BRAK-Mitteilungen 6/2023

satz „ein Verfahren = eine Angelegenheit“. Entsprechend dieses Grundsatzes bilden vielmehr mehrere parallele Rechtsstreitigkeiten in jedem Fall jeweils gesonderte Angelegenheiten. 10. FIKTIVE TERMINSGEBÜHR Nr. 3104 VV RVG AUCH BEI VORGESCHRIEBENER ERÖRTERUNG Durch eine Ergänzung der Nr. 3104 I Nr. 1 VV RVG um Erörterungstermine soll klargestellt werden, dass die fiktive Terminsgebühr auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen ein Erörterungstermin vorgeschrieben ist, anfällt. Nach dem aktuellen Wortlaut der Nr. 3104 I Nr. 1 VV RVG entsteht die Gebühr „in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (...)“. Aufgrund dessen wird teils in der Rechtsprechung der Anfall einer fiktiven Terminsgebühr in Angelegenheiten, in denen eine Erörterung vom Gesetz vorgeschrieben ist (§ 155 II FamFG), verneint. Allerdings ist keine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche gebührenrechtliche Bewertung bei der Vermeidung von vorgeschriebener mündlicher Verhandlung und Erörterung ersichtlich. 11. EINFÜHRUNG EINER GEGENSTANDSWERTBESTIMMUNG BEI HILFSAUFRECHNUNG/-ANTRÄGEN BRAK und DAV schlagen vor, eine neue Gegenstandswertbestimmung im RVG einzuführen, nach der ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch, soweit er einen anderen Gegenstand betrifft als der Hauptanspruch, bzw. eine streitige Hilfsaufrechnung wertmäßig zu berücksichtigen ist, wenn es Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist. Nach der in der Rechtsprechung vertretenen herrschenden Meinung ist dies im Hinblick auf § 45 GKG derzeit nicht der Fall. Dies wird dem Arbeitsaufwand der Rechtsanwälte, die sich rechtlich mit der streitigen Hilfsaufrechnung oder dem Hilfsantrag, soweit er einen anderen Gegenstand betrifft als der Hauptanspruch, dennoch eingehend befassen müssen, und dem Haftungsrisiko nicht gerecht. IV. WIE GEHT ES WEITER? Gemeinsam mit dem DAV steht die BRAK im Gespräch mit den auf Bundes- und Länderebene beteiligten Akteuren. Bundesjustizminister Dr. Buschmann steht bei unserem Anliegen, die Rechtsanwaltsvergütung noch in dieser 20. Legislaturperiode zu erhöhen, hinter der Anwaltschaft, was er sowohl uns gegenüber als auch öffentlich wiederholt bekundet hat.22 22 S. auch Wessels, Botschaft angekommen, BRAK-Mitt. 2023, 1 sowie ders., Wir sind es wert!, BRAK-Mitt. 2023, 275. Nun müssen die Länder noch überzeugt werden. Diese sind verständlicherweise mit Blick auf mögliche finanzielle Auswirkungen einer Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung auf die Landesjustizhaushalte (Beratungshilfe, Prozess-/Verfahrenskostenhilfe (PKH/VKH), Pflichtverteidigung) noch etwas zurückhaltend. Es muss allerdings auch den Ländern ein großes Anliegen sein, in einem sozialen Rechtsstaat die anwaltliche Vertretung zu gewährleisten, damit jedermann der Zugang zum Recht offensteht. Die Anwaltschaft braucht dafür eine auskömmliche Vergütung – im Gegensatz zur Justiz, die gerade nicht kostendeckend sein muss. Außerdem dürfen die Rückflüsse durch Umsatz-, Einkommens- und Körperschaftssteuer bei Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie die Rückzahlungen der Prozesskostenhilfe in die Länderhaushalte nicht außer Acht gelassen werden. Zumal die Anträge auf Beratungshilfe und PKH/VKH und die damit einhergehenden Kosten für die Länder seit Jahren rückläufig sind. Deshalb kann eigentlich gegen die notwendige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung auch aus Ländersicht nichts sprechen. DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2023 RECHTSANWALT DR. DIRK ENGEL* * Der Autor ist Fachanwalt für Erbrecht in Potsdam und Mitglied der Satzungsversammlung bei der BRAK. Er gehört dem Ausschuss 1 – Fachanwaltschaften – an. Der nachfolgende Beitrag befasst sich im Anschluss an die vorherige Berichterstattung1 1 S. Engel, BRAK-Mitt. 2022, 304 ff. mit der Entwicklung des Fachanwaltsrechts seit November 2022. Er behandelt dabei sowohl die Normsetzung unter besonderer Beachtung der Tätigkeit der Satzungsversammlung als auch die Rechtsprechung in Fachanwaltssachen. I. GESETZ- UND SATZUNGSGEBUNG 1. SATZUNGSVERSAMMLUNG Die Satzungsversammlung trat im Berichtszeitraum am 5.12.2022 und am 8.5.2023 jeweils in Präsenzform zusammen. Beide Sitzungen behandelten verschiedene Fragen des Fachanwaltsrechts und führten zu Änderungen der FAO. ENGEL, DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2023 BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUFSÄTZE 374

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