BRAK-Mitteilungen 5/2023

aa) DATENSCHUTZRECHTLICHE SCHADENSERSATZANSPRÜCHE Im Datenschutzrecht dürfte die Attraktivität der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DSGVO durch das Urteil des EuGH vom 4.5.2023 – C300/2160 60 EuGH, NJW 2023, 1930; s. zur Durchsetzung immaterieller Schadensersatzansprüche im Fall von Datenpannen Skupin, RDi 2022, 63, 66; allg. auch Kreitz, ITRB 2023, 50; Spittka, GRUR-Prax 2023, 31; Paal/Kritzer, NJW 2022, 2433 (2437 ff.) (zum Inkasso). zugenommen haben, da es nach EuGH keine „Erheblichkeitsschwelle“ für die Durchsetzung der Ansprüche gibt und somit grundsätzlich auch Bagatellschäden in Betracht kommen. Allerdings ist nach OLG Hamm61 61 OLG Hamm, Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 in einem sog. Scraping-Fall. der Nachweis eines konkret durch eine Verletzung der DSGVO eingetretenen Schadens erforderlich. bb) RÜCKZAHLUNGSANSPRÜCHE BEI ONLINEGLÜCKSSPIELEN UND FITNESSSTUDIO-VERTRÄGEN Zu beobachten sind auch die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen wegen unzulässiger Online-Glücksspiele62 62 S. etwa zu Rückzahlungsansprüchen bei fehlender Konzession OLG Frankfurt, NJWRR 2022, 1280; OLG Köln, Urt. v. 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044 = MDR 2023, 423; OLG München, Beschl. v. 20.9.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008; zu Legal Tech-Geschäftsmodellen im Glücksspielrecht Skupin, RDi 2023, 93, 97. oder von Ansprüchen aus abgetretenem Recht auf Beitragsrückerstattung infolge pandemiebedingter Schließungen von Fitnessstudios.63 63 LG Bamberg, Urt. v. 15.7.2022 – 44/41 O 71/21, BeckRS 2022, 17984. In beiden Bereichen kommen auch Forderungskaufmodelle zum Einsatz.64 64 LG Frankfurt, Urt. v. 21.12.2022 – 2-13 O 258/21, BeckRS 2022, 38158. cc) UNFALLSCHADENSREGULIERUNG Auch aus dem Recht der Regulierung von Unfallschäden liegen erste Urteile zum zulässigen Umfang der Inkassolizenz vor. In einem Fall des BGH65 65 BGH, Urt. v. 7.3.2023 – VI ZR 180/23, NJW-RR 2023, 904 = RDi 2023, 344 m. zust. Anm. Skupin; BGH, LTZ 2023, 244 m. zust. Anm. Römermann. war die Klägerin als Inkassodienstleisterin nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG zugelassen und auf die Regulierung von Unfallschäden spezialisiert. Sie machte aus abgetretenem Recht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zur Regulierung eines Verkehrsunfalls geltend. Bereits die Vorinstanzen gaben der Klage überwiegend statt.66 66 AG Karlsruhe-Durlach, BeckRS 2021, 9282; LG Karlsruhe, BeckRS 2022, 16697. In Fortsetzung der liberalen Rechtsprechung „Lexfox“, „AirDeal“ und „financialright“ hat der VI. Zivilsenat des BGH auch keine Bedenken auf dem Gebiet der Regulierung von Unfallschäden. Ein Verstoß gegen § 4 RDG scheide ebenfalls aus. Der VI. Zivilsenat bestätigt67 67 BGH, NJW-RR 2023, 904, 905 Rn. 14 mit Bezug auf BGH, NJW 2020, 208, 232 – Rn. 202. die von dem VIII. Zivilsenat begründete Rechtsauffassung, dass die Verpflichtung zur Kostenfreistellung bereits keine „andere“ Leistungspflicht i.S.v. § 4 RDG, sondern Bestandteil