BRAK-Mitteilungen 6/2023

Die Bundesbank teilte daraufhin mit, die Zahlung des Dritten sei genehmigungsfrei. Die Generalstaatsanwaltschaft und mit ihr das Amtsgericht verdächtigte die Beschwerdeführer einer Straftat nach § 18 I Nr. 1a) Var. 8 AWG i.V.m. Art. 2 II VO (EU) 269/2014 wegen des vorsätzlichen Bereitstellens bzw. Zur-Verfügung-Stellens von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen an eine natürliche oder juristische Person, für die nach einem europäischen Rechtsakt ein sog. Bereitstellungsverbot gilt. Die Verteidiger waren also selbst Beschuldigte. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss zur Durchsuchung der Kanzlei der Beschwerdeführer. Das Amtsgericht half der hiergegen gerichteten Beschwerde nicht ab. Das LG Frankfurt sah dies anders und hob den Durchsuchungsbeschluss auf. Dabei verankert es seine gesamte Prüfung bei § 102 StPO und geht nicht auf § 97 I StPO ein. Nach Wortlaut und Zweck des § 97 I StPO ist das Beschlagnahmeverbot nicht einschlägig, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte selbst Beschuldigter ist.2 2 BGHSt 53, 257, 260 (anders ist es im Verfahren gegen den Mandanten, weil dort die ursprünglichen Prozessrollen fortbestehen, ebd., 262); s. zudem BVerfG, NJW 2008, 2422, 2423. Die Argumentation des Landgerichts Das Landgericht prüft zunächst die Voraussetzung des Vorliegens eines Anfangsverdachts wegen einer Straftat nach § 18 I Nr. 1 a) Var. 8 AWG i.V.m. Art. 2 II VO (EU) 269/2014 und betont zu Recht die in praxi oft vergessene Selbstverständlichkeit, dass „vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen“ nicht genügen. Nach Ansicht des Landgerichts liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass dem sanktionierten Mandanten mittelbar oder unmittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zugutegekommen sind oder von den Beschwerdeführern zur Verfügung gestellt wurden. Denn die Zahlungen seien von einer nicht-sanktionierten Person zugunsten der Beschwerdeführer vorgenommen worden. Der sanktionierten Person sei die Zahlung hingegen nicht – auch nicht mittelbar – zugutegekommen. Die Auslegung von § 18 I Nr. 1 a) Var. 8 AWG i.V.m. Art. 2 II VO (EU) 269/2014 durch das Landgericht, indem es für ein „Bereitstellen“ ebenso wie für ein „Zugutekommenlassen“ bei der sanktionierten Person eine sachenrechtsähnliche Verfügungsbefugnis über den jeweiligen Vermögenswert verlangt, entspricht nicht nur den Vorstellungen des Gesetzgebers.3 3 S. dazu BT-Drs. 17/1112, 27. Sie steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung von BGH und EuGH.4 4 Vgl. BGH, NJW 2010, 2370, 2372; BGH, BeckRS 2021, 28508; EuGH, BeckRS 2011, 81942 = NJW 2012, 2096 (Ls.). Da der sanktionierte Mandant der beschuldigten Anwälte keine tatsächliche Verfügungsgewalt über die gezahlten Gelder erlangt hatte, ist es folgerichtig, dass das Landgericht die Voraussetzungen des Art. 2 II VO (EU) 269/14 verneint. Zutreffend und wichtig ist in diesem Zusammenhang insb. der Hinweis auf das in Art. 47 II 2 GRCh verbriefte Recht, sich effektiv vor Gericht verteidigen zu lassen, das bei der Auslegung und Anwendung von europarechtlichen Sanktionsverordnungen stets zu berücksichtigen ist.5 5 Näher EuGH, Urt. v. 12.6.2014 – C-314/23 Rn. 25 f., wonach ein Einfrieren von Geldern der betroffenen Person nicht den Zugang zu Gerichten versperren darf. Zuzustimmen ist auch den weiteren Erwägungen der Kammer, wonach der Schutzzweck des Art. 2 II VO (EU) 269/2014 hier nicht berührt ist. Denn das Bereitstellungsverbot soll in erster Linie verhindern, dass sanktionierte Personen wirtschaftliche Ressourcen gegen die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine einsetzen. Für eine diesbezügliche Einordnung der Zahlungen für die anwaltliche Tätigkeit seien nach Ansicht der Kammer „objektive Tatsachen weder ersichtlich noch vorgetragen“. An dieser Stelle hätte es sich die Kammer möglicherweise leichter machen und jedenfalls den Anfangsverdacht hinsichtlich des Vorsatzes verneinen können.6 6 In diesem Fall stünde ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Raum, der jedoch keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit begründet (§ 19 OWiG). Denn die Beschwerdeführer haben bei der Bundesbank eine Genehmigungsanfrage gestellt und die Auskunft erhalten, die maßgebliche Zahlung sei genehmigungsfrei. Dies muss nicht erst auf der Ebene des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) berücksichtigt werden, sondern bereits im Vorsatz, weil der Hinweis auf die Genehmigungsfreiheit so zu verstehen ist, dass es sich nicht um eine Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftliche Ressourcen i.S.d. Art. 2 VO (EU) 269/2014 handelt und damit der Tatbestand des Bereitstellungsverbots nicht eröffnet ist. Vertiefung und Ausblick Zwei wichtige Aspekte tauchen in dem Beschluss nur am Rande auf. Erstens schützt auch das Unionsrecht die effektive Verteidigung, was die Generalstaatsanwaltschaft hier vollständig außer Acht gelassen hat. Da sie bei der Prüfung des § 18 I AWG die VO (EU) 269/2014 anzuwenden hat, war der Anwendungsbereich der GRCh hier gem. § 51 I GRCh eröffnet. § 47 II 2 GRCh sieht vor, dass sich im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren jede Person beraten, verteidigen und vertreten lassen kann. Daher muss auch eine auf einer Sanktionsliste stehende Person weiter die Möglichkeit haben, die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen.7 7 S. dazu EuGH, Urt. v. 12.6.2014 – C-314/13 Rn. 25 ff. Gerade hierin liegt auch der Grund, weshalb ein Anfangsverdacht gerade gegenüber im Rahmen ihrer Berufsausübung tätigen Anwälten nicht vorschnell angenommen werden darf. Denn hiermit wäre unweigerlich auch das Recht auf effektive Verteidigung eingeschränkt. Zweitens ist von Verfassungs wegen eine besonders genaue Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten, wenn Verteidiger als Beschuldigte behandelt werden sollen. Das folgt aus der heBRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 408

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