesend, die Zugriff auf sein beA hatten. Die Terminsaufhebung nahm er deshalb nicht mehr rechtzeitig zur Kenntnis. Eine Amtshaftung wegen der unnötigen Reisekosten verneinte das LG. In diesem Fall war dem Rechtsanwalt aber auch aufgrund einer Mitteilung durch das Gericht bekannt, dass an der wirksamen Zustellung der Klageschrift und Terminsladung erhebliche Zweifel bestanden und somit eine Aufhebung des Termins nahelag. Sich hierüber zu informieren hat er fahrlässig versäumt. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 63

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