der Inkassodienstleistung sei.68 68 S. zur Kritik an dieser BGH-Rspr. Remmertz, in Krenzler/Remmertz, § 4 RDG Rn. 19. Auch in dem Umstand, dass die Klägerin sich nicht nur die Rechtsverfolgungskosten abtreten ließ, sondern auch eine Erfolgsbeteiligung i.H.v. 15 % am außergerichtlich durchgesetzten Schmerzensgeld vereinbarte, sah der BGH keinen Verstoß gegen § 4 RDG. Dies sei nach § 4 RDGEG a.F. (jetzt § 13e RDG) zulässig und beeinträchtige die Rechtsverfolgung nach Ansicht des BGH nicht.69 69 Ebenfalls zuvor LG Wiesbaden (2. Zivilkammer), Beschl. v. 4.3.2022 – 2 S 18/21, BeckRS 2022, 19327. Der Kunde stehe nicht schutzlos dar. Sofern der Inkassodienstleister im Einzelfall zum Nachteil der Kunden eigennützig eigene Interessen verfolge, stünde ihm ein Schadensersatzanspruch zu.70 70 BGH, NJW-RR 2023, 904, 906 Rn. 18. Im Fall der Unfallschadensregulierung hatte auch bereits zuvor das LG Wiesbaden71 71 LG Wiesbaden, Beschl. v. 26.4.2022 – 2 S 18/21, BeckRS 2022, 19327; Besprechung Skupin, NZV 2022, 535. entschieden, dass diese von der Inkassolizenz gedeckt sei. d) WIDERRUF WEGEN UNZUVERLÄSSIGKEIT In einem Widerrufsverfahren nach § 14 Nr. 1 und 3 RDG hat das OVG Münster72 72 OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2023 – 4 B 1590/20, BeckRS 2023, 11348. über einen Fall entschieden, in dem ein registrierter Inkassodienstleister mit Hilfe einer App Parkraumverstöße durchzusetzen versuchte. Mit Hilfe der App konnten Parkplatzinhaber Parkverstöße melden. Das Inkassounternehmen machte dann nach Halterermittlung Schadensersatzforderungen geltend. Später ging es dazu über, zur Vermeidung von Unterlassungsansprüchen Vergleichsangebote zu unterbreiten. Das OLG Düsseldorf als zuständige Aufsichtsbehörde widerrief daraufhin die Registrierung wegen Unzuverlässigkeit, da in erheblichem Umfang Forderungen geltend gemacht wurden, die erkennbar ganz oder teilweise nicht bestanden. Das OVG Münster hat den Widerruf der Registrierung bestätigt. 2. ERSATZ VORGERICHTLICHER INKASSOKOSTEN Nach BGH73 73 BGH, Versäumnisurt. v. 7.12.2022 – VIII ZR 81/21, NJW 2023, 1368 = BRAK-Mitt. 2023, 253 (Ls.). sind vorgerichtliche Inkassokosten auch bei (zunächst) unbestrittenen Forderungen in voller Höhe neben den Rechtsanwaltsgebühren erstattungsfähig, wenn der Gläubiger aufgrund eines erst später nach Beauftragung eines Inkassodienstleisters erfolgten (erstmaligen) Bestreitens der Forderung zu deren weiteren gerichtlichen Durchsetzung einen Rechtsanwalt einschaltet. In dem konkreten Fall hatte der Schuldner auf Mahnungen nicht reagiert und erst gegen den durch den Inkassodienstleister beantragten Mahnbescheid – ohne nähere Begründung – Widerspruch erhoben. Der BGH hielt die Einschaltung eines Inkassodienstleisters in dem vorliegenden Fall für erforderlich und zweckmäßig.74 74 BGH, NJW 2023, 1368, 1369 Rn. 23 ff. Die Entscheidung erging noch zu § 4 V RDGEG a.F., die durch das zum 1.10.2021 in Kraft getretenen Gesetz REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 291

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