BRAK-Mitteilungen 6/2023

Entgegen der Annahme der Generalstaatsanwaltschaft kann auch von einem strafbaren Umgehungsgeschäft nicht ausgegangen werden. Denn ein Umgehungsgeschäft würde dann vorliegen, wenn über Dritte Gelder an die sanktionierte Person fließen würden oder Ausfuhren aus der Bundesrepublik Deutschland an sonstige Drittländer getätigt werden, in der Absicht, diese von dort an sanktionierte Personen weiterzuliefern. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer Straftat und einer Täterschaft hindeuten, waren somit nicht gegeben. 2. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass die Durchsuchung v. 10.1.2023 rechtswidrig war. Vorliegend kommt eine Umdeutung des Beschwerdeziels in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung in Betracht (BGH, Beschl. v. 18.5.2022 – StB 17/22 Rn. 7; Karlsruher Kommentar zur StPO/Heinrichs/Weingast, § 105, Rn. 20). Die Durchsuchungsbeschwerde ist aufgrund einer zwischenzeitlichen Anordnung der Beschlagnahme prozessual überholt, soweit er sich auf die Asservate 41.2.1 bis 41.3.2.3. bezieht. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in Form einer schwerwiegender Grundrechtseingriff Durchsuchung der Geschäftsräume war erfolgt. Die Beschwerdeführer haben daher ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der richterlichen Anordnung. Die Beschwerde ist zudem begründet. Die Durchsuchung war in Gänze rechtswidrig. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen, die hier entsprechend herangezogen werden können, verwiesen. Zudem wird festgestellt, dass auch die richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung des AG F. v. 7.3.2023 (Az. ...) rechtswidrig war. Die richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung setzt einen rechtmäßigen vorangegangenen Durchsuchungsbeschluss voraus, der vorliegend nicht gegeben war. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen, die hier entsprechend herangezogen werden können, verwiesen. 3. Ferner wird der Antrag auf Feststellung, dass die Verwendung der bei der Durchsuchung erlangten Informationen zu Beweiszwecken ausgeschlossen ist, zurückgewiesen. Es fehlt bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Vorliegend ist aufgrund des fehlenden Anfangsverdachts nicht mehr zu erwarten, dass die erlangten Informationen zu Beweiszwecken verwendet werden. Im Übrigen wäre es Sache der Hauptverhandlung, ein Beweisverwertungsverbot aufgrund einer rechtswidrigen Beweiserlangung zu beurteilen. HINWEISE DER REDAKTION: Die Durchsuchung von Kanzleiräumen des Strafverteidigers eines Angeklagten ist stets unzulässig, wenn voraussichtlich auch Erkenntnisse zu erwarten sind, über welche der Rechtsanwalt das Zeugnis verweigern dürfte. Dies wäre lediglich dann anders zu beurteilen, wenn nach den zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses tatsächlich vorliegenden Anhaltspunkten eine Prognose ergeben hätte, dass ausschließlich relevante Erkenntnisse aus dem nicht absolut geschützten Bereich zu erwarten sind. Für die Beschlagnahmefreiheit muss kein besonderer „Verteidigerbezug“ der Unterlagen erkennbar sein. Eine beschlagnahmefähige Unterlage kann durch Anmerkungen des strafrechtlich Verfolgten zur Verteidigung beschlagnahmefrei werden. (Vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 6.11.2014 – 2 BvR 2928/10, BRAKMitt. 2015, 91). ANMERKUNG: In jüngerer Zeit beklagen Kolleginnen und Kollegen vor allem in Cum/Ex- und Sanktionssachverhalten, dass Staatsanwaltschaften Verteidigerkorrespondenz – teils auch ausdrücklich als solche gekennzeichnete – mitnehmen und sichten. Dieses staatsanwaltliche Vorgehen steht in eklatantem Widerspruch zu § 97 I StPO. Der Präsident der BRAK hat darauf mit einem schriftlichen Appell an die Justizministerinnen und -minister der Länder reagiert und die zuständigen Ministerien dazu aufgefordert, gegen diese rechtswidrige Praxis vorzugehen.1 1 Abrufbar unter https://www.brak.de/fileadmin/04_fuer_journalisten/presseerklae rungen/2023-09-11-JM-u.-GStA-Vertraulichkeit-Verteidigerkorrespondenz-BRAKPr. pdf. Eingriffe in das Recht auf effektive Verteidigung und in die Rechtsstellung des Verteidigers können zudem auch daraus resultieren, dass Staatsanwaltschaften vorschnell einen Anfangsverdacht gegen die Verteidiger selbst bejahen und damit den von §§ 97 I 1, 148 StPO gewährten Schutz unterlaufen. Auch dies ein offenbar zunehmendes Phänomen. Einen solchen Fall betrifft der hier zu besprechende Beschluss des LG Frankfurt. Sachverhalt und rechtlicher Ausgangspunkt des Landgerichts Die Beschwerdeführer sind zwei Rechtsanwälte, die in einem Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft die Vertretung eines Beschuldigten anzeigten, der eine sanktionierte Person im Sinne der VO (EU) Nr. 269/2014 des Rates v. 17.3.2014 ist, zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung 2022/658 des Rates v. 21.4.2022, über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Im Zusammenhang mit der Vertretung erhielten die Beschwerdeführer von einem Dritten Zahlungen für ihre Rechtsdienstleistungen für den sanktionsgelisteten Mandanten. Hierbei stellten sie bei der Bundesbank eine Genehmigungsanfrage nach der vorbezeichneten EU-VO und beantragten die Genehmigung der Zahlung des Dritten. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 407

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