BRAK-Mitteilungen 1/2024

der Notariatsangestellten. Noch im Laufe des Jahres 2006 zahlte die Klägerin die vereinbarten 30.000 Euro an ihre Schwester. Der Erblasser verstarb schließlich im Jahr 2020. Im April 2021 trat die Schwester mit anwaltlichem Schreiben an die Klägerin heran und forderte unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrags die Erbin auf, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die Erbin forderte nur einen Monat später durch anwaltliches Schreiben gegenüber dem hier verklagten Notar von diesem die Freistellung von etwaigen Ansprüchen ihrer Schwester. Der Beklagte berief sich u.a. auf die Einrede der Verjährung und lehnte Amtshaftungsansprüche ab. Wenn und soweit der Vertrag wegen Verstoßes gegen den seinerzeit geltenden § 2347 II BGB unwirksam sein sollte, nach dem der Erblasser den Vertrag nur persönlich schließen kann, seien Ansprüche in diesem Zusammenhang bereits spätestens 2016 auf Basis der kenntnisunabhängigen zehnjährigen Frist verjährt. Dem folgte das LG in erster Instanz. Das OLG Hamm hingegen hielt die Feststellungsklage der Erbin sowohl für zulässig als auch für begründet. Das Feststellungsinteresse sei ausreichend dargetan; es genüge, dass ein künftiger Schaden möglich sei. Dem subjektiven Recht der klagenden Partei drohe im Übrigen auch eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit wie bereits die Berufung auf die Einrede der Verjährung durch den Beklagten zeige. Außerdem sei der Anspruch auch nicht verjährt, da der Schaden noch nicht mit Beurkundung entstanden sei, sondern frühestens mit dem Tod des Erblassers im Jahr 2020. Bis zu dessen Ableben hätte er anders testieren können, so dass vorher nicht klar war, ob sich die Unwirksamkeit überhaupt nachteilig auswirken würde. Der Schaden entstand nach Ansicht des Senats nicht schon mit der Zahlung der Abfindung i.H.v. 30.000 Euro. Diese Annahme hätte hier auf den ersten Blick nahegelegen, weil üblicherweise dann, wenn ein unwirksamer Vertrag die Quelle eines Regressanspruches darstellt, der Schaden nach der Rechtsprechung des BGH spätestens dann entsteht, wenn Leistungen durch den Geschädigten an die andere Vertragspartei erbracht werden.1 1 BGH, Urt. v. 3.3.2005 – III ZR 353/04 m.w.N. In Abgrenzung dazu führt der Senat aus, dass hier zum einen diese Zahlung auch bei pflichtgemäßem notariellen Handeln geleistet worden wäre; zum anderen erfolgte die Zahlung nicht zur Erfüllung des (nichtigen) Vertrags, sondern zur Erfüllung eines wirksam vereinbarten Kausalgeschäfts. Denn die Abfindungsvereinbarung genügte der vorgeschriebenen Form, lediglich der Verzicht als erbrechtliches Verfügungsgeschäft sei nichtig. Pflichtteilsansprüche, die eigentlich hätten ausgeschlossen werden sollen, seien aber erst mit dem Ableben entstanden. Zuletzt könne ein Schaden, der dann schon 2006 entstanden wäre, nicht in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung durch die Klägerin gesehen werden. Die Vereinbarung als solche habe ja gerade den Vorstellungen der Beteiligten entsprochen; lediglich die dingliche Umsetzung sei gescheitert. Vor dem Hintergrund dieser bislang noch nicht vom BGH entschiedenen Fragen der Schadenentstehung bei nichtigem Verfügungs-, aber wirksamem Kausalgeschäft im Bereich der Notarhaftung ließ der Senat die Revision zu. Sie ist beim BGH unter dem Az. III ZR 263/ 23 anhängig. Eine Entscheidung dürfte dann auch für parallele Fallgestaltungen in der Anwaltshaftung interessant werden. (bc) FORMULIERUNG VON ABFINDUNGSVERGLEICHEN 1. Eine Abgeltungsklausel umfasst auch vom Kläger geltend gemachte Reisekostenansprüche. Soweit in einer weiteren Ziffer des Vergleichs vereinbart ist, dass das Anstellungsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt wird, sind hiervon keine Reisekosten umfasst. 2. Der Rechtsanwalt hat bei Abfindungsvergleichen darauf zu achten, dass tatsächlich alle Ansprüche in den Vergleich einbezogen werden, die abgefunden und erledigt sein sollen. Aufgabe des Rechtsanwalts, der mit einer Rechtsgestaltung beauftragt ist, ist es, schon durch die Wortwahl seiner Erklärung Klarheit zu schaffen. Der Rechtsanwalt darf es regelmäßig gar nicht erst dazu kommen lassen, dass der Wortlaut eines Vertrags zu Zweifeln überhaupt Anlass gibt. LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 8.8.2023 – 2 Sa 44/23 Das LAG war hier natürlich nicht mit einem Anwaltshaftungsprozess befasst. Es hat sich im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung gleichwohl berufen gesehen, sich zu den Pflichten des Prozessvertreters zu äußern. Es scheint leider etwas zum Trend zu werden, dass Gerichte quasi inzident den Prozessbevollmächtigten rüffeln, wenn sie meinen, dass dieser den Prozess nicht optimal führt, so häufig auch im Hinblick auf unzureichenden Prozessvortrag. Der Kläger war bei der Beklagten als Chief Sales & Marketing Officer beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass Auslagen des Mitarbeiters, die im Interesse der Gesellschaft entstehen, erstattet werden, soweit sie erforderlich gewesen sind. Im Arbeitsgerichtsprozess unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Vergleichsvorschlag. Diesen nahm der Kläger an. In dem Schriftsatz wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf ausstehende Reise- und Telefonkosten hin. Im Vergleich heißt es u.a.: „Bis zu dem ... genannten Beendigungstermin wird das Anstellungsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt und abgerechnet. ... Mit Erfüllung der in dieser Vereinbarung geregelten, wechselseitigen Pflichten sind sämtliche finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt und abgegolten.“ Nachdem die Beklagte sich in der Folge weigerte, nicht abgerechnete Reisekosten zu erstatten, klagte der KläBRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 34

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