BRAK-Mitteilungen 5/2023

[12] bb) Die Entscheidungsgründe bieten vorliegend keine Anhaltspunkte für die Annahme, sie würden ihrer Funktion, die das Beratungsergebnis tragenden Gründe zu dokumentieren, nicht gerecht. In dem Urteil des AGH wird im Tatbestand die Tätigkeit der Kl. dargestellt. Zudem ergibt sich daraus, ob und aus welchen Gründen die Parteien diese Tätigkeit als anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 II und III BRAO einordnen oder nicht. In den Entscheidungsgründen stellt der AGH die maßgeblichen Erwägungen dafür dar, warum die Tätigkeit der Kl. nicht als anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 II und III BRAO anzusehen ist. [13] Soweit die Kl. rügt, dass bereits die Lektüre des Tatbestands ergebe, dass nicht der gesamte Prozessstoff ausgewertet worden sei, und die Rechtsausführungen nicht wiedergäben, was die Beteiligten zum Thema anwaltliche Prägung erörtert hätten und was die Kl. schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, hat sie damit keinen Erfolg. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet zwar das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägung einzubeziehen, nicht aber, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Auch im Tatbestand ist gem. § 117 III VwGO der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen und wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Akten zu verweisen (BVerwG, Beschl. v. 30.4.2009 – 8 B 78/08 Rn. 7). Das hat der AGH getan. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht insb. den schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerwG, Beschl. v. 30.4.2009, a.a.O.). Da es vom Rechtsstandpunkt des AGH aus nicht auf die von der Kl. angeführten Parallelfälle ankam, musste der AGH das Vorbringen der Kl. insoweit nicht im Einzelnen darlegen. [14] 2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des AGH bestehen nicht (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (Senat, Beschl. v. 6.2.2020 – AnwZ (Brfg) 64/19 Rn. 9 m.w.N.). Daran fehlt es hier. [15] a) Entgegen der Ansicht der Kl. hat der AGH nicht Grundsatz der Selbstbindung das Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung verkannt. Der Grundsatz der Selbstbindung gründet im Gleichheitssatz (Art. 3 I GG). Er verwehrt der Verwaltung, von einer etablierten Verwaltungspraxis, etwa einer bestimmten Ermessensausübung, ohne sachlichen Grund abzuweichen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3.2. 2022 – 8 ZB 21.1286 Rn. 30 m.w.N.). Eine Selbstbindung der Verwaltung kommt nur in Betracht, wenn es um die Ausübung von Ermessen geht (BVerwG, Beschl. v. 28.6.2017 – 4 B 22/17 Rn. 14) oder der Verwaltungsbehörde für die Auslegung der maßgebenden Rechtsbegriffe ein sog. Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre (BVerwG, Urt. v. 13.4.1978 – V C 54.76, juris Rn. 28). Die Frage, ob jemand eine anwaltliche Tätigkeit ausübt und als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen ist, stellt eine gebundene Entscheidung dar, die weder einen Ermessens- noch einen Beurteilungsspielraum eröffnet (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.9.2021 – L 7 R 936/18, juris Rn. 55). [16] b) Die Entscheidung des AGH steht auch im Einklang mit der Entscheidung des BGH v. 26.11.2019 (AnwZ (Brfg) 55/19). Der AGH hat aus dieser Senatsentscheidung als entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit herangezogen, ob die Rechts- oder unternehmerischen Angelegenheiten der Arbeitgeberin betroffen sind. Die inhaltliche Gestaltung des Verlagsangebots stellt dabei den Kern der unternehmerischen Tätigkeit der Arbeitgeberin dar (vgl. Senat, Beschl. v. 26.11.2019 – AnwZ (Brfg) 55/19 Rn. 6). Der AGH hat ausgeführt, dass es bei der Tätigkeit der Kl. um ein literarisches „Monitoring“ und um „die Herstellung eines Produkts“ gehe und die Tätigkeit der Kl. dadurch geprägt sei. [17] Die Kl. verweist darauf, dass es in der Entscheidung des BGH um eine Redakteurin bei der Zeitschrift GRUR-RR ging, bei der es sich um einen Rechtsprechungsreport handele, in dem ganz überwiegend Gerichtsentscheidungen redaktionell bearbeitet und für die Veröffentlichung angepasst würden, während die Tätigkeit der Kl. gerade bezogen auf die Beauftragung und Vorgaben zu Art und Darstellung von Beiträgen viel weitgehender sei. Dies stellt die Beurteilung des AGH nicht in Frage. Zur inhaltlichen Gestaltung des Verlagsangebots gehört auch, welche Arten von Beiträgen veröffentlicht werden. Werden nicht nur Entscheidungen angenommen, sondern bspw. auch Besprechungen und fachliche Abhandlungen, wird der Auswahlprozess schon wegen der Möglichkeit, durch inhaltliche Anregungen auf den Text einwirken zu können, anders ablaufen. Dies ändert aber nichts daran, dass eine unternehmerische Angelegenheit der Arbeitgeberin betroffen ist. [18] 3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschl. v. 19.4.2022 – AnwZ (Brfg) 51/21 Rn. 36). Diese Voraussetzungen sind vom Antragsteller darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des BGH erforderBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 333

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