BRAK-Mitteilungen 6/2023

mern nach § 76 BRAO blieben diese Verstöße vor der Gesellschaft grundsätzlich verborgen; diese hatte daher im Regelfall mangels Kenntnis nicht ausreichend Möglichkeit, auf die in ihr tätigen Berufsträger einzuwirken. Nunmehr werden die zugelassenen BAGen jedenfalls dann von den Rechtsanwaltskammern Kenntnis von einem Fehlverhalten des bei ihnen tätigen Rechtsanwaltes oder der tätigen Rechtsanwältin erlangen, wenn dieses Fehlverhalten zu einem möglichen Berufsrechtsverstoß der Gesellschaft an sich geführt haben kann (vgl. § 74 VI i.V.m. § 113 III Nr. 2 BRAO); die BAG ist nunmehr nämlich selbst Adressatin berufsrechtlicher Pflichten (§ 59e BRAO) und auch ihr Handeln kann aufsichtsrechtlich geahndet werden (vgl. § 74 VI BRAO i.V.m. § 74 I-V BRAO). In diesem Fall gilt die Verschwiegenheitspflicht der Kammern nach § 76 I 2 Nr. 1 BRAO insoweit nicht, als dass die Weitergabe der Information zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Berufsaufsicht erforderlich ist. Dies wäre bei einem Verstoß einer Leitungsperson i.S.d. §§ 113 III Nr. 1, 113a BRAO regelmäßig der Fall und dann, wenn es sich um einen Verstoß handelt, der wegen unzureichender Organisationsund Aufsichtsmaßnahmen der BAG dieser zurechenbar sein könnte. Denn dann würde auch ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegenüber der BAG eingeleitet werden. Für die anwaltsgerichtlichen Verfahren gegen die BAG nach §§ 113 ff. BRAO gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für ein Verfahren gegen eine natürliche Person, aber es gibt einige Modifikationen: So ist z.B. die schwerste Sanktion, die das Anwaltsgericht verhängen kann, statt des Ausschlusses aus der Anwaltschaft die Aberkennung der Rechtsberatungsbefugnis § 114 II Nr. 5 BRAO. Das ist insofern überraschend, als der Verlust der Rechtsberatungsbefugnis kein Widerrufsgrund nach § 59h BRAO ist und somit die schwerste Sanktion nicht zum „Ausschluss“ der BAG aus dem Kreis der Kammermitglieder führt. Anwaltsgerichtliche Maßnahmen gegen einen Rechtsanwalt und gegen die BAG, der dieser angehört, können nebeneinander verhängt werden, § 113 V BRAO. Dabei bleibt die Frage offen, ob anwaltsgerichtliche Maßnahmen gegen die BAG und gegen nichtanwaltliche Personen, die aber gleichwohl der Berufsaufsicht der Anwaltsgerichte unterliegen (das sind die nichtanwaltlichen Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, siehe dazu unten), nicht nebeneinander verhängt werden können – das dürfte nicht gewollt sein. bb) BERUFSPFLICHTEN Für Berufsausübungsgesellschaften gelten praktisch alle Berufspflichten, die auch für natürliche Personen gelten; nach § 59e gelten die §§ 43 bis 43b, 43d, 43e, 44, 45 I Nr. 2 und 3, die §§ 48, 49a bis 50, 53, 54, 56 I und II und die §§ 57 bis 59a sinngemäß. Zu den auch von der BAG einzuhaltenden Berufspflichten gehören damit natürlich die Verschwiegenheitspflicht (§ 43a II BRAO) und das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen (§ 43a IV BRAO) aber z.B. auch die Pflicht zur Mitwirkung bei der Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren (§ 59 BRAO). Darüber hinaus gelten für die BAG aber auch originäre Berufspflichten, die so nicht für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gelten. So hat die BAG nach § 59e II 1 BRAO durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass berufsrechtliche Verstöße frühzeitig erkannt und abgestellt werden und sie hat durch geeignete gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sicherzustellen, dass die Berufsausübungsgesellschaft für die Erfüllung der Berufspflichten sorgen kann, wenn an der BAG Personen beteiligt sind, die keine Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind (§ 59e II 2 BRAO). Die BAG muss in diesem Zusammenhang auch ihre nichtanwaltlichen Berufsträger im Blick behalten, jedoch nur insoweit deren Tätigkeit einen Bezug zur Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten hat (§ 59e III BRAO). Dazu, wie diese geeigneten Maßnahmen nach § 59e II 1 BRAO aussehen können, enthält nunmehr15 15 In Kraft getreten am 1.10.2023, vgl. Nachr. aus Berlin 20/2023 v. 4.10.2023. §31 BORA Konkretisierungen, die nicht zufällig an die Regelungen zur Prävention der Geldwäsche erinnern: Jede BAG muss laufend ihre Risiken für Berufsrechtsverstöße ermitteln und bewerten und darauf aufbauend geeignete Maßnahmen treffen; die Aufzählung in § 31 II BORA hat dabei nur Modellcharakter, insb. die Bestellung einer/eines Berufsrechtsbeauftragten. Keine der Maßnahmen ist verpflichtend; für BAGen mit regelmäßig mehr als zehn Berufsträgerinnen und Berufsträgern gilt lediglich verschärfend, dass die Risikoanalyse und die getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren sind und diese Dokumentation alle zwei Jahre zu aktualisieren ist. Die BAG wird somit – salopp gesagt – zur ersten Instanz berufsrechtlicher Kontrolle, denn sie soll ihre Berufsträgerinnen und Berufsträger in erster Linie selbst überwachen; dies erscheint auch sachgerecht, denn die Einhaltung der Berufspflichten dürfte im ureigenen Interesse der rechtsberatenden Gesellschaften als Mandatsträgerinnen liegen. b) KAMMERMITGLIEDSCHAFT DER BAG Die BAG ist nun Kammermitglied und hat als solches beinahe alle Rechte, die auch natürlichen Personen zustehen. Sie ist berechtigt, an der Kammerversammlung nach §§ 85 ff. BRAO teilzunehmen. Sie ist in diesem Rahmen auch berechtigt, ihr Wahl- und Stimmrecht auszuüben, § 88 II BRAO, ist also aktiv wahl- und stimmberechtigt. Sollte die Vertretung der BAG durch ein anderes Kammermitglied – z.B. einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin – ausgeübt werden, so hat diese Person ein doppeltes Stimmrecht – eines für sich selbst als Kammermitglied und eines als Vertreterin AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 363

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