BRAK-Mitteilungen 3/2023

In der Praxis ist nur eine geringe Anzahl der Verwalter nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.22 22 HambKInsO/Frind, 9. Aufl. 2022, § 56 Rn. 2; Henssler, NZI 2020, 193, 194. Nach durchgeführten Erhebungen sind deutlich mehr als 90 % der Insolvenzverwalter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.23 23 Ausweislich einer beim InDAT-Verlag in Auftrag gegebenen Auswertung der Berufsattribute bei im Jahr 2018 bestellten Insolvenzverwaltern v. 8.10.2019, die hinsichtlich Personen ohne Berufsattribut noch mit dem Bundesrechtsanwaltsverzeichnis abgeglichen wurde, wurden im Jahr 2018 2.170 Personen zu Insolvenzverwaltern bestellt, davon waren 2.058 (94,8 %) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Die Nicht-Rechtsanwältinnen bzw. NichtRechtsanwälte unter den Insolvenzverwaltern setzen sich dabei überwiegend aus nicht-regulierten Berufen ohne Kammerzugehörigkeit zusammen, etwa Kaufleute, Diplom-Juristinnen und -Juristen oder Wirtschaftsjuristinnen und -juristen. Steuerberaterinnen und -berater und Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer ohne gleichzeitige Zulassung auch zur Rechtsanwaltschaft sind einer für das Jahr 2018 erstellten Auswertung mit lediglich 1,3 % aller Insolvenzverwalter zu entnehmen. Somit ist festzuhalten, dass die Insolvenzverwalter nahezu vollständig ohnehin bereits Mitglieder der Rechtsanwaltskammern sind, jedenfalls soweit sie überhaupt einer Berufskammer angehören. Sie alle üben die Insolvenzverwaltertätigkeit im Rahmen ihres Anwaltsberufs aus und dies ohnehin schon nach dessen – bislang freilich nicht verwalterspezifischen – Vorgaben.24 24 BGH, Urt. v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, BRAK-Mitt. 2015, 238 Rn. 21 ff.; Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 59c Rn. 6; Weyland/Brüggemann, BRAO, 10. Aufl. 2020, Einl. Rn. 18 f.; a.A. etwa Prütting, ZIP 2016, Beil. zu Heft 22, 61-63. Es ist deshalb naheliegend und effizient und vermeidet zudem unnötigen Bürokratieaufbau, das Insolvenzverwalter-Berufsrecht auch insoweit in das bestehende System der anwaltlichen Selbstverwaltung einzubetten, als es die (wenigen) nicht-anwaltlichen Insolvenzverwalter miterfassen muss.25 25 BRAK-Eckpunktepapier zur Einführung eines Berufsrechts für Insolvenzverwalter v. 29.3.2019, s. dazu Presseerkl. Nr. 14/2019 v. 25.10.2019. Denn in der bestehenden Organisation und Struktur aus Anwaltskammern, Anwaltsgerichtsbarkeit und Satzungsversammlung sind die Prozesse für Zulassung und Aufnahme, Berufsaufsicht, berufsrechtliche Maßnahmen und Ausgestaltung des Berufsrechts durch Satzung sämtlich vorhanden und eingespielt. 3. GERINGSTMÖGLICHER EINGRIFF Die dritte Prämisse bei Erarbeitung des Reformvorschlags war es, zusätzlichen Aufwand durch organisatorische berufsrechtliche Regelungen für die Insolvenzverwalter möglichst gering zu halten; zu regeln, was zwingend geregelt werden muss, aber – wo möglich – keine neuen Strukturen und Anforderungen zu schaffen. Die in der BRAO vorgesehenen anwaltlichen Berufspflichten gelten de lege lata bereits für anwaltliche Insolvenzverwalter, wobei nach der Rechtsprechung des BGH eine „bereichsspezifische Auslegung“ zu erfolgen hat.26 26 BGH, Urt. v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, BRAK-Mitt. 2015, 238. Dementsprechend sind einzelne anwaltliche Berufspflichten für die Insolvenzverwalter de lege ferenda bereichsspezifisch zu modifizieren. Daneben werden nach dem Regelungsvorschlag nur elementare Grundpflichten des Insolvenzverwalters ergänzend in die BRAO aufgenommen, wobei die nähere Ausgestaltung dieser Grundpflichten durch Satzung erfolgt. Dagegen sieht der Vorschlag bewusst davon ab, jenseits elementarer Grundpflichten etwa Regelungen zu einzuhaltenden Standards zu treffen. Das soll Zertifizierungen oder Qualitätssiegeln vorbehalten bleiben und nicht zum Gegenstand des Berufsrechts werden. Ebenso wenig zielt der Vorschlag darauf ab, bloße Schlechtleistungen berufsrechtlich zu würdigen oder zu sanktionieren. Schlechtleistungen steht vielmehr die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO als Korrelat gegenüber.27 27 vgl. MüKoInsO/Schoppmeyer, 4. Aufl. 2019, § 60 Rn. 1a. III. DER GESETZESVORSCHLAG 2020 IN GRUNDZÜGEN 1. ZUGANG ZUR INSOLVENZVERWALTERTÄTIGKEIT Nach dem Regelungsvorschlag wird § 56 I InsO um die Vorgabe ergänzt, dass die vom Gericht zu bestellende Person im Insolvenzverwalterverzeichnis eingetragen sein muss. Die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters im konkreten Verfahren obliegt weiterhin der Insolvenzrichterin bzw. dem Insolvenzrichter, was § 47a III BRAO-Vorschlag (fortan: BRAO-V) klarstellt. So ist sichergestellt, dass jeder neu bestellte Insolvenzverwalter der geforderten28 28 Richtlinie (EU) 2019/1023 (Fn. 3), Art. 27 I. Aufsicht und Regulierung unterliegt, unabhängig von der nach § 58 InsO weiterhin bestehenden Aufsicht des Insolvenzgerichts im konkreten Verfahren. Dem Postulat des geringstmöglichen Eingriffs folgend sieht der Reformvorschlag für alle anwaltlichen Insolvenzverwalter keine gesonderte „Zulassung“ oder dergleichen vor. Um in das bundesweite Insolvenzverwalterverzeichnis aufgenommen zu werden, genügt ein entsprechender Antrag samt Nachweis der spezifischen Haftpflichtversicherung sowie hinsichtlich der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischer Tätigkeit auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung. Den Nachweis der theoretischen Kenntnisse führen Antragstellende nicht durch ein aufwändiges hoheitliches Prüfungsverfahren, sondern – nach dem Vorbild der Fachanwaltsqualifikation – durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen qualifizierter Lehrgangsanbieter. Nicht-anwaltliche Insolvenzverwalter müssen statusbegründend – wie schon jetzt z.B. nicht-anwaltliche Geschäftsführer von Anwaltsgesellschaften – in die jeweilige Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden. Dabei müssen sie im Wesentlichen dieselben Voraussetzungen erfüllen wie Bewerberinnen und Bewerber im Rahmen der Anwaltszulassung. Es müssen also insb. die Vermögensverhältnisse geordnet sein, es dürfen keine relevanten strafrechtlichen Verurteilungen vorliegen POHLMANN, BERUFSRECHT DER INSOLVENZVERWALTER – KOMPROMISSVORSCHLAG DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 144

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