BRAK-Mitteilungen 6/2023

ten Kontoauszüge zu dem Kanzleikonto (B1 bis B5) nicht geeignet die hinreichende Glaubhaftmachung des Schadenseintritts infrage zu stellen, da schon die Kontostände zum jeweiligen Monatsende betreffend den streitgegenständlichen Zeitraum für eine vollständige Rückzahlung nicht ausreichend waren und weiterhin aufgrund der abgedeckten Einzelinformationen und allein des Kontostands zu Monatsende die Mittelherkunft der Kontostände zum Monatsende in keiner Weise ersichtlich ist, sodass nicht erkennbar ist, dass die aufgezeigten stichtagsbezogenen Kontoguthaben zur Rückzahlung an die Arrestklägerin zur freien Verfügung standen. 2.8. Die Arrestbeklagten können sich vorliegend auch nicht auf eine schadensaufhebende bzw. schadensmindernde Kompensation durch die erstmals im Arrestverfahren behaupteten Honoraransprüche i.H.v. insgesamt 452.307,66 Euro für den Leistungszeitraum von 2015–2021, mit denen aufgerechnet werde, berufen. 2.8.1. Ein Vermögensnachteil tritt nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung nicht ein, wenn die Tathandlung selbst zugleich einen den Verlust aufwiegenden Vermögenszuwachs begründet. Hat der Täter einen Geldanspruch gegen das von ihm verwaltete Vermögen, so fehlt es an einem Schaden, wenn er über das Vermögen in entsprechender Höhe zu eigenen Gunsten verfügt. Honoraransprüche eines Rechtsanwalts können im Zusammenhang mit der zweckwidrigen Verwendung von Mandantengeldern grundsätzlich einen Nachteil ausschließen, wenn die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung erfolgt, sondern dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen. ln Fällen der vorliegenden Art ist Voraussetzung einer nachteilsausgleichenden Kompensation jedenfalls, dass ein Vermögenszuwachs aufseiten des Treugebers zu verzeichnen ist, weil er durch die Untreuehandlung von einer Verbindlichkeit befreit wird. Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Honoraranspruch entstanden ist, der Höhe nach feststeht und beziffert werden kann. Ansonsten fehlt es schon an einer möglicherweise in Betracht kommenden Aufrechnungslage. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn sich der Rechtsanwalt nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nichtauskehrung der dem Mandanten zustehenden Gelder, sondern irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt darauf beruft, ihm hätten dem Auszahlungsbetrag entsprechende Gelder als Honorar für erbrachte Leistungen zugestanden. ln diesem Fall fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung von Honorarforderung und Einbehalt des Fremdgelds (BGH, NJW 2020, 1689 Rn. 23). 2.8.2. Letzteres ist hier der Fall. Die Arrestbeklagten haben sich hinsichtlich der nicht an die Finanzbehörden weitergeleiteten, zweckbestimmten Fremdgelder nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der unterlassenen Weiterleitung und der überdies unterbliebenen Rückzahlung an die Mandanten auf bestehende und aufzurechnende Honorarforderungen berufen. Vielmehr haben die Arrestbeklagten der Arrestklägerin trotz vielfacher Aufforderung vor Einleitung des Arrestverfahrens keine Auskünfte über den Verbleib und die Verwendung der Differenzbeträge betreffend die hier streitgegenständlichen Jahre 2018–2020 sowie Januar 2021 erteilt und auch keine aufrechenbaren Honoraransprüche behauptet. Die behaupteten Honoraransprüche, die zur Rechtfertigung der Einbehalte im Arrestverfahren angeführt werden, wurden erstmals im Laufe des Arrestverfahrens mit Schreiben des Arrestbeklagten zu 1 v. 11.8.2022 geltend gemacht und zur Aufrechnung gestellt (Vortrag des Arrestbeklagten zu 1 mit Widerspruch v. 12.8.2022), mithin mit erheblichem zeitlichen Abstand und erst nach Aufdeckung der Differenzen zwischen Überweisungen und an die Finanzbehörden weitergeleiteten Beträgen durch die neue Steuerberaterin der Arrestklägerin anhand der verfügbaren Buchhaltungsunterlagen und Steuerdaten (s.o.). Die vorgelegten Kostenrechnungen zu den behaupteten Honoraransprüchen datieren allesamt v. 15.5.2022, mithin ebenfalls erhebliche Zeit nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum pflichtwidrig einbehaltener Geldbeträge. 2.8.3. Im Übrigen wird die Schadenskompensation unAufrechnungsverbot abhängig von dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Zusammenhangs vorliegend durch ein gesetzliches Aufrechnungsverbot gehindert. Betroffen ist vorliegend nicht ein Geldbetrag, der von Dritten zur Weiterleitung an den Mandanten auf dem Kanzleikonto einging. Vielmehr geht es vorliegend um Geldbeträge, die von der Mandantin an den Rechtsanwalt zur zweckgebundenen Weiterleitung (hier an die Steuerbehörden) bestimmt war. Hier gilt ein noch strengerer Maßstab für die Pflichten des Rechtsanwalts. Nach § 4 III BORA darf der Rechtsanwalt eigene Forderungen nicht mit Geldern verrechnen, die an ihn zweckgebunden für einen anderen als den Mandanten gezahlt worden sind. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung durch den Mandanten selbst erfolgt. Eine solche Zweckbindung liegt z.B. vor, wenn der Mandant dem Anwalt einen Gerichtskostenvorschuss, eine Sicherheitsleistung zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung oder dergleichen zahlt, oder wie hier Zahlungen zur Weiterleitung an die Finanzbehörden zum Zwecke der Begleichung von Steuerschulden auf das Kanzleikonto geleistet werden (Gerold/ Schmidt/Müller-Rabe, RVG § 1 Rn. 215, 216; Kleine-Cosack, BRAO § 43a Rn. 273, 474; Weyland/Träger, BRAO § 43a Rn. 95). 3. Der Arrestgrund ist ebenfalls gegeben. Er ist durch das Vorbringen der Arrestklägerin glaubhaft gemacht. 3.1. Der Arrestgrund wird durch das bisherige Verhalten der Arrestbeklagten indiziert. Es besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das dem Arrestanspruch zugrundeliegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet (BGH, Beschl. v. 24.3.1983 – III ZR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 403

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