BRAK-Mitteilungen 1/2024

KEINE beA-NUTZUNGSPFLICHT FÜR NICHT ALS SYNDIKUS ZUGELASSENEN VERBANDSVERTRETER BRAO §§ 46, 46c; ArbGG §§ 11 II, 46g S. 1 Ist ein Verbandsvertreter nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen, ist er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verband (noch) nicht verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn dieser außerhalb seines Arbeitsverhältnisses zum Verband über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt, im konkreten Verfahren aber nicht mandatiert ist. Insoweit ist er nicht als Anwalt am Prozess beteiligt, sondern wird in einem anderen Rechtsverhältnis als mit der Prozessführung beauftragter Vertreter des Verbands tätig. BAG, Beschl. v. 21.9.2023 – 10 AZR 512/21 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Die Parteien streiten über tarifliche Nachtarbeitszuschläge. [2] Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten v. 10.8.2023 hat der Kl. die Revision zurückgenommen. Der Schriftsatz ist am 10.8.2023 vorab per Fax und später im Original eingegangen. Er ist wie folgt unterzeichnet: „DGB Rechtsschutz GmbH handelnd durch – handschriftliche Unterschrift – M B Ass. jur“ [3] Eine Einreichung unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) ist nicht erfolgt. Der Unterzeichner des Schriftsatzes, Rechtssekretär B, ist nicht im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der DGB Rechtsschutz GmbH für seinen Arbeitgeber nach § 46 ff. BRAO als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Er ist aber nach den allgemeinen Bestimmungen der BRAO unabhängig von diesem Arbeitsverhältnis als Rechtsanwalt zugelassen und verfügt insoweit über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA). [4] Der Kl. vertritt die Auffassung, dass mit dem im Original eingereichten Schriftsatz eine wirksame Rücknahme der Revision erfolgt sei. Einer Nutzung des ERV habe es nicht bedurft, da die DGB Rechtsschutz GmbH selbst erst ab dem 1.1.2026 zur aktiven Nutzung des ERV verpflichtet sei und Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH, die in Nebentätigkeit als Rechtsanwälte zugelassen seien, ihr anwaltliches beA nicht nutzen müssten. Es sei insoweit zwischen Syndikusrechtsanwälten als Verbandsvertretern einerseits und Rechtsanwälten in Nebentätigkeit andererseits zu unterscheiden. Die Nebentätigkeit als Rechtsanwalt werde unabhängig und uneingeschränkt freiberuflich unabhängig von der Haupttätigkeit ausgeübt. [5] Die Bekl. hat keine Stellungnahme zur Revisionsrücknahme abgegeben. [6] II. Die Rücknahme der Revision des Kl. ist wirksam erfolgt. Der für die prozessvertretende DGB Rechtsschutz GmbH handelnde Rechtssekretär konnte die Revision formwirksam ohne Nutzung des ERV zurücknehmen. Er war weder als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und in entsprechender Funktion für die DGB Rechtsschutz GmbH tätig noch war er durch diese mandatiert, um im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit gegenüber dem Gericht tätig zu werden. [7] 1. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach § 46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen. Wird die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Prozesserklärung unwirksam (vgl. BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22 Rn. 11 m.w.N.). Bei der Rücknahme der Revision handelt es sich um eine solche Prozesserklärung (GMP/Müller-Glöge, 10. Aufl., § 74 Rn. 22). [8] 2. Weder die DGB Rechtsschutz GmbH als Prozessbevollmächtigte noch der im konkreten Fall handelnde Rechtssekretär waren verpflichtet, die Revisionsrücknahme unter Nutzung des ERV einzureichen. [9] a) Eine aktive Nutzungspflicht für die DGB Rechtsschutz GmbH als prozessbevollmächtigtem Verband nach § 11 II 2 Nr. 5, S. 3 ArbGG besteht erst ab dem 1.1.2026 (BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22 Rn. 35 m.w.N.). [10] b) Auch der handelnde Rechtssekretär war dazu aktive Nutzungspflicht erst ab dem 1.1.2026 nicht verpflichtet. Über eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügte er bei Vornahme der Prozesshandlung nicht; die unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis bestehende Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führt zu keiner solchen Verpflichtung. Diejenigen Mitarbeiter des Verbands, die nicht über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügen, trifft (noch) keine Nutzungspflicht des ERV (ebensoMüller, NZA 2023, 810, 812 f.). [11] aa) Allerdings ist ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach § 11 II 2 Nr. 4 und Nr. 5, S. 3 ArbGG erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt (§ 46 V Nr. 2 BRAO), nach § 46g S. 1 ArbGG zur aktiven Nutzung des ERV nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und beispielsweise ein Rechtsmittel einlegt (grundlegend BAG, Beschl. v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22 Rn. 16 ff.; zustimmend Müller, NZA 2023, 810). Dabei ist nicht maßgeblich, ob im konkreten Fall der handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt als solcher durch entsprechende Unterzeichnung oder Benennung nach außen auftritt. Maßgeblich ist vielmehr, dass er über eine entsprechenPflicht gilt nur für zugelassene Syndici de Zulassung verfügt und Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht in Ausübung dieser Tätigkeit abgegeben werden (zutreffend Natter, in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2, 2. Aufl., Stand 5.7.2023, § 46c ArbGG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 62

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