BRAK-Mitteilungen 1/2024

DIE BRAK IN BRÜSSEL RECHTSANWÄLTIN ASTRID GAMISCH, LL.M., ASS. JUR. NADJA WIETOSKA, ASS. JUR. FREDERIC BOOG, LL.M., UND ASS. JUR. SARAH PRATSCHER BRAK, BRÜSSEL Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die Tätigkeit der BRAK auf europäischer Ebene im November und Dezember 2023. EU-LIEFERKETTENRICHTLINIE Die BRAK hat im Dezember 2023 eine Stellungnahme1 1 BRAK-Stn.-Nr. 72/2023 in deutscher und englischer Sprache. zur sog. EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) erarbeitet. Diese wird derzeit im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren behandelt. Die CSDDD soll Unternehmen ab einer gewissen Größe verpflichten, bestimmte Sorgfaltspflichten zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstandards in ihrer sog. Aktivitätskette zu erfüllen. Damit ähnelt sie konzeptuell dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, geht aber teils deutlich über dieses hinaus. In ihrer Stellungnahme konzentriert sich die BRAK auf einen einzigen, komplexen und für die Anwaltschaft entscheidenden Punkt: die mögliche direkte und indirekte Anwendbarkeit der CSDDD auf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei der Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Eine solche Anwendung könnte beispielsweise dazu führen, dass ein Mandant ggf. verpflichtet ist, die Aktivitäten seines Rechtsanwalts zu überwachen und im äußersten Fall auch Kontrollen in den Kanzleiräumen vorzunehmen. Dies könnte nicht nur das Berufsgeheimnis gefährden, sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant stören und den rechtsstaatlich gebotenen Zugang zum Recht für jedermann beeinträchtigen. Die BRAK hat aus diesen Gründen intensives politisches Engagement betrieben, mit dem Ziel, eine solche Anwendung der Richtlinie auf Anwältinnen und Anwälte bei der Erbringung von Rechtsdienstleistungen sicher auszuschließen. Ein erster, am 14.12.2023 erzielter, politischer Kompromiss im informellen Trilog hat bisher in dem entscheidenden Punkt der Definition der Aktivitätskette noch zu keiner Einigung geführt. In enger Abstimmung mit ihren europäischen Partnern arbeitet die BRAK weiter engagiert daran, eine Klarstellung des Anwendungsbereichs zu erzielen. ANTI-SLAPP-RICHTLINIE Während ihres dritten Trilogs am 30.11.2023 erzielten der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über den Entwurf einer Richtlinie zum Schutz vor strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung („strategic lawsuits against public participation“, sog. SLAPPs). Diese wurde am 18.12.2023 zumindest schon vom Rat – auf Ebene des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) – bestätigt. Mit Blick auf die Anwaltschaft, so ist die ursprünglich in Art. 18 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Empfehlung an die Mitgliedstaaten, berufsständische Regeln für Angehörige der Rechtsberufe zu erlassen, um von der Einleitung missbräuchlicher Klagen gegen öffentliche Beteiligung abzuschrecken, nicht länger vom Wortlaut der Einigung umfasst. Seit Anbeginn des veröffentlichten Richtlinienvorschlags der Kommission hat sich die BRAK – bei gleichzeitiger Begrüßung der Einführung gewisser EU-weiter Mindeststandards – ausdrücklich gegen eine solche Empfehlung oder gar die Einführung von Disziplinarmaßnahmen gegen die Anwaltschaft ausgesprochen und stets drauf verwiesen, dass die Rolle des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, in seiner Rechtsschutzzugang gewährenden Funktion nicht beschränkt werden darf. Die Entscheidung über Klageerhebung und Rechtsmittel sowie die Entscheidung über die Vorlage der im Richtlinienentwurf vorgesehenen SLAPP-Indikatoren darf nicht zur sanktionierbaren Aufgabe der Anwaltschaft gemacht und in das Stadium der anwaltlichen Rechtsberatung vorverlagert werden. Ein derartiger Eingriff in die anwaltliche Tätigkeit wäre nicht mit der Berufsfreiheit und dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewährung des Zugangs zum Recht vereinbar gewesen. Auch der Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE), als dessen Mitglied sich die BRAK im zuständigen Ausschuss umfassend eingebracht hat, äußerte mit seiner Stellungnahme vom 31.3.20232 2 Stn. des CCBE v. 31.3.2023 (englisch). in diesem Punkt Kritik. Gleichzeitig unterstrich der CCBE, dass auch der Berufsstand der Anwaltschaft im Hinblick auf SLAPPs schutzbedürftig sei. Vor diesem Hintergrund ist erfreulich, dass auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in den Kreis der zu schützenden Personen aufgenommen werden sollen. Dieser soll nunmehr auch diejenigen natürlichen oder juristischen Personen umfassen, die sich unmittelbar oder auch mittelbar durch Unterstützung und Zurverfügungstellung von Waren oder Dienstleistungen öffentlich beteiligen. Der Berufsstand der Anwältinnen und Anwälte wird dabei als konkretes Beispiel im Wortlaut angeführt. VORLÄUFIGE EINIGUNG VON RAT UND PARLAMENT ÜBERAMLA Der Rat und das Europäische Parlament haben sich am 13.12.2023 vorläufig über die Schaffung einer europäiAUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 45

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