BRAK-Mitteilungen 3/2023

Bedeutung sei, dass die Vergütung erst sicher feststehe, nachdem der Rechtsanwalt einen Auftraggeber in einer bestimmten Rechtssache vertreten habe. [26] Was den zweiten Fragenkreis angeht, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Art. 6.2284 VI des Zivilgesetzbuchs einen höheren Schutz gewährleiste als den, der durch die Richtlinie 93/13 gewährleistet werde. Eine Klausel könne nämlich, ohne dass sie gem. Art. 3 I der Richtlinie geprüft werden müsste, bereits wegen mangelnder Transparenz für missbräuchlich erklärt werden. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, welche Folgen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel nach dem Unionsrecht hat. [27] Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Nichtigerklärung der Klausel über die Vergütung zur Nichtigkeit der Verträge über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen und zur Wiederherstellung der Lage führen müsste, in der sich der Verbraucher befunden hätte, wenn die Klauseln niemals existiert hätten. Im vorliegenden Fall würde dies aber zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Verbrauchers und zu einer Lage führen, die für den Gewerbetreibenden, der die Rechtsdienstleistungen in vollem Umfang erbracht habe, nicht gerecht sei. Das vorlegende Gericht fragt sich ferner, ob eine Herabsetzung der Vergütung für die Rechtsdienstleistungen nicht die abschreckende Wirkung beeinträchtigt, die mit Art. 7 I der Richtlinie 93/13 verfolgt werde. [28] Der Lietuvos Aukˇsˇciausiasis Teismas (Oberstes Gedie Vorlagefragen richt Litauens) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 4 II der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass der Begriff „Hauptgegenstand des Vertrages“ eine – nicht im Einzelnen ausgehandelte und in einem von einem Gewerbetreibenden (Rechtsanwalt) und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über juristische Dienstleistungen enthaltene – Klausel umfasst, die sich auf die Kosten und die Art und Weise ihrer Berechnung bezieht? 2. Ist der Verweis in Art. 4 II der Richtlinie 93/13 auf die Klarheit und Verständlichkeit einer Vertragsklausel dahin auszulegen, dass es genügt, in der Vertragsklausel über die Kosten (nach der die Kosten für tatsächlich erbrachte Dienstleistungen auf der Grundlage eines Stundensatzes festgelegt werden) die Höhe des dem Rechtsanwalt geschuldeten Stundenhonorars anzugeben? 3. Falls die zweite Frage verneint wird: Ist das Transparenzerfordernis dahin auszulegen, dass es die Verpflichtung des Rechtsanwalts umfasst, im Vertrag die Kosten für Dienstleistungen anzugeben, deren konkrete Sätze im Voraus klar bestimmt und aufgeführt werden können, oder sind indikative Kosten für die Dienstleistungen (eine vorläufige Schätzung für die erbrachten juristischen Dienstleistungen) auch anzugeben, wenn die Zahl (oder Dauer) konkreter Handlungen und das Honorar dafür bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar sind, und sind etwaige Risiken, die zu einer Erhöhung oder Verringerung der Kosten führen, anzugeben? Ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Vertragsklausel über die Kosten dem Transparenzerfordernis genügt, erheblich, ob Informationen über die Kosten juristischer Dienstleistungen und die Art und Weise ihrer Berechnung dem Verbraucher in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt werden oder im Vertrag über juristische Dienstleistungen selbst festgelegt werden? Kann ein Mangel an Informationen in den vorvertraglichen Beziehungen dadurch ausgeglichen werden, dass bei der Vertragsdurchführung Informationen zur Verfügung gestellt werden? Spielt es für die Beurteilung der Frage, ob die Vertragsklausel dem Transparenzerfordernis genügt, eine Rolle, dass sich die Endkosten der erbrachten juristischen Dienstleistungen erst nach Beendigung der Leistungserbringung herausstellen? Ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Vertragsklausel über die Kosten dem Transparenzerfordernis genügt, erheblich, dass im Vertrag nicht festgelegt ist, dass regelmäßig Berichte des Rechtsanwalts über die erbrachten Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen sind oder dem Verbraucher regelmäßig Rechnungen vorzulegen sind, was es dem Verbraucher ermöglichen würde, rechtzeitig über die Ablehnung juristischer Dienstleistungen oder eine Änderung des vertraglich vereinbarten Preises zu entscheiden? 4. Wenn das nationale Gericht feststellt, dass die Vertragsklausel, mit der die Kosten für tatsächlich erbrachte Dienstleistungen auf der Grundlage eines Stundensatzes festgelegt werden, nicht klar und verständlich abgefasst ist, wie es Art. 4 II der Richtlinie 93/13 verlangt, hat es dann zu prüfen, ob diese Klausel missbräuchlich i.S.v. Art. 3 I dieser Richtlinie ist (d.h., bei der Prüfung, ob die Vertragsklausel möglicherweise missbräuchlich ist, ist festzustellen, ob diese Klausel zum Nachteil des Verbrauchers ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ der Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht), oder ist es, wenn man berücksichtigt, dass diese Klausel wesentliche Vertragsinformationen enthält, für die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Kostenklausel bereits ausreichend, dass sie nicht transparent ist? 5. Bedeutet der Umstand, dass, wenn die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel über die Kosten festgestellt wurde, der Vertrag über juristische Dienstleistungen, wie in Art. 6 I der Richtlinie 93/13 vorgesehen, unverbindlich ist, dass [dann] die Situation wiederherzustellen ist, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, befunden hätte? Würde die Wiederherstellung dieser Situation bedeuten, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die bereits erbrachten Dienstleistungen zu bezahlen? 6. Wenn die Art eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrags dazu führt, dass es unmöglich ist, die Situation wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, befunden hätte (die Dienstleistungen wurden bereits erbracht), liefe dann die Festsetzung eines Entgelts für die vom Rechtsanwalt erbrachten Dienstleistungen EUROPA BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 176

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