BRAK-Mitteilungen 4/2023

§ 59e BRAO a.F. geeignet, erforderlich und kohärent ist, eine sichere und qualitativ hochwertige Beratung und Vertretung der Bevölkerung und damit die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu gewährleisten. Seine unionskonforme Verteidigung ist nicht nur erfolgsversprechend, sondern vielmehr zwingend geboten. AUSBILDUNGSSITUATION VON ReFas – ALARMSTUFE ROT! URSACHEN UND FOLGEWIRKUNGEN VON AUSBILDUNGSABBRÜCHEN RECHTSANWÄLTINNEN MELANIE THEUS UND DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL.* * Die Autorin Theus ist Rechtsanwältin in Koblenz und Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Koblenz. Sie unterrichtet an einer Berufsschule angehende Rechtsanwaltsfachangestellte im Lernfeld 12, Zwangsvollstreckungsrecht. Die Autorin Nitschke ist Rechtsanwältin in Karlsruhe, Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer sowie Schriftleiterin der BRAK-Mitteilungen. Die Zahl der Auszubildenden zum/zur Rechtsanwaltsoder Rechtanwalts- und Notarfachangestellten sind seit Jahren rückläufig, entgegen dem Trend in anderen freien Berufen. Diese Entwicklung wird durch eine weitere negative Entwicklung überlagert: Von den immer weniger werdenden Auszubildenden führen auch immer weniger ihre Ausbildung zu Ende bzw. bleiben nach deren Abschluss in der Anwaltschaft tätig. Die Autorinnen belegen die zunehmende Abbrecherquote, unternehmen eine Prognose für die weitere Entwicklung und gehen den Ursachen für Ausbildungsabbrüche nach. Abschließend zeigen sie mögliche Stellschrauben auf, um Anwaltskanzleien als attraktive Ausbildungsstätten und Anwältinnen und Anwälte als gute und faire Chefinnen und Chefs zu positionieren. I. DIE SITUATION AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT: MANGELBERUF ReFa Nachdem die Ausbildungszahlen jahrelang rückläufig waren, stimmt der im Mai 2023 vorgelegte Berufsbildungsbericht der Bundesregierung1 1 S. den Berufsbildungsbericht 2023 sowie den begleitenden BIBB-Datenreport; dazu Nachr. aus Berlin 11/2023 v. 31.5.2023. auf den ersten Blick positiv: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 % gestiegen. Nach dem Bericht stieg die Zahl neuer Ausbildungsverträge zwar auf insgesamt 475.100 – das sind 2.081 mehr als im Vorjahr (473.063). Damit ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach dem starken Einbruch im Corona-Jahr 2020 zwar leicht angestiegen,2 2 Ein Schlaglicht darauf wirft die im Mai/Juni 2021 durchgeführte 3. Corona-Umfrage der BRAK (Stichwort Ausbildungsverhältnisse). sie bleibt aber weiterhin deutlich (-49.894 bzw. -9,5 %) unter dem Niveau von 2019 vor der Pandemie. Diese führte zunächst zu einem erheblichen Einbruch, bereits im Jahr 2021 erholten sich die Ausbildungszahlen jedoch über alle Berufe hinweg wieder, in den freien Berufen konnte sogar ein Zuwachs von knapp 10 % gegenüber 2020 vermeldet werden.3 3 Pressemitt. von BFB, BDA, DIHK und ZDH v. 26.10.2021. Allerdings schwindet der positive Eindruck auf den zweiten Blick: Konträr zur Entwicklung der Ausbildungszahlen in den übrigen freien Berufen und in der Wirtschaft allgemein verlief die Entwicklung bei den Rechtsanwalts- sowie Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten (ReFa bzw. ReNo). Im Jahr 2022 sank die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit 3.151 im Vergleich zum Vorjahr (3.554), das ist ein Minus von 11,34%.4 4 BRAK-Statistik neu abgeschl. Ausbildungsverträge zum 30.9.2022; zur Einordnung Trierweiler, BRAK-Magazin 3/2023, 3. Die rückläufige Tendenz aus den Vorjahren setzt sich damit weiter fort.5 5 S. zu den Zahlen für 2021: Nachr. aus Berlin 6/2022 v. 23.3.2022; zu den Zahlen für 2020: Nachr. aus Berlin 10/2021 v. 20.5.2021, jeweils u.H.a. die aktuellen Statistiken der BRAK; zur rückläufigen Entwicklung bereits im Jahr 2017 s. Graßhoff, BRAK-Magazin 3/2017, 3. Im Jahr 2022 wurden im Ausbildungsberuf Rechtsanwaltsfachangestellte/r 2.314 neue Verträge abgeschlossen (Vorjahr: 2.570), im Ausbildungsberuf Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte/r waren es 837 neue Verträge (Vorjahr: 984). Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stieg dabei in fünf Kammerbezirken im Vorjahresvergleich an; 22 Rechtsanwaltskammern verzeichneten zum Teil deutliche Rückgänge. Das führt inzwischen spürbar dazu, dass in vielen Kanzleien offene Stellen nur schwer oder gar nicht mehr besetzt werden können. Der STAR-Bericht 2022 belegt, dass in Einzelkanzleien rund 14 % Stellen unbesetzt sind und knapp 42 % in Sozietäten, wobei mit steigender Kanzleigröße der Anteil unbesetzter Stellen auf bis zu 79 % der befragten Sozietäten mit mehr als zehn Berufsträgern steigt.6 6 Dazu Vetter, BRAK-Mitt. 2023, 2, 4. Die Angaben beziehen sich auf nicht-anwaltliches Fachpersonal, also insb. auf ReFas/ ReNos, aber auch anderes administratives Personal in Kanzleien. Zahlen zu offenen Ausbildungsstellen wurden im Rahmen von STAR nicht erhoben, die Zahlen zum ausgelernten Personal lassen aber deutlich den vielfach beschriebenen Fachkräftemangel erkennen. THEUS/NITSCHKE, AUSBILDUNGSSITUATION VON ReFas – ALARMSTUFE ROT! BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 AUFSÄTZE 212

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