BRAK-Mitteilungen 5/2023

und 38 EuRAG endete (dazu auch RegE v. 24.4.2020, BR-Drs. 196/20, 73). Diese Regelungen beruhen auf verschiedenen europäischen Richtlinien (im Überblick dazuNöker, in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 38 EuRAG Rn. 1) und sollen eine effektive Zusammenarbeit der Rechtsanwaltskammern bzw. der zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten der EU, in den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und in der Schweiz sichern. So erfolgt etwa eine Ausstellung von Bescheinigungen für eine Tätigkeit im Ausland (§ 37 II EuRAG) und eine gegenseitige Information über berufsrechtliche Sanktionen sowie sonstige Sanktionen und Sachverhalte, die sich auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts auswirken können (§ 38 I 1 EuRAG). In den anderen Staaten existieren entsprechende Vorschriften. Dürfte ein britischer Solicitor auch nach Ablauf der Übergangsphase am 31.12.2020 in Deutschland als europäischer Rechtsanwalt tätig sein, wäre es der deutschen RAK nur erschwert möglich, auf etwaige berufsrechtliche Verstöße im Vereinigten Königreich oder sonstige Sachverhalte, die seiner Tätigkeit entgegenstehen könnten, zu reagieren. Auch dies begründet Gefahren für das rechtsuchende Publikum. Im Rahmen der Abwägung zwischen den Belangen des Interessen des Solicitors treten zurück Kl. und dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege treten die Interessen des Kl. zurück. Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Maßnahme zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 316 f., NJW 1971, 1255, 1256 f.). Die Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit des Kl. gem. Art. 12 I GG ist zunächst dadurch reduziert, dass er seine Tätigkeit in zumutbarer Weise anpassen kann, indem er sich – nach einer Zulassung als „WHO-Rechtsanwalt“ gem. §§ 206 ff. BRAO – fortan auf die Beratung zum englischen Recht konzentrieren könnte, während die deutschen Rechtsanwälte der Kanzlei die Beratung im deutschen Recht übernehmen würden. Zudem hätte er eine Eingliederung gem. §§ 11 ff. EuRAG beantragen können, deren Erforderlichkeit für ihn absehbar gewesen sein muss. Jedenfalls angesichts dieser Umstände überwiegt das hohe öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. (2) Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit des Art. 15 GRCh erfolgt auch bei dessen Heranziehung keine andere Bewertung. Insbesondere stellt Art. 52 I 2 GRCh keine strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs. Daher gelten die Ausführungen zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG hier entsprechend (zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranken-Schranke des Art. 15 GRCh und zu dessen geringer eingriffsbegrenzender Wirkung etwa Bernsdorff, in Meyer/Hölscheidt, GRCh, 5. Aufl. 2019, Art. 15 Rn. 19). HINWEISE DER REDAKTION: Der Schleswig-Holsteinische AGH (BRAK-Mitt. 2018, 105) hat klargestellt, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaates der WTO, dessen Beruf in der Verordnung zur Durchführung des § 206 aufgeführt ist, nur dann auf Antrag in eine deutsche Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden kann, wenn er den Beruf im Recht seines Herkunftsstaates auch tatsächlich ausübt. VERMÖGENSVERFALL BEI AUSSCHLIESSLICH ALS STRAFVERTEIDIGER TÄTIGEM ANWALT BRAO § 14 II Nr. 7 * 1. Selbst wenn ein Strafverteidiger erklärt, keine Mandantengelder anzunehmen und keine zivilrechtlichen Mandate zu bearbeiten, ist im Falle eines Vermögensverfalls seine Zulassung zu widerrufen. * 2. Die Annahme einer möglichen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Sozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen. BGH, Beschl. v. 11.5.2023 – AnwZ (Brfg) 33/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Der Kl. ist seit dem Jahr 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid v. 14.4.2022 widerrief die Bekl. seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 II Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der AGH abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kl. die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des AGH. [2] II. Der Antrag des Kl. ist nach § 112e S. 2 BRAO, § 124a IV 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. [3] 1. Der vom Kl. geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. [4] Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 II Nr. 3 VwGO ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschl. v. 10.10.2022 – AnwZ (Brfg) 19/22 Rn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vom Antragsteller darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und KläZULASSUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 328

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