BRAK-Mitteilungen 5/2023

HINWEISE DER REDAKTION: Dem Antrag auf Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gem. § 206 I Nr. 2 BRAO ist mithin im Grundsatz eine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Behörde über die Zugehörigkeit zu dem Beruf beizufügen. Eine solche Bescheinigung ist der Rechtsanwaltskammer jährlich vorzulegen. Die Rechtsanwaltskammer kann auf die Vorlage der Bescheinigung allerdings dann verzichten, wenn der ausländische Rechtsanwalt glaubhaft darlegt und soweit wie möglich belegt, dass er trotz Vornahme aller zumutbarer Bemühungen keine Bescheinigung der in seinem Herkunftsstaat zuständigen Behörde hat erlangen können und in seinem Herkunftsstaat dem Beruf des Rechtsanwalts zugehörig ist. Hierbei hat er die Zugehörigkeit gegenüber der Rechtsanwaltskammer an Eides statt zu versichern (vgl. § 207 I BRAO). WIDERRUF DER AUFNAHME ALS EUROPÄISCHER RECHTSANWALT EuRAG § 4 II 1 Alt. 2 * 1. Ein in Großbritannien zugelassener Solicitor fällt seit dem 1.1.2021 nicht mehr unter die Definition „europäischer Rechtsanwälte“ des § 1 EuRAG, da diese Berufsbezeichnung nicht mehr in der Anlage zu § 1 EuRAG genannt wird. * 2. Der Wortlaut des § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG sieht eine gebundene Entscheidung vor. Es handelt sich nicht um eine bloße Regelrechtsfolge, von der in atypischen Einzelfällen abgewichen werden kann. * 3. Auch unter Berücksichtigung des von Verfassungswegen vorgegebenen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist diese Rechtsfolge rechtmäßig. * 4. Einem britischen Solicitor bleibt es unbenommen, eine Zulassung als WTO-Rechtsanwalt gem. §§ 206 ff. BRAO zu beantragen, da der Beruf des Solicitors hierzu gem. § 206 II 1 BRAO i.V.m. der Anlage 1 zu § 1 I der Verordnung zur Durchführung des § 206 BRAO berechtigt. Hiernach darf dieser im englischen Recht sowie im Völkerrecht beraten. Hamburgischer AGH, Urt. v. 16.1.2023 – AGH I ZU 12/2021 (I-39) AUS DEM TATBESTAND: Der Kl. wendet sich mit der Klage gegen den Widerruf der Aufnahme als europäischer Rechtsanwalt in die Bekl. Der Kl., ein deutscher und britischer Staatsbürger, legte das Abitur am X, sowie das britische Pendant, die A-Levels, an der King’s School X ab. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften an der X sowie an der University X. Seit dem 1.3.1996 ist er als Solicitor im Vereinigten Königreich zugelassen. Am 5.11.2002 erfolgte seine Aufnahme bei der Bekl. als europäischer Rechtsanwalt. Im Jahr 2002 wurde der Kl. zum Partner der Rechtsanwaltskanzlei I Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (bis zum 31.12.2020: I & Co.), Hamburg, ernannt, deren Beratungsschwerpunkte im See- und Schifffahrtsrecht, Versicherungsrecht, Energierecht sowie im Gesellschaftsrecht liegen. In der Kanzlei sind derzeit insgesamt vier deutsche Rechtsanwälte und zwei Solicitors tätig. Der Kl. baute den Kanzleistandort in Hamburg auf; seitdem hat er dort seinen Tätigkeitsschwerpunkt. Den Fokus seiner Tätigkeit stellen dabei Mandate an der Schnittstelle des deutschen und englischen Rechts unter Einschluss des europäischen Rechts dar. Ausweislich einer von ihm vorgelegten Fallliste aus den Jahren zwischen 2006 und 2020 (Bl. 65 ff. d.A.) hat die weit überwiegende Anzahl der von ihm betreuten Mandate eine Verbindung sowohl zum englischen als auch zum deutschen Recht. Solche Mandate machen ca. 89 Prozent seines Umsatzes aus. Mit Mandaten, die allein deutsches Recht betreffen, erzielte er etwa 10,5 Prozent seines Umsatzes. Mandate, die allein das englische Recht betreffen, machen weniger als 0,5 Prozent seines Umsatzes aus. Gemäß der Fallliste erfolgte die Mandatsbearbeitung in nahezu allen Fällen „zusammen mit Dr. X“ oder „zusammen mit Dr. X und Team“. Die einzige Ausnahme betrifft ein Mandat mit rein englischem Rechtsbezug („German Number 176/20“), das der Kl. allein bearbeitete und für das er Gebühren i.H.v. netto 5.251,50 Euro abrechnete. Ausweislich einer Telefonnotiz der Bekl. stellte der Kl. bereits im September 2018 Überlegungen zu den möglichen Auswirkungen des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“) auf seine berufliche Tätigkeit an. Nach dem Brexit am 31.1.2020 auf Basis des Austrittsabkommens v. 24.1.2020 und dem Ende des bis zum 31.12.2020 vereinbarten Übergangszeitraums wurde die Anlage zu § 1 EuRAG mit Wirkung zum 1.1.2021 dahingehend geändert, dass ein in Großbritannien zugelassener „Solicitor“ nicht mehr unter die Berufsbezeichnungen fällt, unter denen eine Tätigkeit als europäischer Rechtsanwalt möglich ist (Art. 1 der Verordnung zur Anpassung des anwaltlichen Berufsrechts an den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union v. 10.12.2020, BGBl. I 2020, 2929). Hierüber informierte die Bekl. den Kl. mit Schreiben v. 12.1.2021 und hörte ihn zugleich bezüglich des beabsichtigten Widerrufs seiner Aufnahme als europäischer Rechtsanwalt bei der Bekl. an. Mit Stellungnahme v. 11.3.2021 führte der Kl. aus, dass trotz der in § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG vorgesehenen gebundenen Entscheidung ein Widerruf seiner Kammeraufnahme unverhältnismäßig und daher rechtswidrig sei. Es liege ein atypischer Einzelfall sowie ein schwerwiegender und unverhältnismäßig starker Eingriff in Art. 12 I GG sowie in Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vor. Mit Bescheid v. 31.5.2021 widerrief die Bekl. die Aufnahme des Kl. als europäischer Rechtsanwalt nach § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG. Zur Begründung führte sie aus, § 4 II BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 322

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